Kölner Diözesanpastoralrat im Austausch mit Bistumsspitze

"Wir haben auch Anteil am Reich Gottes"

Gibt es Unmut zwischen Laien und Geweihten im Erzbistum Köln? Fest steht, das Gutachten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, der Synodale Weg und das Nein des Vatikan zur Segnung homosexueller Paare sorgen für Diskussionen.

Laien im Erzbistum Köln im Dialog (Archiv) (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Am Wochenende hat sich der Diözesanpastoralrat mit Kardinal Woelki getroffen. Welche Themen sind dort auf den Tisch gekommen?

Tim Kurzbach (Vorsitzender des Diözesanrats im Erzbistum Köln): Naja, wenig überraschend war es natürlich das Thema der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, wo Professor Gercke auch noch einmal vorgetragen hat und danach viele, viele Fragen zur Aufarbeitung selber intensiv diskutiert worden sind, aber eben auch zu den drängenden Themen im Erzbistum Köln.

DOMRADIO.DE: Was für Fragen sind da besprochen worden?

Kurzbach: Klar ist, dass es neben dem wichtigen und prioritären Thema des sexuellen Missbrauchs auch darum geht, was die systemischen Ursachen für sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendliche sind. So ist es ja auch im Gutachten von Professor Gercke erwähnt worden. Wie gehen wir mit Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche um? In einer Kirche, die immer absolut alles auf ein Amt schiebt, zum Beispiel das Bischofsamt, wo es keine Gewaltenteilung gibt.

Was ist mit der Rolle der Frau? Wie stellen wir uns die Zukunft der Gemeinden vor? Das hängt schon alles miteinander zusammen und ist da zumindest als Frage auf den Tisch gekommen.

DOMRADIO.DE: In der Pressemitteilung des Erzbistums Köln heißt es, ich zitiere: "In der Aussprache wurden auch teils sehr unterschiedliche Einschätzungen über den Reformbedarf in der Kirche und im Erzbistum Köln zum Ausdruck gebracht, zu denen dringend weiterer Gesprächsbedarf bestehe." Wie kontrovers war denn diese Aussprache, die Sie auch schon geschildert haben?

Kurzbach: Naja, wenn die Pressestelle des Erzbistums sowas schon schreibt, dann können Sie sich vielleicht vorstellen, dass das eben durchaus divers war, was da diskutiert worden ist. Die Statements gingen von "Die Kirche ist eine sakramentale Hierarchie und das ist nun mal so" bis hin zu "Wenn wir jetzt nicht die Sorgen und Nöte, die Ängste und Frustrationen der Vielen in den Gemeinden ernst nehmen, dann fahren wir den Laden wirklich vor die Wand."

Man muss ja auch sehen, was bei uns immer noch eingeht. Ich hatte gestern Abend erst noch eine lange Zoom-Konferenz in der Thomas-Morus-Akademie. Die Erschütterung geht bis in jeden Pfarrgemeinderat, in jede Gemeinde rein. Überall merken wir, dass eine große Verunsicherung und ein immenser Vertrauensverlust vorhanden ist und dass die Menschen, die sich zu dieser Kirche bekennen, auf Reformen drängen und Veränderungen dringend haben wollen.

DOMRADIO.DE: Wie sehr stehen Sie da zwischen den Stühlen als oberster Vertreter der Laien im Erzbistum? Es gibt ja durchaus auch unterschiedliche Stimmen.

Kurzbach: Absolut, die gibt es und das ist ja auch wichtig, dass die miteinander in das Gespräch kommen. Was ich gerade in der Tat extrem schade finde, ist, dass wir nicht einen wirklichen Dialog miteinander führen über das, was veränderbar ist. Es gibt Gremien, da wird das ausgesprochen. Wir sind ja nicht erst seit wenigen Wochen oder Monaten dran. Im Grunde genommen, was das Thema sexueller Missbrauch angeht, sind es zehn Jahre. Seit drei Jahren fordern wir intensiv noch mal auch im Erzbistum Köln diese Debatte anzustoßen.

