Wer in diesen Tagen in den Urlaub fliegen will, braucht mitunter viel Geduld. Am Flughafen Hannover, wo es kein nächtliches Verbot für Starts und Landungen gibt, kommt es besonders in den frühen Morgenstunden zu langen Warteschlangen und immer wieder zu Verspätungen.

Von Chaos will Flughafenseelsorgerin Annette Burchardt aber nicht sprechen. "Die Menschen haben sich inzwischen auf die Situation eingestellt." Auch beim niedersächsischen Ferienstart in der vergangenen Woche seien die meisten Reisenden sehr gelassen gewesen, berichtet die 58-Jährige.
Flughafenseelsorge ist Betriebsseelsorge
Die katholische Pastoralreferentin leitet mit ihrem evangelischen Kollegen ein Team von Ehrenamtlichen. Gemeinsam sind sie für die Flughafenseelsorge zuständig. Wut und Frust der Passagiere bekomme aber in diesen Tagen, wenn überhaupt, das Flughafen-Personal ab. Die Seelsorger würden hingegen eher mit Fragen konfrontiert wie "Bin ich hier richtig?", "Hat mein Flug Verspätung?" oder "Was kann ich gegen meine Flugangst tun?". "Der derzeitige Druck, rechtzeitig da zu sein, Sorge über Verspätungen und zwei Jahre Pandemie mit Reisebeschränkungen verunsichert Menschen. Zugleich ist eine große Lust auf das Reisen spürbar", so Burchardt.

Die meisten Gespräche führen die Seelsorger mit den rund 10.000 Angestellten am Flughafen. "Eigentlich ist Flughafenseelsorge Betriebsseelsorge", sagt die Theologin. Auch in diesen Gesprächen gehe es meist nicht um die ganz großen Probleme, sondern eher um die kleinen Dinge des Alltags. "Ich bewundere, mit wie viel Freude und Geduld viele Mitarbeitende des Flughafens ihren Job machen."
Ein gern genutzter Ort, um zur Ruhe zu kommen, ist laut Burchardt die Flughafenkapelle im Ankunftsbereich. Im Gästebuch hinterlassen Reisende Dank für einen guten Urlaub, Gebete für kranke Angehörige und in den vergangenen Monaten vermehrt auch die Bitte um Frieden in der Ukraine und in der Welt. Im Winter habe in der Kapelle, in der einmal im Monat ein Gottesdienst gefeiert wird, auch schon einmal eine Obdachlose Zuflucht gesucht. "Dieser Ort ist auch Seelsorge, weil die Kapelle rund um die Uhr geöffnet ist und für Durchatmen und Gebet da ist", so Burchardt, die seit 2019 neben weiteren Tätigkeiten Aufgaben in der Flughafenseelsorge wahrnimmt.
Orthodoxe und Muslime in Seelsorge einbeziehen
Derzeit erarbeitet sie gemeinsam mit ihrem evangelischen Kollegen ein Konzept für eine regelmäßige, mittägliche Auszeit für die Flughafen-Mitarbeiter. Auch würde sie gerne noch die orthodoxen Christen und die Muslime in die Flughafenseelsorge mit einbeziehen.
Ist Seelsorge am Flughafen überhaupt noch angebracht, in Zeiten, wo über den Klimawandel und die Schädlichkeit von CO2-Emmissionen diskutiert wird? "Es geht darum, da zu sein, wo die Menschen sind", sagt Burchardt und zeigt sich überzeugt: "Es wird immer geflogen werden." Dass eines Tages auch komplett auf Langstreckenflüge verzichtet werde, könne sie sich nicht vorstellen.

Reisenden rät die Seelsorgerin in diesen Tagen, rechtzeitig am Flughafen zu sein und respektvoll mit den anderen Passagieren und dem Flughafen-Personal umzugehen. "Ich habe Verständnis dafür, dass mancher bei langen Wartezeiten ungeduldig wird. Aber letztlich sollte man sich von solchen Ärgernissen nicht den Start in den Urlaub verderben lassen."
Sie selbst ist in diesem Jahr bereits zu einer zweiwöchigen Pilgerreise nach Spanien geflogen. Ihren Sommerurlaub an der Nordsee will Annette Burchardt allerdings mit der Bahn antreten.