Bischof von Brunei wird Kardinal

"Wir sind die Peripherie der Peripherie"

Papst Franziskus ist bei Ernennungen von Kardinälen immer für Überraschungen gut. Nicht zuletzt für die Betroffenen selbst, die oft als Letzte von ihrer Berufung erfahren. Das war auch so bei der Ernennung von Bischof Cornelius Sim aus Brunei.

Autor/in:
Michael Lenz
Papst Franziskus mit Kardinälen / © Riccardo De Luca (shutterstock)
Papst Franziskus mit Kardinälen / © Riccardo De Luca ( shutterstock )

Cornelius Sim war vielleicht der überraschendste Kandidat in der jüngsten Runde der Kardinalernennungen. Der bescheidene 67-jährige ist "nur" Bischof, was allein schon ungewöhnlich ist. Aber damit nicht genug: Sim leitet das winzige Apostolische Vikariat Brunei, in dem gerade einmal drei Priester in drei Gemeinden wirken.

An die Peripherie zu gehen, hat Papst Franziskus zu einer Art Maxime seines Pontifikats erklärt. "Wir sind die Peripherie der Peripherie", schmunzelt der Bischof im Zoom-Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Christen auf Borneo

Der offizielle malaiische Name des mehrheitlich islamischen Sultanats lautet Brunei Darussalam, was in etwa "Ort des Friedens" bedeutet. So werden im Islam Staaten bezeichnet, deren Gesetzgebung sich am islamischen Scharia-Recht orientiert. Die Durchsetzung der Scharia für die muslimischen Bürger Bruneis sorgte 2019 international für Wirbel.

Der sunnitische Islam ist die Staatsreligion des 5.800 Quadratkilometer kleinen Lands auf Borneo. Je etwa fünf Prozent der gut 470.000 Einwohner des dank seiner Öl- und Gasvorkommen enorm reichen Brunei sind Katholiken oder Protestanten.

Fehlende Grundrechte im Sultanat

In der Verfassung sind außer der freien Religionsausübung keinerlei Grundrechte in dem Land definiert, dass von Sultan Hassanal Bolkiah als absolute Monarchie regiert wird. Der Herrscher ist zugleich oberster Hüter des Islam und mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 20 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Menschen der Welt.

Der 1951 in Brunei geborene Sim entstammt einer Familie, deren ethnische Wurzeln zum einen chinesisch sind und zum anderen aus dem Borneovolk der Dusun herrühren. Als junger Mann fühlte sich Sim als Sprössling eines Ölsultanats zum Ingenieur berufen.

"Eine Freundin hatte ich nicht"

Während seines Studiums erst im malaysischen Kuala Lumpur und dann in Schottland entfernte sich der Katholik von seinem Glauben. Den Abstand von den Eltern macht er dafür ebenso verantwortlich wie das studentische Leben in einer neuen Umgebung und die damit verbundenen neuen Erfahrungen. Auf die Frage, ob er eine Freundin hatte, antwortet Sim, der zwölf Jahre lang in Brunei für Shell gearbeitet hat, lachend: "Das Glück hatte ich nicht."

Der lebensverändernde Moment und letztlich seine Berufung kam durch den frühen Tod des Vaters. "Ich begann, mir existenzielle Fragen zu stellen." Sim studierte Theologie, absolvierte die Ausbildung zum Priester, wurde Gemeindepfarrer in Brunei. 1998 avancierte er zum Präfekten der neuen Apostolischen Präfektur Brunei Darussalam und wurde schließlich 2005 zum Bischof geweiht.

Viele katholische Philippiner

Sim akzeptierte seinen Aufstieg in der Hierarchie als gehorsamer Diener der Kirche. Amt und Würde, so lässt er im Gespräch durchblicken, sind ihm nicht wichtig und sollten zudem in einer Kirche der Armen keine Rolle spielen. Die Einladung von Papst Johannes Paul II., zu seiner Bischofsweihe nach Rom zu kommen, habe er abgelehnt. "Ich wollte lieber mit den Menschen hier in Brunei feiern", sagt Sim.

Die 21.000 Katholiken in Brunei sind zu 75 Prozent Philippiner, die im reichen Brunei arbeiten und ohne Einschränkungen Sozialleistungen wie kostenlose Bildung des Sultanats genießen. Das verbleibende Viertel setzt sich aus Migrantenarbeitern anderer Nationalitäten sowie zu etwa zehn Prozent aus Einheimischen zusammen.

Religionsfreiheit mit Einschränkungen

Die Religionsfreiheit ist garantiert, nicht aber die Freiheit, diese auch entsprechend der jeweiligen Traditionen auszuleben. Christliche Prozessionen etwa sind in Brunei ebenso wenig erlaubt wie öffentlich sichtbare Weihnachtsdekorationen. "Wir haben uns im Laufe der Zeit daran gewöhnt", sagt der Kardinal in spe diplomatisch.

So recht weiß Sim noch nicht, wie er mit der Kardinalswürde, der damit verbundenen Verantwortung und internationalen Prominenz umgehen soll. Auf die Frage, ob er sich zu allerlei Themen so offen und direkt zu Wort melden wird wie der Erzbischof von Rangun und Vorsitzende der Föderation asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), Kardinal Charles Bo, oder der emeritierte Hongkonger Kardinal Joseph Zen, antwortet Sim aber mit einem klaren Nein.

"Ich gehöre hier einer Minderheitenkirche an. Zudem ist es mir angenehmer, mit den Menschen zusammen zu sein, mit ihnen zu kommunizieren und von ihnen zu lernen."

Herzensthemen Bildung und Jugend

Seine Herzensthemen Bildung und Jugend werde er als Kardinal jedoch noch stärker in die FABC und die Bischofskonferenz von Singapur, Malaysia und Brunei einbringen.

In den größeren kirchlichen Zusammenhang wird Sim aber auch seine Erfahrung als Hirte in einem islamischen Umfeld einbringen können, das er als tolerant, friedlich und freundlich beschreibt. Anders als in den Nachbarländern Indonesien und Malaysia gebe es dank der Führung des Sultans keine Konflikte zwischen den Religionen.

Keine Reise nach Rom wegen Corona

Immer wieder betont Sim zudem die Unterschiede zwischen den eher konfrontativen westlichen und den freundlichen asiatischen Umgangsformen. "Im Westen muss alles effektiv, direkt und schnell gehen. Wir hier setzen uns hin, trinken Tee, essen Kuchen - auch wenn er nicht schmeckt - und kommen dann erst langsam zu dem Punkt, um den es geht."

Um sein Kardinalsbirett zu erhalten, wird der Geistliche nicht nach Rom reisen. "Nur für zwei Tage Feierlichkeiten im Vatikan muss man nicht tagelange Corona-Quarantäne in Italien und dann nochmals nach der Rückkehr in Brunei auf sich nehmen." Zudem sei ihm eine kleine Feier zusammen mit den Gläubigen in Brunei an der "Peripherie" lieber.


Papst Franziskus während der wöchentlichen Videobotschaft aus dem Vatikan am 11. November 2020 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus während der wöchentlichen Videobotschaft aus dem Vatikan am 11. November 2020 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA