DOMRADIO.DE: Einer, der sich im Sommer auch im Vatikan eingerichtet hat, war zum Beispiel Leo XIII. Wie sah denn dessen Sommerzuflucht aus?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Zunächst hatte er die "Casina Pius IV.", ein kleines Landhäuschen in der Vatikanstadt, genutzt. Heute ist dort der Sitz der päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Er hat dort den ganzen Tag während der Sommermonate verbracht und ist dann nur zum Übernachten wieder in den Apostolischen Palast zurückgekehrt. Aber das war nicht die einzige Ferienmöglichkeit im Vatikan.

Er ließ den größten Turm der alten Verteidigungsmauer im Vatikan, den Turm Leos IV., so richtig wohnlich herrichten. Der deutsche Maler Seitz hatte am Gewölbe im Schlafzimmer des Papstes den Sternenhimmel Roms abgebildet, und zwar mit dem Sternbild des Löwen, also Leo. Dieser Einfall, der eigentlich ganz hübsch war, hatte noch eine Besonderheit, die schon etwas zum Schmunzeln anregt.

Das Sternenbild war mit kleinen Lämpchen versehen und der Papst konnte, wenn er sich nachts hinlegte, einen Schalter umlegen und dann erstrahlte das Sternenbild in einem einzigartigen Licht. Das war schon so eine Kuriosität, worüber der Papst dann auch geschmunzelt hat. Leo XIII. hat neben diesem Turm einen kleinen Pavillon errichten lassen, wo er während des Tages seinen Kaffee zu sich nehmen konnte.
Der nächste Papst, der einen weiteren Turm des Vatikans umbaute, war Johannes XXIII. - den Turm des heiligen Johannes; einen Turm, der bei der höchsten Stelle des Vatikans liegt. Johannes XXIII. war nicht so begeistert von Castel Gandolfo und wollte dann lieber in Rom, in den vatikanischen Gärten, bleiben und hatte diesen Turm ausgewählt. Aber er konnte ihn leider nicht lange in Anspruch nehmen, da er ein relativ kurzes Pontifikat hatte und schon 1963 verstarb.
DOMRADIO.DE: Zur perfekten Abkühlung braucht es ja eigentlich ein schönes Freibad. Gibt oder gab es da eines im Vatikan?
Nersinger: Im Vatikan nicht, aber wir wissen heute, dass es seit Johannes Paul II. in Castel Gandolfo eines gibt und die Nachrichten in den letzten Tagen besagen, dass dieses jetzt hergerichtet worden ist und dass der Papst vermutlich die Möglichkeit bekommt, dort auch zu schwimmen.

DOMRADIO.DE: Wunderbar, ein Freibad ist also vorhanden. Bootstouren gehören ja auch für viele Menschen zum Urlaub. Wie sieht das bei den Päpsten aus?

Nersinger: Ja, das war im alten Kirchenstaat (politisches Herrschaftsgebiet des Papstes von 756-1870, bevor es dem Königreich Italien angegliedert wurde, Anm. d. Red.) noch möglich, als der Papst sich frei außerhalb Roms bewegte. Da wissen wir von relativ vielen Bootsfahrten mit Pius IX., der bis 1878 lebte und vor 1870 häufig das Boot nutzte.
Er fuhr dann mit der sogenannten päpstlichen "Yacht", der "Immaculata Concezione", dem Flaggschiff der kleinen päpstlichen Flotte, von Civitavecchia nach Anzio, dem antiken Antium. Der Papst hatte dort eine Villa erworben, die "Villa Albani", und verbrachte dann einige Tage am kühlen Meer.
DOMRADIO.DE: Jetzt reden wir hier immer von Ferien. Wenn Papst Leo XIV. an diesem Sonntag nach Castel Gandolfo in die Sommerfrische fährt, ist das aber nicht nur Urlaub, oder?
Nersinger: Nein, das ist bei allen Päpsten so gewesen. Wir reden immer etwas leichtsinnig von Urlaub, aber die Päpste sind eigentlich nie richtig im Urlaub gewesen. Denn sie haben auch an den Urlaubsorten wie etwa in Castel Gandolfo die Regierungsgeschäfte weitergeführt. Es ging ja alles weiter. Sie mussten über gewisse Entwicklungen informiert worden.

Jeden Tag bekamen sie Berichte vorgelegt, dann mussten auch Entscheidungen getroffen werden. Es gibt eine ganze Reihe von Entscheidungen, die den Vermerk tragen, dass sie in Castel Gandolfo ausgestellt worden sind. Also es war kein Urlaub im strengen Sinn, sondern man könnte vielleicht den Begriff "Arbeitsurlaub" verwenden. Es war schon einiges zu tun, auch in diesen sogenannten Urlaubsmonat.
DOMRADIO.DE: Auch dieser Papst nimmt die Arbeit mit in den Urlaub wie so viele andere auch. Sollte er bei dem Pensum, das er sich vornimmt, nicht lieber mal eine Pause machen?
Nersinger: Das wäre empfehlenswert, das müsste er eigentlich machen. Aber wie schon gesagt, die Amtsgeschäfte verlangen natürlich auch sehr schnell Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Und da bleibt es halt nicht aus, dass er auch im Urlaub in Anspruch genommen wird.
Man muss versuchen, abzuwägen und doch eine Möglichkeit zu finden, dass man sowohl einen Erholungsurlaub macht, aber dennoch die offiziellen Amtsgeschäfte nicht ganz vernachlässigt.
Das Interview führte Carsten Döpp.