Weihbischof Ansgar Puff zu Unstimmigkeiten im Erzbistum

"Wir müssen uns da ehrlich machen"

Es rumort im Erzbistum Köln: Das gesteht auch der Kölner Weihbischof Ansgar Puff ein und hat Verständnis für viele Einwände. Er bittet die Gläubigen um Geduld. 

Weihbischof Ansgar Puff / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Weihbischof Ansgar Puff / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

DOMRADIO.DE: In den Medien ist von einem schier unüberbrückbaren Konflikt zwischen Laien und Bistumsspitze die Rede. Wie haben Sie denn die Vollversammlung des Katholikenrates erlebt?

Weihbischof Ansgar Puff: Gestern nach der Vollversammlung war ich sehr nachdenklich, auch sehr betroffen. Aber auf der anderen Seite auch dankbar, weil ich den Eindruck hatte, dass da wirklich die Sachen auf den Tisch gekommen sind, dass wir wirklich ehrlich miteinander gesprochen haben. Und es gab auch einige, die von einer neuen Qualität der Sitzung gesprochen haben. Vielleicht muss ich noch vorausschicken: Ich gehöre ja auch zum Vorstand. Und wir hatten am Montag diese Sitzung vorbereitet. Schon im Vorstand hatte ich den Eindruck, da gibt's eine ganz andere, neue, gute Qualität. Wir machen uns wirklich ehrlich untereinander und wir reden über die Dinge, die richtig schwer sind. Und das tut manchmal richtig weh. Und daher ist es auch eine Krise. Das kann man gar nicht wegreden. Aber wir fangen an, ehrlich miteinander zu kämpfen und zu reden. Und ich finde das gut.

DOMRADIO.DE: Nicht wegzureden ist natürlich auch, dass es sehr heftig im Erzbistum rumort. Tim Kurzbach sprach im DOMRADIO.DE-Interview von einer tiefen Vertrauenskrise. Das heißt, der Laienvertretung fehlt das Vertrauen darin, dass die Bistumsspitze in der Lage ist, den Skandal um den sexuellen Missbrauch noch aufzuklären. Kann man das nach all dem, was passiert ist, nicht auch verstehen?

Weihbischof Ansgar Puff: Ich kann das sehr gut verstehen. Aber ich glaube wirklich, dass der Kardinal aufklären will und aufklären wird. Dass es da Kommunikationsfehler gab, dass es da Fehler gab viellleicht auch bei der Vergabe des Gutachtenauftrages, das gebe ich alles zu. Aber ich bin sicher und überzeugt, dass der Kardinal aufklären will und möchte. Und ich denke, dass viele im Diözesanrat auch so denken. Ich muss wirklich sagen, dieser Diözesanrat, das sind aufrechte Christen, das sind engagierte Katholiken, die sich in ihren Gemeinden und Verbänden für die Kirche einsetzen. Und die leiden an der Kirche, natürlich, klar. Aber das sind keine Gegner.

DOMRADIO.DE: Viele sagen, das Münchener Gutachten müsse schleunigst auf den Tisch. Solange jetzt noch die Tatsachen nicht auf den Tisch kommen, solange könne man gar nicht gemeinsam weiterarbeiten. Das sagt zum Beispiel auch der Vorsitzende des Diözesanrats. Seit über zehn Jahren läuft ja nun schon der Aufklärungsprozess in der Kirche. Kann man da nicht auch diese Ungeduld verstehen, dass da immer noch um Gutachten juristisch gestritten wird und man immer noch nicht zum Kern der Vertuschungspraxis vorgedrungen ist?

