Wie man beim Pilgern entschleunigt und vom Alltag abschaltet

"Sich Zeit nehmen und offline bleiben"

Wie kann man Stress und hohem Tempo im Alltag entfliehen? Beate Steger ist Pilger-Expertin und weiß, wie der Blick in die Natur entschleunigen kann. Sie hat Tipps für das Unterwegssein und Durchatmen parat.

Autor/in:
Annika Weiler
Symbolbild Pilgern / © encierro (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was unterscheidet das Pilgern von einem normalen Wanderurlaub, wenn es darum geht, mal aus dem Alltagsstress auszusteigen und abzuschalten?

Beate Steger (Pilgerexpertin): Der Unterschied liegt vor allem in der Intention, mit der ich losgehe. Will ich einen Wanderurlaub haben, wo ich viel draußen bin, mich viel bewege und tolle Wege gehe? Oder will ich mich auch um mich selber kümmern, zu mir selber oder vielleicht auch zu Gott finden? Dann ist es eigentlich egal, ob man auf einem Pilgerweg oder auf einem Wanderweg unterwegs ist.

Beate Steger (DR)
Beate Steger / ( DR )

Wenn ich mich dazu entschieden habe, dass ich mich um mich selber kümmern möchte und alles andere vielleicht mal ein bisschen außen vorlasse, dann beginnt das Pilgern und der Ausstieg aus dem Alltagsstress.

DOMRADIO.DE: Viele spüren, dass sie mal wieder Zeit zum Durchatmen haben, wenn sie unterwegs sind. Was passiert beim Pilgern, dass man in diesen Zustand kommt?

Steger: Das Schlafen, Essen und Laufen machen beim Pilgern ganz viel. Man bekommt das Gefühl, dass man in eine Weite hinausgeht, Luft zum Atmen hat und eben nicht in einem vollgestellten Raum mit allen möglichen Dingen ist, die einen ablenken können. Wenn man seinen Rucksack selber trägt, dann hat man beim Pilgern nur die Sachen dabei, die man wirklich mit sich herumträgt.

Beate Steger

"Man bekommt wirklich das Gefühl, dass man in eine Weite hinausgeht und das man Luft zum Atmen hat."

DOMRADIO.DE: Könnte man Pilgern auch als stille Art des Protestes gegen unsere eher schnelllebige Gesellschaft sehen? 

Steger: Auf jeden Fall. Vielleicht ist das Pilgern seit Jahren so im Trend, weil man sich aus allem herauszieht. Wenn man das mal gekostet hat, wird die Sehnsucht nach der Stille und nach diesem Unterwegssein in einfacher Form für viele so groß, dass sie sagen: "Ich will auf jeden Fall wieder unterwegs sein".

DOMRADIO.DE: In Stille unterwegs sein heißt oft auch, offline unterwegs zu sein. Nachrichten oder E-Mails einfach nicht zu checken. Welche Rolle spielt das für unser Gefühl der Entschleunigung? 

Steger: Wenn ich mit einer Pilgergruppe unterwegs bin, machen wir es oft so, dass wir auch mal eine Stunde schweigend pilgern. Das kann man auch machen, wenn man alleine unterwegs ist: Sich eine Stunde Zeit nehmen und offline bleiben. Ich mache dann vielleicht ein Bild mit meinem Handy, mehr aber auch nicht. Das spielt eine ganz große Rolle. Ich merke, wie gut mir das tut.

Am Anfang ist man vielleicht ein bisschen unruhig, weil das ungewohnt ist, aber dann wird es immer besser. Dann möchte man das vielleicht auch noch eine weitere Stunde machen. Das muss man aber auch mit sich selber ausmachen und sich versprechen: "Das mache ich jetzt, das ziehe ich jetzt mal durch".

Beate Steger

"Pilgern schärft unseren Blick für Kleinigkeiten."

DOMRADIO.DE: Wenn wir uns dem Tempo der Gesellschaft oder von Social Media entziehen, verändert sich dann auch unsere Wahrnehmung von Natur und Begegnung?

Steger: Ich finde, dass das Pilgern unseren Blick für Kleinigkeiten schärft. Ich war gerade selber auch wieder ein paar Tage unterwegs. Es war wunderbar sonnig, als ich auf einmal gemerkt habe, wie gut der Wald riecht. Da waren ganz viele Kiefern und es gab einen ganz besonderen Geruch.

Ich habe aber auch ganz viele Eichhörnchen gesehen, Feldhasen und Reiher, die im Wasser stehen. Das macht ganz viel. Ich wurde automatisch langsamer, um die Tiere nicht zu erschrecken. Man schaut dann auch mal genauer hin, wird offener für solche Sachen und freut sich darüber, dass man solche Begegnungen hat.

Das Interview führte Annika Weiler.

Quelle:
DR

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