"Man muss tanzen können", sagt Cornelia Richter über das Amt, das sie vielleicht im nächsten Jahr antritt. Man meint den Tanzschritt in ihrem leicht wienerisch angehauchten Hochdeutsch spüren zu können.
"Wien ist die Stadt des Opernballs. Auch wenn man als Bischöfin nicht hingeht - das sind die Dimensionen: Hohes Parkett. Aber in den kleinen Orten würde ich auch im Dirndl kommen.
Denn außerhalb von Wien ist Österreich sehr ländlich." Es gehe darum, Menschen zu gewinnen und zusammenzuführen.
Cornelia Richter, 54, Professorin für Systematische Theologie in Bonn, steht in ihrer Heimat Österreich auf der Wahlliste für die Neubesetzung des Bischofsamtes der evangelischen Kirche. Als einzige.
Würde sie gewählt, wäre sie die erste Frau im Bischofsamt in der etwas über 500-jährigen Geschichte des Protestantismus in der Alpenrepublik. Richter würde auf den Theologen Michael Chalupka folgen, der Ende des Jahres in den Ruhestand geht. Wer für das Amt antritt, braucht eine Zweidrittelmehrheit der Synode am 23. Mai in Wien. Die Wahl gilt für zwölf Jahre.
Professorin und Pfarrerin
Cornelia Richter ist in zwei Welten zuhause. Sie ist leidenschaftlich Professorin und ebenso Pfarrerin. Immer schon hat sie gern Gottesdienste und kirchliche Dienste in ihrem Heimatland versehen. In Bad Goisern im Salzkammergut, einem der wenigen Orte des Landes mit evangelischer Mehrheit, ist sie auf- und in eine Kirchengemeinde hineingewachsen.
"Das erdet", sagt sie heute. Ihr Vater zog als Pfarrer von Berlin hierher, ihre Mutter war Organistin. Aber mit dem Studium in Wien und München erschloss sie sich die Welt der Forschung und Lehre mit Stationen in Wien, Marburg, Kopenhagen, Hermannsburg, Zürich und Gießen.
2011 wurde sie auf Lehrstühle nach Gießen, Bonn und nach Kiel berufen. Sie entschied sich für den Rhein und den Lehrstuhl für Systematische Theologie - als erste Frau auf dieser Professur in Bonn. Schon ihre Großmutter hatte sich nach dem Studium in Bonn das Examen beim dortigen Rheinischen Konsistorium erstritten.
Richter war die erste Dekanin der Bonner evangelischen Fakultät und wurde im vergangenen Jahr die erste weibliche Senatsvorsitzende der Universität. Sie ist Universitätspredigerin in der zur Hochschule gehörenden klassizistischen Schlosskirche in zartem Weiß und Gelb.
Dort leitet sie die Gottesdienste, tauft Kinder, traut Paare und beerdigt Verstorbene, wenn Beteiligte die Feier dort halten wollen.
Hin- und hergerissen nach Anfrage
Inzwischen lehrt Richter auch an der nach Oxford und Cambridge drittältesten Universität des englischen Sprachraums im schottischen Saint Andrews. Sie hat ein interdisziplinäres Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über "Resilienz in Religion und Spiritualität" mit geleitet und dort über das Aushalten von Ohnmacht, Angst und Sorge geforscht.
Ist ihr deshalb das "Kaffeehäferl" nur halb aus der Hand gefallen, wie sie berichtete, als sie von der Nominierung erfuhr? Sie lacht ein ansteckendes Lachen. Die Räume des Lehrstuhls am Bonner Hofgarten, dem früheren Park des kurfürstlichen Schlosses, sind neu hergerichtet, der Lehrstuhl gut versorgt.
Sie war hin- und hergerissen, lässt sie durchblicken und wird ernst, "aber so eine Anfrage, noch dazu mit einem solchen Vertrauenserweis, lehnt man nicht ab." Und sie sagt von sich: "Ich bin wirklich mit Leib und Seele Österreicherin."
Mit Sympathie in der Stimme berichtet sie über ihre Heimatkirche und das Bischofsamt: "Es ist erstens und vor allem eine geistliche Aufgabe. Man ist sozusagen die erste Pfarrerin des Landes und die erste Seelsorgerin.
Das bedeutet vor allem viele Gottesdienste, an Festen, im Alltag und auch bei Katastrophen." Die Leitungsverantwortung liegt mehrheitlich bei den Superintendenten, also den leitenden Geistlichen der sieben Diözesen, bisher allesamt Männer. Doch alle sieben Diözesen haben sie gemeinsam vorgeschlagen.
Zudem wartet eine kommunikative Aufgabe auf Cornelia Richter: "Man muss, schlicht gesagt, den Laden zusammenhalten."
Ausgleich in vielfältiger Kirche
Die österreichische Kirche mit ihren etwa 250.000 Mitgliedern umfasst liberale Gemeinden, aber auch konservativ-evangelikale, biblizistische Strömungen, und auch Gemeinden der lutherisch-volkskirchlichen Mitte wie die, in der sie aufgewachsen ist. Und alle selbstbewusst.
"Doch überall gibt es die Sorge, dass die kleine Kirche noch mehr gespalten wird. Deswegen legt man Wert darauf, dass die Person an der Spitze integriert und Vertrauen zueinander stiften kann."
