Verbindliche Erklärungen der Glaubensbehörde im Vatikan sind selten, und fast immer sorgen sie für mehr Aufsehen als Päpstliche Lehrschreiben. Mitunter werden sie zu Meilensteinen der katholischen Glaubenslehre. Die Instruktion über die Befreiungstheologie von 1984 gehört ebenso dazu wie die Erklärung "Fiducia supplicans" von 2023, mit der Rom den kirchlichen Segen für homosexuelle Paare zuließ. Beide führten aber innerhalb der Kirche auch zu Zerreißproben.
Doch keine Erklärung hat über die katholische Kirche hinaus so viel Wirbel gemacht wie "Dominus Iesus - über die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche". Der Text wurde am 6. August 2000 vom damaligen Glaubenspräfekten und späteren Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger, unterschrieben. Papst Johannes Paul II. hat ihn ausdrücklich genehmigt, bevor er dann am 5. September veröffentlicht wurde und für Aufsehen sorgte.
Seine erste Kernaussage bezieht sich auf Jesus und betont: "Es ist fest zu glauben, dass Jesus von Nazaret, der Sohn Marias, und nur er, der Sohn und das Wort des Vaters ist. (...) Jesus ist 'der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes' (...) 'in ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes' (...). Er ist 'der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht' (...). 'Durch ihn haben wir die Erlösung'(...)".
Absage an den Relativismus
Verbunden ist dieser mit Bibelstellen belegte Glaubenssatz mit einer klaren Absage an die zur Jahrtausendwende weit verbreitete Geisteshaltung des Relativismus. Diese geht davon aus, dass keine Religion die ganze Wahrheit für sich beanspruchen könne, sondern alle bestenfalls nur Teile der göttlichen Wahrheit erkennen. Ratzinger nennt das "die Überzeugung, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar ist, nicht einmal durch die christliche Offenbarung". Und er kritisiert dies als "relativistische Haltung gegenüber der Wahrheit", wenn "das, was für die einen wahr ist, es nicht für andere wäre".
Weiter analysiert er: "Der tiefste Grund dieser Meinung liegt in der Behauptung, dass die Wahrheit über Gott in seiner Globalität und Vollständigkeit von keiner geschichtlichen Religion, also auch nicht vom Christentum und nicht einmal von Jesus Christus, erfasst und kundgetan werden könne." Dem setzt er in dem Text das Bekenntnis zu Jesus als einziger und für alle Menschen und Kulturen gültige Offenbarung Gottes entgegen.
Damit rief der Oberste Glaubenshüter etwas glasklar in Erinnerung, was - auch als Folge bestimmter Gesten von Papst Johannes Paul II. - in der allgemeinen Wahrnehmung nur noch nebulös vorhanden war. Denn durch die respektvolle Begegnung des Papstes mit Oberhäuptern anderer Glaubensgemeinschaften und durch das Weltgebetstreffen der Religionen für den Frieden in Assisi entstand bei vielen der Eindruck, als habe die katholische Kirche ihren Anspruch aufgegeben, dass nur sie im Besitz der göttlichen Wahrheit sei.
Knallharte Klarstellung auch in der Ökumene
Nachdem er dies als Irrtum benannt hatte, nahm sich Ratzinger in dem Text auch noch die Ökumene unter den Kirchen vor. Auch auf diesem Feld hatte der polnische Papst - etwa durch die Enzyklika "Ut unum sint" und durch Begegnungen mit protestantischen Kirchenführern - vieles in Bewegung gebracht. Ähnlich wie bei der Frage nach dem Wahrheitsanspruch der anderen Religionen setzte der Text nun auf Abgrenzung und betonte vor allem, was nicht ist.
Und er schuf eine Klassifizierung für die nicht katholischen Kirchen, die viele Protestanten arg vor den Kopf stieß. Wörtlich: "Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Die Kirchen, die (...) durch engste Bande, wie die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie, mit ihr verbunden bleiben, sind echte Teilkirchen. Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn."
Dieser Satz wirkte im Dialog der Kirchen wie ein Brandsatz. Unzählige Ökumene-Beauftragte haben seither versucht, ihm seine verletzende Spitze zu nehmen. Doch zurückgenommen wurde er nie. Allerdings ergänzt durch den Vorschlag von Kurienkardinal Walter Kasper, man solle besser sagen, dass die protestantischen Gemeinschaften "in anderer Weise Kirche sind".