Wie ist die Situation für die Menschen in Rom nach dem Heiligen Jahr

Licht und Schatten des Heiligen Jahres

Nach einem Jubiläum der Superlative, inklusive Papstwechsel, zieht Rom Bilanz. Hat das Ereignis die Ewige Stadt vorangebracht? Den Römern war im Vorfeld viel versprochen worden. Doch so richtig freuen können sie sich nicht.

Autor/in:
Michael Feth
Pilgerkreuz auf dem Petersplatz im Vatikan während des Heiligen Jahres 2025 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Pilgerkreuz auf dem Petersplatz im Vatikan während des Heiligen Jahres 2025 / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Es ist so etwas wie das Vorzeigeprojekt des Heiligen Jahres 2025: Die umfassende städtebauliche Umgestaltung des Bereichs um die Engelsburg. 

Baugerüste an der Brücke zur Engelsburg in Rom (Italien) am 8. Juli 2024. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Baugerüste an der Brücke zur Engelsburg in Rom (Italien) am 8. Juli 2024. / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Wo einst der Verkehr brauste und sich die Fußgänger stauten, um die mehrspurige Rennstrecke am Tiber zu überqueren, ist eine Oase des Wohlbefindens entstanden. 

Die neue Piazza Pia, mit ihren Wasserbecken, steinernen Sitzbänken und schattigen Bäumen, verbindet seit Jahresbeginn das historische Zentrum auf der anderen Tiber-Seite mit dem Vatikan. Entspannt und weitgehend ungestört von Autos kann man seitdem von der berühmten Engelsbrücke über die Sichtachse der Via della Conciliazione bis auf den Petersplatz spazieren.

Neu gestaltete Piazza Pia mit Fußgängerzone zwischen Petersdom und Engelsburg am 23. Dezember 2024 in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Neu gestaltete Piazza Pia mit Fußgängerzone zwischen Petersdom und Engelsburg am 23. Dezember 2024 in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die einst viel befahrene Autotrasse wurde unter die Erde verlegt - in einer Rekordzeit von neun Monaten übrigens. Damit wurde eine der weitläufigsten Fußgängerzonen der Welt realisiert, freut sich Roms Bürgermeister Roberto Gualtieri (Partito Democratico). 

Sondervollmachten für fristgerechte Umsetzung 

Er war für die fristgerechte Umsetzung der Vorhaben von der Regierung mit Sondervollmachten ausgestattet worden. Tatsächlich hat die neue Piazza bereits mehrere internationale Preise für gelungene Stadtarchitektur eingeheimst.

Auch wer vom römischen Zentralbahnhof Stazione Termini ins Freie tritt, den erwartet nun ein angenehm aufgeräumter, weiter Vorplatz, bei dem mit Travertin und Marmor nicht gespart wurde. Das Chaos aus unübersichtlichen Bus-Haltestellen, Taxispuren, Parkplätzen, Buden und Schranken ist verschwunden und hat einem einladenden Eindruck Platz gemacht. 

 © Andrew Medichini (dpa)
© Andrew Medichini ( dpa )

Aber auch an der römischen Peripherie hat sich das "Giubileo" ausgezahlt: Die verlassenen und mit Unkraut überwucherten Sportstätten von Tor Vergata im Südosten Roms etwa, mit ihrem über hundert Meter hohen weißen Stahlsegel des Stararchitekten Calatrava weithin sichtbar, bekamen neues Leben eingehaucht: Ende Juli fand hier der Weltjugendtreffen mit Papst Leo XIV. statt. Seither werden die sanierten Anlagen wieder genutzt.

Kofinanziert mit Mitteln aus verschiedenen Fonds der Europäischen Union

Drei Beispiele für Roms milliardenschweres Erneuerungsprogramm, mit dem Stadtbild, Infrastruktur, Nahverkehr, Versorgung und Digitalisierung nachhaltig verbessert werden sollten. Kofinanziert mit Mitteln aus verschiedenen Fonds der Europäischen Union. 

Es ist nicht bei den Vorzeigeprojekten geblieben. Im gesamten Gebiet der Kommune Rom - flächenmäßig die größte Europas - wurde bis in diesen Herbst hinein gebaut, gebuddelt, erneuert und umgestaltet: Von Bushaltestellen und Metro-Stationen über maroden Straßenbelag, einem neuen Netz von Fahrradwegen, der Sanierung von Notaufnahmen bis hin zur Instandsetzung vieler Parks und Grünflächen.

Entwicklungen in der Nachhaltigkeit 

Auch auf dem Feld der Nachhaltigkeit hat sich viel getan. In kaum einer Stadt Europas findet man mittlerweile ein derart dichtes Netz an elektrischen Ladesäulen wie in Rom, auf den Dächern öffentlicher Einrichtungen blitzen hunderte neuer Photovoltaik-Anlagen. 

Tassen mit dem Logo des Heiligen Jahres 2025  / © Clara Engelien (KNA)
Tassen mit dem Logo des Heiligen Jahres 2025 / © Clara Engelien ( KNA )

Die veraltete Busflotte wurde weitgehend elektrifiziert. Ein "Grazie" den EU-Fonds aus dem "Green Deal". Sogar das legendäre Müll-Problem hat die Stadtverwaltung - für den Moment jedenfalls - leidlich in den Griff bekommen. Ob auf Dauer, muss sich noch erweisen.