Wir sind jetzt seit Jahren im Synodalen Weg unterwegs und es tut sich erkennbar viel zu wenig. Und das führt halt zu diesem großen Frust.

DOMRADIO.DE: Das klingt jetzt so, als würde mehr gestritten als tatsächlich konstruktiv gearbeitet.

Kurzbach: Streiten ist vielleicht gar nicht so der richtige Ausdruck, sondern es ist eher so, dass Positionen nebeneinander gelegt werden und wir haben noch keinen Modus Vivendi gefunden, wie wir jetzt wirklich operativ daran arbeiten. Was verändern wir? Wo packen wir es an? Wo kommt die Veränderung, wenn wir über Gemeinden der Zukunft reden, über die Rolle der Frau, über Machtverteilung in der Kirche?

Da muss es doch mal ein Gesprächsangebot geben, wo man wirklich reden kann. Oder man nutzt auch mal effektiv so etwas wie den Synodalen Weg. Denn da wird vieles Gutes diskutiert, die sind an all den Themen genau dran. Dann müsste man aber auch bejahend auf diesen Prozess zugehen und sich positiv dazu stellen.

DOMRADIO.DE: Die Kluft zwischen der Amtskirche, wie man sie auch nennen kann, und den Laien an der Basis, wird gefühlt aber auch dadurch größer, dass zum Beispiel Themen wie die Segnung homosexueller Paare ganz anders gesehen werden. Kann diese Kluft Ihrer Meinung nach überwunden werden?

Kurzbach: Ja, wobei das ja keine Kluft zwischen Laien und Geweihten ist. Wenn ich sehe, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die vatikanische Ansage kritisiert, dass Bischöfe allenthalben sagen, wenn ihre Priester Menschen segnen, dann werden wir das nicht sanktionieren.

Und ehrlich gesagt, wenn sie ein Gefühl dafür entwickeln wollen, wie sehr das mit der Wirklichkeit der Menschen nicht übereinstimmt, schauen Sie mal vor Hunderte von Kirchen im Erzbistum Köln. Ich persönlich habe noch nie so viele Regenbogenfahnen vor Kirchen wehen sehen wie in diesen Tagen. Ich habe es ja vor dem Kölner Dom auch gemacht. Wir segnen einen Zaun, aber die Liebe von Menschen können wir nicht segnen. Das hat für mich mit der Botschaft der Liebe, des Primates der Liebe von Jesus Christus überhaupt gar nichts zu tun.

DOMRADIO.DE: Aber die Regenbogenflagge am Kölner Dom fehlt.

Kurzbach: Wir haben sie am vergangenen Samstag am Zaun aufgehangen. Gut, das war jetzt nicht offiziell das Domkapitel, das das gemacht hat, sondern wir mit einigen Laien.

Ich kann mir vorstellen, dass die Domschweizer die wieder weggeräumt haben. Ich habe aber auch gesehen, dass Verantwortliche aus dem Stadtdekanat auch klar erkennbar gemacht haben, die Liebe von Menschen ist immer der Fokus unserer Arbeit und ist immer Kern der Botschaft des Evangeliums.

DOMRADIO.DE: Schauen wir nochmal zurück auf das Gutachten, was da jetzt rausgekommen ist. Auf den 18. März, auf den ja wirklich auch viele, viele Menschen nicht nur hier im Erzbistum hin gefiebert haben. Wird mit diesem Gutachten, mit dem, was da drin steht, jetzt alles besser?

Kurzbach: Naja, der Gutachter Professor Gercke selber sagt ja, es ist ein sehr streng strafrechtliches Gutachten. Und wenn man sich das durchliest, und noch nicht mal alle 900 Seiten, dann sieht man ja auch, dass er immer wieder einfügt, wenn Dinge nicht klar bewiesen oder dokumentiert worden sind. Und er fügt ja auch immer wieder an, es ist geschehen oder es ist untersucht worden auf Grundlage einer ziemlich desaströsen, er sagt selber chaotischen Aktenlage. Das ist aber das, was hauptsächlich vorlag. Von daher: Ja, es ist ein erster Schritt, es ist eine gute Grundlage, auf der man strafrechtlich aufbauen kann.

