Wie "Sinterklaas" in den Niederlanden gefeiert wird

Kirchlicher Hintergrund spielt kaum noch eine Rolle

In den Niederlanden wird am 5. Dezember "Sinterklaas" gefeiert. Für die Kinder bedeutet das vor allem reichlich Geschenke. Religiös ist der Tag allerdings schon lange nicht mehr. Auch eine Rassismus-Debatte entzündet sich an ihm.

Ein als Sinterklass verkleideter Mann / © Patrick Post (KNA)
Ein als Sinterklass verkleideter Mann / © Patrick Post ( KNA )

DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es eine starke Vermischung vom Heiligen Nikolaus und dem Weihnachtsmann. Im Supermarkt findet man fast nur Weihnachtsmänner mit Bommelmütze. Wie ist das in den Niederlanden?

Dr. Christoph Driessen / © Greven Verlag
Dr. Christoph Driessen / © Greven Verlag

Christoph Driessen (Journalist und Autor): Da ist es eigentlich verpönt, vor dem 6. Dezember irgendwelche Weihnachtsartikel auszubreiten. Wenn man jetzt in die Geschäfte geht, findet man alle möglichen Sinterklaas-Artikel, also kleine Schoko-Nikoläuse, aber keine Weihnachtsmänner. Man findet aber zum Beispiel auch Bischofsstäbe und Servietten sowie Girlanden mit allen möglichen Motiven.

Das geht auch schon seit Wochen so. Das ist eben kein Fest für einen Tag, für den "Paket-Abend", wie man in den Niederlanden sagt, sondern Sinterklaas kommt schon Mitte November auf einem Dampfschiff aus Spanien in den Niederlanden an. Die Niederländer verorten ihn in Spanien. Daher kommt er mit seinen Helfern, den Pieten. Das ist dann immer ein großes Volksfest.

Also, es bewegt sich atmosphärisch irgendwo zwischen Sankt Martinszug und Rosenmontag. Die nationale Ankunft wird sogar auch immer live im Fernsehen übertragen. Danach gibt es auch weiterhin eine Berichterstattung. In Anlehnung an die niederländische Tagesschau, das "Journal um acht Uhr", gibt es jeden Tag ein "Sinterklaas Journal", also quasi eine Nikolaus-Tagesschau für die Kinder, fiktive Nachrichten, wo der Nikolaus und seine Helfer von Schauspielern dargestellt werden.

Ein als Sinterklass verkleideter Mann / © Patrick Post (KNA)
Ein als Sinterklass verkleideter Mann / © Patrick Post ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das hört sich so an, als hätte das einen sehr hohen Stellenwert bei den Niederländern. Wahrscheinlich auch wichtiger als Weihnachten, oder?

Driessen: Ja, definitiv. Das ist das große Kinder- und Geschenkefest im Dezember.

DOMRADIO.DE: Obwohl Sinterklaas als Bischof mit Mitra und Bischofsstab daherkommt, spielt Religion heute nur noch eine kleine Rolle in den Niederlanden, oder?

Driessen: Die Niederlande gelten als das am stärksten säkularisierte Land der Welt. Was Sinterklaas betrifft, werden viele natürlich schon noch im Hinterkopf haben, dass das ein Heiliger ist. Aber dieser kirchliche Hintergrund spielt kaum noch eine Rolle. Es wird als ein nationales Fest wahrgenommen.

Wenn man in Umfragen oder in Studien danach fragt, was typisch niederländisch ist und was die niederländische Identität ausmacht, dann wird dieses Sinterklaasfest immer mit an erster Stelle genannt, weil es das in dieser Ausformung sonst auch nirgendwo gibt.

Sinterklaas und Zwarte Piet  / © Ingo Wagner (dpa)
Sinterklaas und Zwarte Piet / © Ingo Wagner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn Niederländer einer Kirche angehören sollten, gehen sie dann eher am Sinterklaasfest oder an Weihnachten in die Kirche oder gar nicht?

Driessen: Wenn, dann gehen sie eher an Weihnachten in die Kirche, nicht heute.

DOMRADIO.DE: Nikolaus taucht in unseren Erzählungen oder Darstellungen auch mit Knecht Ruprecht auf. In den Niederlanden gibt es den "Zwarten Piet" als Begleitung von Sinterklaas, eine umstrittene Figur. Wieso prügeln sich die Niederländer sogar manchmal wegen dieser Figur?

Driessen: Man muss erst mal vorausschicken, dass der "Zwarte Piet" nicht den Charakter, wie bei uns Knecht Ruprecht hat. Er führt nicht Stock, Rute und Sack mit sich, sondern ist quasi der Liebling der Kinder, der große Spaßmacher, den alle Kinder supertoll finden.

Aber das Problem ist sein Aussehen. Es ist ein schwarzer Junge, ein schwarzer Jugendlicher im Pagenkostüm mit Pluderhosen und Halskrause. Als solcher sieht er eigentlich genauso aus wie die schwarzen Jungen, die sich Amsterdamer Kaufleute im 17. Jahrhundert als "modisches Accessoire" zulegten und mit denen sie sich dann auch gern porträtieren ließen, weshalb diese Jungen heute noch in in den Museen präsent sind.

Da sagen viele Niederländerinnen und Niederländer, vor allem solche, die aus Ländern wie Surinam und den Antillen in die Niederlande eingewandert sind, das sei offenkundig rassistisch. Das ist ein schwarzer Sklave, das ist ein schwarzer Diener eines weißen Herrn. Das kann nicht so bleiben.

Wohingegen andere wieder sagen, man solle langsam machen. Dieser Piet wird heute von den Kindern nicht als Sklave wahrgenommen. Das ist eigentlich eine ganz positiv besetzte Figur, die gerade ein positives Bild von Schwarzen verbreitet.

Im Übrigen, das sagen dann auch noch manche, sollten sich doch die Migranten an die niederländischen Gebräuche anpassen und nicht umgekehrt.

Das hat dazu geführt, dass daraus in den letzten 20 Jahren ein Riesenkonflikt entstanden ist. Was jedes Jahr dazu führt, dass Anhänger und Gegner von Piet aneinandergeraten, dass die Polizei eingreifen muss, dass es Festnahmen gibt, dass man sich gegenseitig mit Eiern bewirft. Manchmal gab es sogar schon Verletzte. Der Ministerpräsident musste Stellung beziehen. Das sind richtige Unruhen zum Teil.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR