DOMRADIO.DE: Dass die Zugspitze ein zweites Gipfelkreuz hat, ist der Sicherheit geschuldet. Immer wieder kommt es bei Selfies zu gefährlichen Zwischenfällen auf 2962 Meter Höhe. Warum besteht die Gefahr bei Ihrem Kreuz nicht?

Bernhard Rieger (Künstler): Das Kreuz, das ich gestaltet habe, ist ein Kunstobjekt und bereichert die Gipfelausstellung zum Thema der Geschichte der Zugspitzbahn. Es ist ein Indoor-Gipfelkreuz.
DOMRADIO.DE: Was haben Sie gedacht, als man an Sie herangetreten ist, um eine Kopie des Zugspitzgipfelkreuzes zu gestalten?
Rieger: Es ist keine Kopie, es ist eine Nachbildung. Die Idee war bei mir schon vorher da, das schwingt schon länger mit. Es gibt tatsächlich keinen Nachbau von dem Gipfelkreuz. Es gibt ein Original, das in einem Museum in Garmisch-Partenkirchen ausgestellt ist. Das Kreuz, das oben steht, ist von 1993. Es ist auch schon eine Nachbildung von dem Original, ist aber echt vergoldet.
Mir kam die Idee, mit einfachen Materialien – wie man als Künstler so unterwegs ist – mit Upcycling ein Kreuz zu gestalten, das man vielleicht für Events verwenden kann.
DOMRADIO.DE: Aus welchen Materialien besteht Ihr Gipfelkreuz?
Rieger: Ich bezeichne die Materialien als regionale Bodenschätze. Es sind Abflussrohre, die eigentlich im Boden verlegt werden, man spricht auch von KG-Rohren. Alles andere sind Baumarktmaterialien. Ich habe mir ganz oben auf die Agenda geschrieben, dass die Materialität günstig und einfach sein muss, wenn ich das Kreuz mache. Um nicht mit dem Original in Konkurrenz zu treten.
Das Original ist aus Stahlrohr, sehr hochwertig verarbeitet, von einer Schlosserei gefertigt und mit 24 Karat Echtgold vergoldet. Das ist im Außenbereich mit der Witterung notwendig. Mein Kreuz ist aus Abflussrohren und die Vergoldung ist Goldfolie, die überlackiert ist. Ganz banal.
DOMRADIO.DE: Wieviel Arbeit steckt trotzdem dahinter?
Rieger: Viel Arbeit. Ich bin extra hoch zum Ausmessen. Über Fotos hat man dann die Proportionen ermittelt, das war sehr aufwendig. Es ist 20 Prozent kleiner als das Original. Das Original ist 4,88 Meter hoch. Das geht indoor nicht. Wenn man das in einem Raum aufstellt, erschlägt es einen. Dann habe ich gedacht, wenn wir es ein bisschen kleiner machen, ist es auch gut für Selfies oder Kinder. Es wirkt von den Proportionen zum Menschen besser. Deshalb haben wir es etwas kleiner gemacht und herumgetüftelt.
Im Endeffekt hat der Prozess bis zum fertigen Kreuz etwa ein Jahr gedauert. Zusammengefasst war es ungefähr einen Monat Arbeit, weil man herumprobiert. Wenn man Haushaltsmaterialien verwendet, muss man herumtüfteln. Es sind an den Enden zum Beispiel zum Teil Müsli-Schüsseln verwendet. Dieses Herumtüften hat sehr viel Zeit gekostet.
DOMRADIO.DE: Wir kennen das Bild von der Zugspitze mit dem echten Gipfelkreuz. Es steht auf einem Felsen, von dem es ringsum steil in die Tiefe geht. Ein Fehltritt kann schlimme Folgen haben, trotzdem kommen viele Touristen zum Teil mit Sneakers oder mit Flip-Flops hoch. Glauben Sie, dass Ihr Kreuz jetzt der große Selfie-Hotspot in der Ausstellung wird?

Rieger: Davon gehe ich aus. Auch damit das Originalkreuz ein bisschen zur Ruhe kommen kann. Es soll wieder ein andächtigerer Ort werden, wo der Bergsteiger, der tatsächlich vom Tal bis nach oben steigt, durchschnaufen kann. Ein bisschen Andacht, was dem Kreuz als Symbol geschuldet ist, tut einfach gut.
An dem Indoor-Kreuz mit der Fotorückwand macht es Spaß, Selfies zu machen. Das haben wir jetzt in den letzten Tagen mit Schulklassen, Jugendlichen oder alten Leuten erfahren. Der Witz ist, dass man auf das Original rüberschaut, bei dem Replikat steht und herumalbern kann. Die Kinder machen Quatsch. Die Bilder hier zu machen, hat einen ganz anderen Charme.
Das ist natürlich der modernen Zeit geschuldet, was die Social-Media-Beiträge angeht. Das kann man hier gut machen und es entspannt die Lage am Gipfel. Für mich als Künstler ist es genau das, was man erreichen wollte: dass man dort die Luft rausnimmt, die Kreuze aber nicht in Konkurrenz zueinander stellt.
DOMRADIO.DE: Es gab auch einen Pressetermin auf der Zugspitze, Ihr Kreuz wurde offiziell vorgestellt. Wie kam es an?
Rieger: Es kam sehr gut an. Es gibt natürlich auch andere Meinungen, aber grundsätzlich ist die Rückmeldung positiv, auch von Alpinisten. Ich bin selber bei uns und auf Gipfeln viel am Berg unterwegs. Ich habe das bewusst gemacht, es ist kein April-Scherz, sondern ein ernster Hintergrund, auch für mich als Künstler. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv, was die Entspannung am Gipfel angeht.
Ich fand es gestern einfach toll, wenn eine Schulklasse kommt, die weit herfährt und diesen Gipfel besucht: Die Jugendlichen toben sich aus und fangen mit ihren Handys Selfies ein, das reicht vollkommen aus. Das verträgt dieser Nachbau, der aus einfachen Materialien gemacht ist.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, es gibt auch andere Meinungen. Haben Sie etwas von den Kirchen gehört?
Rieger: Aus der Richtung habe ich noch nichts gehört. Wir hatten das Angebot von einem lokalen Pfarrer, das Kreuz zu weihen. Meine Meinung dazu ist, dass es ein Kunstobjekt ist. Das braucht es nicht unbedingt. Man kann trotzdem ein bisschen andächtig sein, das ist eine Kreuzdarstellung.
Aber wir wollen nicht in Konflikt kommen. Am Originalkreuz drüben finden regelmäßig Bergmessen und Ähnliches statt. Damit soll dieser Nachbau oder diese Ausstellung nicht in Konflikt kommen. Es ist ein Exponat und bereichert die Ausstellung. Es gibt jetzt einen Hype darum, aber das braucht dieses Kreuz auch, diese Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien und dass hier jetzt pressemäßig etwas passiert. Das ist auch die Aufgabe der Kunst.
Das Interview führte Carsten Döpp.