Geburtsvorbereitungskurse können nicht mehr stattfinden

"Wir sind da und laufen nicht weg"

In der Schwangerschaft sind Frauen besonders sensibel und sie sind gerade durch die Corona-Krise verunsichert. Hebamme Sonja Ligett-Igelmund berichtet über die Lage und versichert, dass werdende Mütter sich keine Sorgen machen müssen.

Hebamme hält ein Baby auf dem Arm / © Air Images (shutterstock)
Hebamme hält ein Baby auf dem Arm / © Air Images ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Geburtsvorbereitungskurs können nicht stattfinden. Gibt es dazu digitale Alternativen? 

Sonja Ligett-Igelmund (Hebamme): Meine Kolleginnen arbeiten daran. Es kam natürlich plötzlich, dass man keine Geburtsvorbereitungskurse mehr veranstalten kann und alle Elternschulen tatsächlich geschlossen sind. Die Hebammen müssen eine Alternative finden, weil auch sie Miete zahlen müssen.

Ich habe aktuell noch kein konkretes digitales Angebot gefunden, aber ich weiß, dass alle daran arbeiten und versuchen, es möglich zu machen. Das Problem ist, wie die Krankenkasse das bezahlt.

DOMRADIO.DE: Warum ist es wichtig, dass die Frauen bei diesem Lebensereignis gut betreut werden, auch jetzt in dieser Situation?

Ligett-Igelmund: Natürlich machen sich Schwangere immer Gedanken über die Schwangerschaft, über die Geburt. Das ist ein ganz neuer Lebensabschnitt. Und darauf möchte man vorbereitet sein. Bei einer persönlichen Vorbereitung mit einer Hebamme kann man natürlich viel lernen. Das Wichtigste ist, mit welchen Gedanken und Vorsätzen man in die Geburt geht.

Man möchte betreut werden und Zuspruch haben. Deswegen ist es für Frauen so wichtig. Sie möchten sich sicher fühlen. Um diese Sicherheit machen sich gerade alle Gedanken, obwohl Schwangere und Neugeborene nicht zur Risikogruppe gehören. 

DOMRADIO.DE: Die Betreuung durch eine Hebamme ist sehr nah und die Hebammen haben Kontakt zu vielen verschiedenen Frauen. Sind die Hebammen dazu bereit? Sie setzen sich ja auch einem besonderen Risiko aus.

Ligett-Igelmund: Ja, ich würde sagen, die Hebamme kämpft auch an der Front. Allerdings habe ich in den Medien noch nicht oft gehört, dass wir als systemrelevant erwähnt werden. Das ist insofern ein Problem, als dass manchmal komische Sachen passieren. So wie in einer Apotheke in Köln. Die Hebamme hat von der Apotheke kein Hände-Desinfektionsmittel bekommen, weil sie ja nicht so wichtig sei. Bei Hausbesuchen ist das aber doch der Fall und man möchte auch nicht zum Verteiler des Virus werden. Da müsste man noch ein bisschen nachjustieren. Auch Herr Spahn darf gerne sagen, dass die Hebammen systemrelevant sind, denn wir arbeiten natürlich alle weiter.

Wir können keine Geburtsvorbereitungskurse oder Rückbildungskurse machen. Das ist ein Problem. Wir können Hausbesuche machen, allerdings haben wir da bestimmte Auflagen. Wir müssen Abstand halten und wenn wir nah herangehen, müssen wir Mundschutz und Handschuhe tragen. Wir brauchen also das Material. Wenn wir aber auf diesen systemrelevanten Listen nicht auftauchen, ist es mitunter schwierig, an Material heranzukommen.

Man hat uns leider Steine in den Weg gelegt bei Skype-Hausbesuchen. Es gibt sicherlich Hausbesuche, die man auch über Skype machen kann, aber dafür gibt es kein Geld. Das ist verrückt, wenn man da als Krankenkasse Steine in den Weg legt. Warum soll ich denn nicht in dieser Zeit für einen Hausbesuch über Skype das gleiche Geld bekommen, wie wenn ich hinfahre? Ich schütze die Familie. Im Kreißsaal kann ich auch keine Plexiglasscheibe an das Kreißbett machen. Natürlich bin ich nah dran, habe aber Schutzkleidung an. Wir haben auch mit verängstigten Frauen zu tun. In der letzten Woche war allerdings die größte Angst, dass der Partner nicht dabei sein kann. Das hat für viel Unruhe gesorgt.

DOMRADIO.DE: Das ist auch im Gespräch. Die Bundesländer handhaben das noch unterschiedlich. Was bedeutet das für die Frau, wenn der Mann nicht dabei ist? Früher war das so üblich, aber heute ist es so üblich, dass die Männer dabei sind. 

Ligett-Igelmund: Als ich geboren wurde, war es nicht üblich. Zum Glück rudert man zurück. Es gibt auch Empfehlungen, dass die Väter auf jeden Fall dabei sein sollen. In Köln ist es überall wieder erlaubt. In anderen Städten habe ich auch gehört, dass es wieder erlaubt ist. Wenn einer Corona hat, dann haben es sowieso beide. Der Mann kann auch einen Mundschutz tragen und Handschuhe. Ich glaube die Frauen wissen, dass wir in Deutschland einen Mangel an Hebammen haben und die Kreißsäle überlaufen sind. Sie sind viel alleine während der Geburt. Wenn sie dann allerdings ganz alleine sind, weil der Mann nicht dabei sein darf, dann ist das noch schlimmer. Sie wollen ihre Partner dabei haben. Sie überdenken dann natürlich die Frage, ob sie in die Klinik gehen. 

DOMRADIO.DE: Ist denn im Fall eines Kaiserschnitts Platz im OP? Das könnte auch noch auf uns zukommen.