So weit so gut. Zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar werden nach und nach die Heiligen Pforten in den vier päpstlichen Patriarchalbasiliken geschlossen. Und die Römer fragen sich: Hat all der Aufwand das tägliche Leben in der Weltmetropole wirklich verbessert? 

Nüchterne Bilanz

Hier fällt die Bilanz um einiges nüchterner aus, und das liegt vor allem am Geld. Für manche war das Heilige Jahr ein wahrer Goldrausch: Gastronomie, Hotellerie, die Tourismusbranche im Allgemeinen. 

Die öffentlichen Schwüre der Verbände im Vorfeld, die vielen Besucher und Pilger aus aller Welt (an die 40 Millionen dürften es werden) nicht über den Tisch zu ziehen? Nun ja, geschenkt.

Damit sind wir bei den Schattenseiten angelangt: Rom ist teuer geworden, sehr teuer. Am meisten leiden darunter die Römer selbst. Die Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten sind laut Experten auf einen Höchststand geklettert. 

Für Wohnen, Energie und Lebensmittel muss ein römischer Durchschnittshaushalt so tief in die Tasche greifen wie niemals zuvor. Das merkt man nicht nur an der Supermarktkasse. Bei einem wesentlich geringeren Durchschnittsverdienst (laut OECD 2024: 35.700 Euro) als in Deutschland (50.000 Euro), trifft dies Italiener umso härter.

Auswirkungen auf den Mietmarkt

Der Mietmarkt ist quasi zusammengebrochen. Im gesamten Innenstadtbereich und darüber hinaus in den Randgebieten mit guter Metro-Anbindung, wurde in den letzten anderthalb Jahren fast jede freie Wohnung in ein "Bed and Breakfast" oder "Airbnb" umgewandelt. 

Blick auf die Via del Corso in Rom / © Shchipkova Elena (shutterstock)
Blick auf die Via del Corso in Rom / © Shchipkova Elena ( shutterstock )

90 Prozent des Bestands im historischen Zentrum sind nach Angaben der Stadtverwaltung mittlerweile Ferienwohnungen. Roms Altstadt droht zu einem Disney-Land zu werden. Langfristige Mietverträge sind kaum noch zu bekommen. Bei den wenigen Offerten - das Angebot bestimmt die Nachfrage - gehen die geforderten Preise durch die Decke.

Mindestens 30 Euro pro Quadratmeter

Für Kleinfamilien, Singles und Studenten ist es besonders bitter: Selbst an der Peripherie sind Ein- und Zweizimmerwohnungen nicht mehr unter 30 Euro pro Quadratmeter zu bekommen. 

Unter diesen widrigen Markt-Bedingungen zieht natürlich kaum mehr jemand um, was das Angebot zusätzlich verknappt. Eine Negativspirale. Wohnungsnot ist in Rom zum Thema Nummer Eins geworden.

 Anstieg der Drogenkriminalität und Jugendgewalt

Kopfzerbrechen bereitet den Verantwortlichen auch das Thema Sicherheit. Die Ewige Stadt verzeichnet einen steilen Anstieg der Drogenkriminalität und Jugendgewalt. Laut Behörden hat sich die italienische Hauptstadt nach Amsterdam zum Drogenumschlagplatz Nummer Eins in Europa entwickelt. 

Ganze Stadtviertel - Tor Bella Monaca, Quarticciolo oder Roms einst mondänes Seebad Ostia etwa - werden inzwischen von der Narco-Mafia kontrolliert. Freilich hat das ursächlich nichts mit dem katholischen Jubeljahr zu tun, aber besser geworden ist es eben auch nicht.

Dazu kommt ein weiteres Problem: An Wochenendabenden müssen die Polizeikräfte an neuralgischen Punkten des Zentrums - etwa an der Ponte Sisto in Trastevere, der Milvischen Brücke oder an der Piazza Vittorio - inzwischen mit Großaufgeboten verhindern, dass sich dort Jugendbanden zu blutigen Straßenschlachten verabreden.

Heiliges Jahr der Erlösung

Viele Probleme bleiben Ende 2025 vorerst ungelöst. Auf Wiedervorlage. Denn: "Nach dem Heiligen Jahr" ist zugleich "Vor dem Heiligen Jahr". Wenn sich 2033 zum 2000. 

Mal Tod und Auferstehung Christi jähren und ein traditionelles "Heiliges Jahr der Erlösung" ansteht, wird man sehen, ob die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dazugelernt haben und diesmal auch die strukturellen Probleme der Ewigen Stadt an der Wurzel packen.

Heiliges Jahr

Das Heilige Jahr ist ein Jubiläumsjahr in der katholischen Kirche. Es wird regulär alle 25 Jahre begangen. Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Motto "Pilger der Hoffnung". Einen Ablass von Sündenstrafen können Pilger dabei nicht nur bei Wallfahrten an eine der heiligen Stätten des Jubiläums oder eine der vier großen päpstlichen Basiliken in Rom erhalten, sondern auch beim Besuch der Verkündigungskirche in Nazareth, der Geburtskirche in Bethlehem oder der Grabeskirche in Jerusalem.

Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari (KNA)
Pilger gehen durch die Heilige Pforte (2015) / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA