DOMRADIO.DE: Was weiß man über die erste Liebe der Päpste?
Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte): Man könnte das für eine zu delikate Frage halten, aber ich denke, das ist sie eigentlich nicht. Denn Päpste sind keine geschlechtslosen Wesen. Wenn man in die jüngere Geschichte schaut, sehen wir da einige sehr schöne Sachen.
So war zum Beispiel der 1878 verstorbene Pius IX. als junger Mann im Jahr 1814 in eine gewisse Giacinta Marchetti verliebt. Das war lange vor seiner Priesterweihe. Ursprünglich wollte er Offizier werden, konnte das aber aufgrund seiner gesundheitlichen Kondition nicht, und hat sich dann erst später fürs Priestertum entschieden. Er war übrigens ein hervorragender Tänzer. Das wird sogar in seinem Seligsprechungsprozess erwähnt.
DOMRADIO.DE: Wen haben Sie noch gefunden?
Nersinger: Gehen wir direkt weiter zu Pius XII., da wissen wir, dass er als Jugendlicher für eine entfernte Cousine geschwärmt hat, für die er sogar ein Gedicht verfasst hat. Das Gedicht habe ich leider nicht gefunden, das scheint auch nicht auffindbar zu sein, aber es ist trotzdem eine schöne Sache.
Dann haben wir natürlich Johannes Paul II., von dem wir wissen, dass er Freundinnen hatte. Aber seine Freundinnen, von denen wir sicher wissen, sind erst in den späteren Jahren da gewesen. Wir wissen daher nicht, ob jemand von denen die erste Liebe war. Das waren aber natürlich Freundschaften, die rein platonisch liefen.
Über Benedikt XVI. berichtet sein Biograf Peter Seewald zum Beispiel, dass er sich während des Studiums unsterblich in eine Kommilitonin verliebt habe. Also selbst Benedikt XVI. war schon mal verliebt.
DOMRADIO.DE: Wie hat der Vatikan das gehandhabt? Wurde das Thema eher verschwiegen?
Nersinger: Das hängt auch ein bisschen von der Zeit ab. In ganz frühen Jahren war das kein so großes Geheimnis und man hat sich darüber auch nicht echauffiert. Es ist etwas später gekommen, dass man versucht hat, dies etwas zu kaschieren, weil man das für anstößig hielt: Sowas fragt man nicht, das haben Päpste nicht gehabt.
Das kam aber weniger von den Päpsten selbst, als von der Umgebung. Damals war man doch sehr distanziert und man hat auch immer versucht, dies etwas "herunterzufahren" oder ganz zu verschweigen.
DOMRADIO.DE: Wie sind die Päpste selbst damit umgegangen? Mit der ersten Liebe, mit der Liebe überhaupt?
Nersinger: Ich denke sehr offen. Wir können das auch beim Vorgänger von Leo XIV. sehen. Papst Franziskus ist in seiner Autobiografie sehr ausführlich auf seine erste Liebe, auf sein erstes Verliebtsein eingegangen. Da sind die Päpste doch relativ offen gewesen.
Das Interview führte Carsten Döpp.