Ligett-Igelmund: Ehrlicherweise mache ich mir da keine Sorgen. 

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass die deutschen Kliniken gut ausgerüstet sind? 

Ligett-Igelmund: Ich weiß, dass die Krankenhäuser sich umsortieren. Aber der Kreißsaal ist insofern auch eine Notversorgungseinheit und die Anästhesisten machen Doppelschichten. Die Gynäkologen arbeiten im Kreißsaal. Bei einem Kaiserschnitt brauche ich einfach einen Anästhesisten. Weil die in Doppelschichten arbeiten, ist dafür gesorgt. Da würde ich mir keine Sorgen machen. Ein Kaiserschnitt ist aber keine Lösung, wenn man sich Sorgen wegen der Geburt macht. Bei einem Kaiserschnitt verbraucht man als Krankenhaus auch viel mehr Material und man ist danach länger im Krankenhaus.

Ich merke bei den Frauen die Tendenz, Sicherheit bei der Geburt jetzt ganz anders zu bewerten. In der deutschen Gesellschaft ist es leider total verpönt, eine Hausgeburt zu machen. Das darf man aber nicht verwechseln mit einer Alleingeburt. Bei einer Hausgeburt sind zwei Hebammen dabei, die genau aufpassen, ob die Frau und das Kind gesund sind. Wenn irgendwas nicht in Ordnung ist, fällt das den Hebammen auf und sie verlegen die Frau in ein Krankenhaus. Es gibt einfach so viele Geburten, die zu Hause stattfinden können. Die Frauen bewerten das im Moment anders und erkennen, dass die größere Sicherheit bei der Hausgeburt liegt, weil sie eben nicht in die Klinik müssen.

Natürlich haben wir in Deutschland nicht genügend Hausgeburtshebammen, aber die, die Hausgeburten anbieten, sind gerade sehr gefragt. Eigentlich ist das eine gute Entwicklung. Wir haben immer noch unseren Nachbarn Holland, wo viel mehr Kinder zu Hause geboren werden, weil es nämlich für die Intimsphäre, für die Geborgenheit und für das Bonding gut ist. Ich würde mich freuen, wenn das nach der Krise bleibt, dass man auch Hausgeburten als guten Geburtsort anerkennt. Die Geburtshäuser in Deutschland sind sowieso total überrannt, die haben Wartelisten. Alle Frauen, die im Geburtshaus ihr Baby bekommen wollen, schaffen es gar nicht, einen Platz zu bekommen. Wir brauchen auch in Zukunft mehr Geburtshäuser. Das wäre natürlich etwas Schönes, das bleiben könnte. 

DOMRADIO.DE: Ein kurzer Blick noch auf die Wöchnerinnen-Station. Müssen die Frauen Angst davor haben, dass das Baby sich ansteckt, oder würden sie dann eher eine ambulante Geburt empfehlen? 

Ligett-Igelmund: Die Frauen kommen im Moment ins Krankenhaus und haben den inneren Vorsatz: "Ich bekomme mein Baby, ich bin gesund und danach gehe ich schnell wieder nach Hause." Das ist ein absolut guter Vorsatz, auch den kann man über die Krise hinaus retten. Viele gehen nach Hause, wenn sie eine Nachsorge-Hebamme haben. Das ist ja leider in den letzten Jahren schwierig und hat nichts mit Corona zu tun. Auf der Wochen-Station haben sich jetzt ganz neue Dimensionen eröffnet, die gut sind. Da sind Aspekte, die wirklich wundervoll sind. Wir Hebammen wissen seit Jahrzehnten, dass Besuch nach der Geburt stressig ist.

DOMRADIO.DE: Also kommen die ganzen Besucher jetzt nicht? 

Ligett-Igelmund: Im Moment sind die Besucher nicht erlaubt, außer der Vater. Das heißt, auf der Wochen-Station ist Ruhe. Die Frauen können tagsüber ein Nickerchen machen, sie können stillen, wann sie wollen und das Baby einfach den ganzen Tag nackt auf der Brust liegen haben. Die Kinder können dann trinken, wann sie möchten, weil sie nicht auf irgendeinem anderen Arm sind. Die Eltern haben Zeit, ihr Kind kennenzulernen und umgekehrt. Es gibt keine Störfaktoren, das ist super. Die Eltern begrüßen das total. Sonst ertragen die Eltern einfach den Besuch, denn das ist ja gut gemeint, und man möchte auch das Baby zeigen. Aber gerade die ersten drei bis fünf Tage nach der Geburt sind so wichtig für das Paar mit dem Baby. Ruhe haben die Eltern jetzt, ob sie ambulant nach Hause gehen oder auf der Wochen-Station bleiben.

Da muss man sich keine Sorgen machen über die Zeit danach. Wie gesagt, Mütter und Kinder gehören nicht zur Risikogruppe. Der Besuch ist schon eher ein Risiko. Die Sorge der Schwangeren, dass im Kreißsaal keine Hebamme da ist, kann ich verstehen. Die Hebammen versuchen, gesund zu bleiben und wirklich gut zu arbeiten. Ich empfinde auch einen guten Zusammenhalt in der Hebammenschaft. Wir sind da und laufen nicht weg. Wir tragen Mundschutz und wir betreuen die Frauen. Danach haben die Frauen Ruhe und können sich auf ihr Baby konzentrieren und ihr Baby genießen. Die Chance, dass das Stillen klappt, ist durch diese Umstände viel größer. Stillen ist auch gewünscht und das Gesündeste, was wir im Moment den Babys an Milch geben können. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Eine Hebamme untersucht eine schwangere Frau (dpa)
Eine Hebamme untersucht eine schwangere Frau / ( dpa )
Quelle:
DR