Weihbischof Ansgar Puff: Ich glaube wir sind wirklich jetzt in einer Phase, wo es nicht mehr um juristische Fragen und Feinheiten geht. Es geht jetzt wirklich darum zu sagen: Wir haben in der Vergangenheit mit diesem Thema Fehler gemacht. Wir haben sicherlich auch bei der Aufarbeitung Fehler gemacht. Wir haben bei der Kommunikation Fehler gemacht. Wir müssen uns da ehrlich machen und das ist so. Trotzdem glaube ich, müssen wir jetzt dieses Gercke-Gutachten, was am 18. März kommt, abwarten. Zu meiner Person: Ich war von Mai 2012 bis August 2013 Personalverantwortlicher. Ich habe in dieser Zeit einige Fälle von sexuellem Missbrauch bearbeiten müssen. Fälle, die 20, 30, 35 Jahre zurücklagen, wo endlich die Betroffenen die Fähigkeit und den Mut hatten, darüber zu sprechen. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass diese Dinge aufgearbeitet werden. Ich bin von beiden Kanzleien befragt wurden zu diesen Themen für dieses Jahr, in dem ich Verantwortung getragen habe. Und ich muss sagen, dass ich viel mehr Vertrauen habe in das, was Rechtsanwalt Gercke macht. Die Befragung war deutlich präziser, was meine Person angeht. Und deswegen warte ich jetzt mit Zuversicht darauf, dass das Gercke-Gutachten veröffentlicht wird. Und dann wird ja auch das Münchner Gutachten zugänglich gemacht.

DOMRADIO.DE: Also bleibt von ihrer Seite bleibt nichts anderes, als um Geduld zu bitten. Aber ist die Geduld noch da? Im Erzbistum Köln hat das ja jetzt schon Folgen. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus.

Weihbischof Ansgar Puff: Es hat keinen Sinn, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis endlich der 18. März kommt. Wir müssen jetzt viel stärker miteinander reden, ehrlich miteinander reden. Wir müssen uns gegenseitig erzählen, was wir erlebt haben, wie es uns geht. Wir müssen reden, reden, reden. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir müssen face to face in Kontakt kommen. Wir können nicht einfach abtauchen und auf den 18. März warten.

DOMRADIO.DE: Wie sehr schmerzt Sie denn das, wenn Menschen aus der Kirche austreten?

Weihbischof Ansgar Puff: Mich schmerzt das vor allem dann, wenn jemand aus der Kirche austritt, weil ich einen Fehler gemacht habe.

DOMRADIO.DE: Im Kölner Stadtanzeiger heißt es heute, der Diözesanrat habe nun der Bistumsspitze einen Beichtspiegel vorgelegt. Aber der Ausdruck Beichtspiegel ist in der Sitzung ja gar nicht gefallen. Was kann der Stadtanzeiger damit meinen?

Weihbischof Ansgar Puff: Ich fand das ehrlich gesagt gar nicht so dumm, was da stand, weil es das Schreiben des Diözesanrates zu diesem Thema zitiert. Man muss ja wissen, dass es zwei Abstimmungen gab am Donnerstagabend. Das eine war ein Antrag vom Kreiskatholikenrat Rhein-Sieg-Kreis. Da ging es um die Frage: Sollen wir am Pastoralen Zukunftsweg weiterarbeiten, solange es diese Krise mit dem Aufarbeiten des sexuellen Missbrauchs gibt? Und die hatten gesagt: Nein, wir stoppen das. Dem hat sich der Diözesanrat angeschlossen. Ich persönlich finde das sogar richtig. Wir müssen das entzerren. Wir dürfen beide Themen auf gar keinen Fall zeitlich so nah aneinanderbringen. Deswegen ist das klug, jetzt zu sagen: Wir stoppen mit der Arbeit am Pastoralen Zukunftsweg. Natürlich wird hinter den Kulissen in den Arbeitsgruppen weitergearbeitet, aber die Beratungen sind jetzt erst mal bis Juni geschoben. Und insofern kommt das, was der Kardinal in diese Richtung entschieden hat, dem, was der Kreiskatholikenrat fordert, ja sehr entgegen. Das geht ja in dieselbe Richtung.

Die zweite ging auf einen Vorschlag des Vorstands des Diözesanenrates zurück. Da ging es um diese Aufarbeitung. Und da wurde unter anderem gesagt: Liebe Bistumsleitung, Kardinal, Weihischöfe, Generalvikar, Offiziale. Macht bitte mal eure Gewissenserforschung. Und da wurden verschiedene Punkte genannt und die finde ich auch richtig und klug. Erstens: Habt ihr mit Betroffenen gesprochen? Habt ihr denen zugehört? Habt ihr das Leid von denen verstanden? Zweiter Punkt: Habt ihr nach den Regeln gearbeitet? Habt ihr nicht irgendwelche Akten verschwinden lassen? Habt ihr die Wege eingehalten? Sind die Sachen weitergemeldet worden? Habt ihr euch irgendwie geduckt oder gebeugt, weil man irgendwen schonen wollte? Diese Punkte sind wichtig. Ich habe anhand dieser Liste auch nochmal mein Gewissen erforscht.