Aber er sagt ja selber auch, alleine für die historische Aufarbeitung braucht es noch weitere interdisziplinäre Zugangsarten soziologischer, historischer Art. Und dann die spannende Frage, die uns natürlich auch sehr bewegt, die Frage, welche Konsequenzen für die Zukunft der Kirche, um ihren Titel aufzunehmen, ergreifen wir denn daraus. Denn es ist auch ganz klar, es gibt auch systemische Ursachen: Männerbünde, keine Gewalt-, keine Machtverteilung, die auch dazu geführt haben.

DOMRADIO.DE: Neben diesem bundesweiten Reformprozess Synodaler Weg gibt es ja auch noch den hier im Erzbistum. Was bedeutet das jetzt für den Pastoralen Zukunftsweg hier im Erzbistum Köln? Da liegt die Zusammenarbeit mit der Bistumsspitze offiziell zumindest auf Eis. Wie geht es denn da jetzt weiter?

Kurzbach: Wir haben erklärt, so lange das Thema mit dem sexuellen Missbrauch nicht aufgeklärt ist, so lange setzen wir unsere Mitarbeit aus. Das Bistum selber hat auch erklärt, es hat diese Arbeit am Pastoralen Zukunftsweg jetzt gestoppt. Ja, ich glaube, die Erschütterung ist auch so tief, was dieses Thema angeht, dass wir nicht einfach so weitermachen können. Und nochmal: Vor allen Dingen müssen wir die systemischen Schlüsse daraus ziehen.

Wir können nicht einfach nur sagen: Lass uns Kirche mal nach dem Geld planen, was wir in zehn Jahren haben, nach den hauptamtlichen Stellen, die wir haben und dementsprechend haben wir dann Gemeinden, die 30.000, 40.000 Seelen haben oder die aus 20, 30 ehemaligen Gemeinden bestehen. Das wird Priestern und Seelsorgerinnen und Seelsorgern nicht gerecht. Deswegen haben die sich, glaube ich, auch schon zusammengetan und haben gesagt: So wollen wir eigentlich nicht arbeiten. Das wird aber auch der Sendung von Getauften und Gefirmten nicht gerecht, denn wir haben auch Anteil am Reich Gottes und deswegen sind wir auch bereit, Aufgaben zu übernehmen, wenn man uns denn lässt.

DOMRADIO.DE: Das Bistum Osnabrück plant jetzt für Mitte September eine Aktionswoche mit Laienpredigten mit dem Ziel, dass dann die Predigt im Gottesdienst auch von einem nicht geweihten Gläubigen kommen kann oder einer nicht geweihten Gläubigen. Wäre das nicht fürs Erzbistum Köln auch was?

Kurzbach: Ehrlicherweise müsste man sich ja in einigen Bistümern umgucken und sehen, was da schon alles auf dem Weg ist. Trier hat eine Diözesansynode gemacht. Sie hatten gerade Osnabrück angesprochen. Aber wenn man ehrlich in die Gemeinden des Erzbistums Köln jetzt reinschaut und sich dann auch mal ehrlich eingesteht, wo überall auch Laien schon Gottesdienste leiten, ohne die könnte die Kirche sprichwörtlich ja gar nicht mehr im Dorf präsent sein, da wo viele Formen aufgebrochen sind.

Wir führen auf Bistumsebene immer ein sehr stark priesterzentriertes Bild. Das kann und wird nicht die Zukunft sein. Ich habe Respekt vor dem Weiheamt und dem Priesteramt, aber sich da alleine drauf zu fokussieren, wird die Kirche künftig selber nur kleinmachen bis zu einem kleinen heiligen Rest.


Tim Kurzbach / © N.N. (dpa)
Tim Kurzbach / © N.N. ( dpa )
Quelle:
DR