Malteser unterstützen Wiederaufbau nach der Flut

"Wir erleben Optimismus"

Wie geht es den Menschen in den Flutgebieten? Wie arbeiten die Hilfskräfte fast sieben Wochen nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe vor Ort? Ingo Radtke vom Malteser Hilfsdienst war dort am Wochenende unterwegs.

Malteser im Flutgebiet / © Harald Oppitz (KNA)
Malteser im Flutgebiet / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie waren am Wochenende in Ahrweiler, fast sieben Wochen ist die verheerende Flut nun her. Wie sieht es in der Stadt jetzt aus?

Ingo Radtke (Beauftragter der Malteser Fluthilfe): Es ist nach wie vor eine Lage, wie ich sie eigentlich nur aus Gebieten kenne, die etwa vom Tsunami 2004 getroffen worden sind. Ich bin in die obere Ahr abgefahren bis nach Altenahr. Wir waren zwei Tag vorher in Neuenahr-Ahrweiler. Die Ahr ist großflächig zerstört, da wo das Wasser hingekommen ist, so möchte ich es mal bezeichnen.

Es ist eben nicht nur Hochwasser gewesen, sondern es war eine wirkliche Flut. Das heißt, das Wasser hat mit einer Wahnsinnskraft die Häuser und die Infrastruktur zerstört, Pflastersteine herausgerissen; wir haben Straßen, die aussehen wie nach einem Bombenangriff. Also, es ist schon ausgesprochen heftig.

DOMRADIO.DE: Den Schrecken und den materiellen Verlust zu lindern, haben Sie sich auf die Fahnen geschrieben. Haben die Menschen inzwischen eigentlich realisiert, was ihnen da Mitte Juli widerfahren ist?

Radtke: Ich denke schon. Die meisten Menschen, mit denen wir gesprochen haben, wissen, was passiert ist, aber wir haben auch - und das ist gut so - sehr viel Optimismus erlebt. Es ist nicht immer nur überall Tristesse, sondern wir haben Optimismus erlebt.

Ein junges Ehepaar zum Beispiel hier in Erftstadt-Blessem, das ich am Samstag getroffen habe, sagte: "Ja, es ist richtig, wir stehen an der Abbruchkante." Und das Haus ist in der Tat an der Abbruchkante zu dem großen Loch, das sich da in Blessem aufgetan hat. "Wir werden schauen, was der Gutachter sagt und wenn es irgendwie geht, bauen wir das Haus wieder auf - das ist mein Elternhaus, ich will da weiter drin wohnen."

Ich denke, diese Haltung ist ganz große Klasse. Das muss auch unterstützt werden. Man muss den Menschen helfen; nicht nur materiell, sondern wir müssen ihnen auch beim Überwinden dieser Traumata helfen und ihren Mut unterstützen.

DOMRADIO.DE: Diesen Mut unterstützen Sie beim Wiederaufbau, der ja schon läuft. Dafür wird aber eben auch Geld benötigt. Der Malteser-Hilfsdienst hat das Hochwasser-Hilfsprogramm "Fluthilfe 21" ins Leben gerufen. Was heißt das konkret? Wie können Sie da jetzt den Menschen unter die Arme greifen?

Radtke: Wir können selbstverständlich nicht an allen Stellen im Moment den Menschen helfen. Aber wir sind Gott sei Dank ja auch nicht die einzige Organisation, die das macht. Da, wo wir das tun, arbeiten wir mit den örtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zusammen. Wir fragen, wo es am dringendsten notwendig ist, dass geholfen wird. Es gibt ja auch in den Gemeinden Bereiche, wo das Wasser nicht hingekommen ist. Da brauchen wir dann auch nicht helfen.

Und bei den betroffenen Haushalten in diesen Gemeinden, in denen wir arbeiten, haben wir uns entschieden, pro Haushalt 2500 Euro Soforthilfe auszuzahlen.

DOMRADIO.DE: Wo kommt dieses Geld jetzt konkret her?

Radtke: Da gibt es im Moment drei wesentliche Quellen. Eine ganz große Quelle ist sicherlich die Aktion "Deutschland hilft". Wir sind bei der Aktion "Deutschland hilft" Gründungsmitglied. Ich war ganz konkret selber einer von denen, die vor 20 Jahren das Ganze ins Leben gerufen haben. Da kommt der überwiegende Teil des Geldes her.

Wir haben eigene Spenden bei den Maltesern eingesammelt, die man uns anvertraut hat. Und wir haben Geld von "Nordrhein-Westfalen hilft", das wir ebenfalls entsprechend den Regeln dann auch mit ausschütten.

DOMRADIO.DE: Wie geht die Hilfe der Malteser in Zukunft weiter? Was können, was werden Sie noch tun in absehbarer Zeit?

Radtke: Die Soforthilfe ist nur der allererste Schritt, der dazu dient, jetzt die erste Not zu lindern und Geld zur Verfügung zu stellen für das, was man jetzt unmittelbar braucht, sei es Hausrat, sei es Bekleidung et cetera. Weiter geht es danach mit der sogenannten Einzelfall-Hilfe. Und die ist in der unterschiedlichsten Form zu sehen.

Der Staat wird den Flut-Betroffenen helfen. Das ist schon klar geäußert. Der Bundestag hat sich entschieden, der Bundesrat wird das noch tun. Und vorher werden die Versicherungsleistungen überprüft. Die Aussage dazu, soweit die Bundesregierung sie bisher gemacht hat, ist, dass sie nach den Versicherungsleistungen, bei den Menschen, die keine Elementar-Versicherung haben, bis auf 80 Prozent der Schäden übernimmt und bei denen, die eine Elementar-Versicherung haben, die also jahrelang Beiträge gezahlt haben, wohl bis zu 100 Prozent.

Wir haben da gesagt: Wir sind bereit, bei den Menschen, die es nicht schaffen werden, diese Lücke, die dann vielleicht noch entsteht, aus eigenen Mitteln zu bestreiten, dass wir da hingehen und sagen: Nach einer Prüfung der Bedürftigkeit sind wir bereit, diese Lücke zu schließen. Das wird aber im Einzelfall geprüft werden müssen und Bedürftigkeitsprüfung heißt, dass die betroffenen Menschen bereit sein müssen, ihre Vermögenslage offenzulegen.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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