DOMRADIO.DE: Viele Mitarbeiter des Erzbistums Köln sind ja auch in einem enormen Loyalitätskonflikt. Die Pfarrer erleben die Frustration an der Kirchenbasis. Und sie erleben natürlich auch die Pannen in der Krisenkommunikation des Erzbistums, die es ja gegeben hat. Können Sie diesen Loyalitätskonflikt verstehen?

Weihbischof Ansgar Puff: Der Konflikt ist da. Die Pfarrer sind in einer Rolle einer Art Scharnier. Auf der einen Seite sehen sie, was die Leute an der Basis erleben. Und dann sehen sie, was in der Kirchenleitung passiert. Aber ich bin ganz sicher, dass die Pfarrer eine ganz, ganz wichtige Funktion haben, Die Gläubigen sehen auf ihren Seelsorger vor Ort, die sehen auf die Pastoralreferentin vor Ort. Die sehen auf die Menschen, mit denen sie da arbeiten. Und sie sagen: Solange es dich gibt mit deinem Glauben, mit deinem Engagement, können wir da noch hinterstehen. Die haben eine ganz, ganz wichtige Funktion. Und darum ist es wichtig, gerade mit denen ins Gespräch zu kommen. Interessant ist ja auch, dass der Kardinal im Moment gerade mit vielen Leuten das Gespräch sucht. Er hat ja, als der Diözesanpastoralrat abgesagt wurde, angeboten, dass er kleinere Gruppen im erzbischöflichen Haus empfängt. Und diese Besuche laufen schon. Ich habe mit jemandem gesprochen, der das gemacht hat. Er meinte, es sei ein zwei Stunden langes und richtig gutes persönliches Gespräch gewesen. Ich weiß auch, dass der Kardinal gerade rausfährt und Pfarrer besucht. Also da ist der Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen.

DOMRADIO.DE: Sie haben eben schon über Ihre eigene Rolle gesprochen. Sind Sie da mit sich im Reinen?

Weihbischof Ansgar Puff: Ich hoffe, ich habe mich richtig verhalten. Ich habe den Betroffenen zugehört, ich hatte die Betroffene da sitzen. Ich habe mich im Namen der Kirche entschuldigt für das, was Kirche gemacht hat. Viele waren auch wirklich dankbar für diese Gespräche. Ich bin den Sachen nachgegangen. Aber ich kann nicht ausschließen, dass ich trotzdem Fehler gemacht habe. Und darum muss es eine Betrachtung von außen geben. Und darum bin ich so dankbar dafür, dass es dieses Gutachten gibt, dass von außen geguckt wird. Es ist ja ein Unterschied, ob ich subjektiv denke, alles richtig gemacht zu haben, oder ob jemand von außen doch Fehler findet. Und dem müssen wir uns dann stellen. Und darum finde ich es richtig wichtig, dass es dieses externe Gutachten gibt.

DOMRADIO.DE: Wie können Laien und Klerus denn jetzt miteinander umgehen, ohne dass es eine sich weiter manifestierende Frontenbildung gibt?

Weihbischof Ansgar Puff: Wir müssen oft miteinander sprechen, ohne den Wunsch, den anderen irgendwie niederzumachen. Wir müssen einander zuhören. Die Aufgabe von mir und von der Bistumsleitung ist jetzt, viel zuzuhören, wertzuschätzen, was der andere denkt. Zu sprechen, ehrlich zu sein, von sich selber zu erzählen, aus der Deckung raus zu gehen, die Beziehung zu suchen, auch wenn das schwer ist und wenn das manchmal unangenehme Gespräche sind. Aber ich glaube, anders geht das nicht.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema