Wie man mit der Trauer um Tiere umgehen kann

"Komplexer als andere Trauerfälle"

"Arme Schweine, listige Schlangen. Tiere im Spiegel der Bibel", so heißt ein frisch erschienenes Buch. Ein Artikel der evangelischen Pfarrerin Emilia Handke handelt vom Trauern um Tiere. Der Theologe Sebastian Knapp hat ihn gelesen.

Autor/in:
Dagmar Peters
Senior mit Hund (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Der November gilt ja gemeinhin als Trauermonat, aber um wen oder was "darf" man eigentlich trauern? Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Ein Meerschweinchen stirbt, der Mensch ist traurig. Aber sein Nachbar sagt: "Mein Gott, das ist doch nur ein Tier." Hat dieser Nachbar recht? 

Sebastian Knapp (Theologe und Dozent am Institut für Theologische Zoologie in Münster): Ich würde sagen, der Nachbar hat natürlich nicht recht. Für viele Menschen sind Tiere ganz vollwertige Familienmitglieder. Das ist total verständlich, denn diese Tiere schenken uns ja in den meisten Fällen etwas, was man von Menschen nicht so bedingungslos bekommt. 

Sie bewerten uns nicht, sie nehmen uns an, wie wir sind, und sie geben uns auch eine Form von Treue und Nähe. Auch, wenn das natürlich auch damit zusammenhängt, dass man ihnen Futter gibt und sich um sie kümmert. 

Symbolbild Trauer um verstorbenen Hund / © New Africa (shutterstock)
Symbolbild Trauer um verstorbenen Hund / © New Africa ( shutterstock )

Aber dieses Gefühl, das uns diese Tiere geben, ist für viele gar nicht so selbstverständlich in der heutigen Zeit. Und auch gerade dieses Kümmern, Füttern und Versorgen bringt Struktur in den Alltag, das gibt Halt und Sicherheit. 

Deswegen ist natürlich, wenn ein Tier stirbt, der Verlust absolut tragisch und die Trauer total nachvollziehbar. Denn wenn ein Tier stirbt, stirbt ein Familienmitglied. 

DOMRADIO.DE: Wenn bei uns Menschen jemand plötzlich aus dem Leben gerissen wird, fordert uns das sehr viel ab. Oder auf der anderen Seite, wenn jemand alt und krank ist, nehmen wir im Idealfall langsam Abschied und können uns drauf einstellen. Gibt es bei den Tieren denn Parallelen zum Menschen? 

Sebastian Knapp

"Die Trauer um Tiere ist manchmal sogar noch komplexer als andere Trauerfälle."

Knapp: Da gibt es klare Parallelen. Auch bei Tieren gibt es ja einen plötzlichen Tod, wenn die Katze zum Beispiel auf der Straße überfahren wird und man dann erst einmal in eine gewisse Überforderung und eine emotionale Krisensituation kommt.

Aber auch langsame Abschiede sind bei Tieren ganz klassisch, vielleicht sogar prozentual gesehen häufiger als bei Menschen. Gerade die Frage nach dem Einschläfernlassen ist bei Tieren sehr häufig und in den meisten Fällen der Normalfall. Das ist eine große Verantwortung. Viele Menschen machen sich danach Vorwürfe, ob das der richtige Zeitpunkt war, ob man nicht zu lange gewartet hat oder es zu früh gemacht hat. Deswegen ist aus meiner Sicht gerade die Trauer um Tiere manchmal sogar noch komplexer als andere Trauerfälle. 

Grab auf einem Tierfriedhof / © Harald Oppitz (KNA)
Grab auf einem Tierfriedhof / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Trauern nur Menschen um Tote oder trauern Tiere auch? 

Knapp: Man kann natürlich wissenschaftlich nicht in die Tiere hineinschauen. Wir können also nicht genau sagen, ob das, was sie emotional fühlen, exakt dasselbe ist, was Menschen fühlen. Das ist nicht möglich. 

Aber die Beispiele, in denen Tiere trauerähnliches Verhalten zeigen, sind sehr gut dokumentiert. Gorillas und Schimpansen zum Beispiel tragen ihre verstorbenen Babys über Tage und Wochen noch mit sich herum. Die Gruppe ist in der Zeit sehr auffallend ruhig und zieht sich auch zurück. 

Oder auch bei Gänsen und Schwänen, die häufig in lebenslangen Paarbindungen leben, kann man Ähnliches beobachten. Wenn der Partner oder die Partnerin stirbt, ziehen sich die Tiere zurück und fressen weniger und verweilen lange an der Stelle, an der der Partner oder die Partnerin verstorben ist. 

Das sind schon klassische Zeichen für zumindest depressive Phasen, die in irgendeiner Form mit diesem Verlust zusammenhängen müssen. 

Viele kennen es, dass Hunde, wenn sie einen Menschen verlieren, auch ganz klare Zeichen zeigen, indem sie sich zurückziehen, veränderte Schlafmuster haben oder einen verminderten Appetit, manche aber sogar eher eine starke Suche nach der Nähe von Menschen zeigen. 

Also: Wir können innerlich nicht beschreiben, was passiert, aber wir können nach außen registrieren, dass es ähnliche Muster gibt. 

Sebastian Knapp

"Ganz wichtig ist auf jeden Fall, erst einmal diese Trauer ernst zu nehmen."

DOMRADIO.DE: Was kann denn helfen, wenn ein Tier stirbt und der Mensch dann in ein Loch fällt? 

Knapp: Ganz wichtig ist auf jeden Fall, erst einmal diese Trauer ernst zu nehmen und sich auszutauschen mit jemandem, der die Beziehung zu dem Tier versteht und nicht relativiert. Es sollte nicht die Aussage kommen: "Stell dich nicht so an". Vielmehr sollte man sich an jemanden wenden, der das nachvollziehen kann. Dann ist es hilfreich, dass man kleine Rituale macht, wie eine Kerze oder ein Foto aufzustellen, also einen persönlichen Abschiedsmoment hat. 

Ein Meerschweinchen sitzt auf dem Schoß eines Jugendlichen.  / © PixagO (shutterstock)
Ein Meerschweinchen sitzt auf dem Schoß eines Jugendlichen. / © PixagO ( shutterstock )

Ganz besonders wichtig finde ich, dass man auch bei Kindern versucht, ihnen die Situation ehrlich zu erklären und ihnen auch gute Worte zuspricht. Man sollte nicht sagen: "Ach übrigens, wir haben das Meerschweinchen zum Friseur gebracht und es sieht anders aus". Und in Wahrheit hat man ein Neues geholt. Denn diese Beziehung ist real zwischen Mensch und Tier und deswegen braucht das auch eine echte Trauerarbeit dafür und man muss Menschen dabei unterstützen. 

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Information der Redaktion: Weitere Informationen zum Buch "Arme Schweine, listige Schlangen. Tiere im Spiegel der Bibel" beim TVZ-Verlag

Quelle:
DR

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