Sie selber beschreibt sich als eher liberal und doch zutiefst fromm: "Ich würde mich am ehesten an Friedrich Schleiermacher orientieren." Doch sie ist überzeugt, dass auch die Konservativen wichtige Anliegen bewahren und sich in der gemeinsamen Kirche wiederfinden sollen.
Man müsse die liberale Theologie mit ihrer größeren Vorsicht bei Offenbarungsaussagen neu durchdenken und ihre Frömmigkeit bewusster gestalten, findet sie. "Dann können wir entdecken, dass wir mit unterschiedlichen Schwerpunkten gemeinsam zur Kirche gehören."
Damit hat sie gute Erfahrungen gemacht, in Österreich wie an der Universitätskirche: "Hier wie auf dem Land predige ich dasselbe, nur gebrauche ich in akademischen Kontexten unbefangener Fachwörter. Und ich merke: Du kannst überall Leute berühren und musst dich in keiner Weise verbiegen."
Denn am Ende verbinde alle die Auftaktfrage des Heidelberger Katechismus: "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" Je mehr sie praktisch tut, "desto mehr verändert sich die Lehre: Ohne die Kirche geht das alles nicht."
Besonders Begräbnisfeiern verbinden Leute, hat sie erlebt: "Wenn ich am Grab von der Auferstehungshoffnung predige - das schafft Vertrauen." Man muss aber auch, ergänzt sie, über Schafzucht und Heuernte reden können.
Repräsentation als Aufgabe
Dann ist da die repräsentative Aufgabe des Bischofsamtes: Wien ist die Stadt der OSZE, der OPEC und anderer internationaler Institutionen.
Im zentralen 18. Bezirk Wiens, in der Severin-Schreiber-Gasse nah dem Sternwartepark, hat die Kirche in einem modern renovierten Zweckbau ihren Sitz, das Evangelische Predigerseminar und die Gemeinschaft Europäischer Kirche in Europa (GEKE).
"Die gemeinsame evangelische Vertretung in Europa ist noch ausbaufähig", sagt Richter. "Dazu ist das österreichische Bischofsamt geradezu prädestiniert. Da geht es um Bekenntnisbildung. Und nach außen müssen wir Protestanten viel klarer und selbstbewusster auftreten".
Sie fügt hinzu: Das geht bis zu Kleidungsfragen. Und berichtet über ihre Bekehrung zu Amtstracht und -kreuz: "Früher war ich strikt dagegen. Man trägt doch seinen Glauben nicht vor sich her!" Heute denkt sie anders darüber: "Wir sollten bewusster das Kreuz tragen, damit wir sichtbar und erkennbar sind."
Vor allem die jungen Frauen, die neu ins Pfarramt kämen, brächten Sensibilität und Geschick für geistliche Kleidung ein: "Da ist so viel machbar an flotter, lebendiger Sichtbarkeit, die auch mit ein bisschen Witz daherkommt. Es muss nicht immer bierernst sein."
Auf Richters Liste für künftige Kontakte steht die schwedische Modedesignerin Maria Sjödin. Sjödin entwirft Kollektionen mit Kollar, vor allem für Frauen. In Schweden sind 40 Prozent der evangelischen Geistlichen weiblich. Auch in Deutschland studieren mehr Frauen als Männer evangelische Theologie.
Richter kommt noch einmal auf die Seelsorge zu sprechen. Wie in ganz Westeuropa leiden auch die österreichischen Gemeinden unter Austritten und weniger Taufen. 2024 traten über 6.700 Menschen aus der evangelischen Kirche in Österreich aus.
Das zu erleben kann an der Berufung nagen. "Hier kann ich viel von der Resilienzforschung einbringen", sagt Richter. "Man muss anerkennen, dass sich die Gesellschaft ändert und es nicht unbedingt am eigenen Einsatz liegt. Sonst brennt man aus. Das beobachte ich leider bei manchen, und daran müssen wir arbeiten."
Kirche muss Räume schaffen
Zugleich werde die Kirche gebraucht mit ihrer Botschaft von Glaube, Liebe und Hoffnung, denn sie gehöre über die eigenen Grenzen hinaus zu den Kräften, die Zusammenhalt stifteten und die Idee von Menschenrechten und der Bedeutung des einzelnen durch die Zeit tragen könnten:
"Das muss jemand sagen und vorleben, jemand, der das der eigenen Gemeinschaft auch zutraut." Von der Universität weiß sie auch, dass sich immer wieder jüngere Leute für Kirche und Theologie interessieren: "Ich würde gerne ein Forum aufbauen, wo man ihnen zuhört. Die Kirche muss noch intensiver als bisher solche Räume schaffen", ist sie überzeugt.
Schließlich gibt es die Diakonie der Kirche, mit knapp 700.000 betreuten Menschen, mehr als doppelt so viel wie Kirchenmitglieder, und über 10.000 Beschäftigten an 620 Standorten. Fast könnte man sagen, Österreich habe eine große Diakonie mit einer kleinen Kirche.
Richter kennt die Direktorin Maria Katharina Moser wie auch die Rektorin des Predigerseminars, Helene Lechner. Beide sind Pfarrerinnen. "Das kann eine enge Zusammenarbeit werden", sagt Richter.