Wie ein texanischer Prediger Senioren um Millionen brachte

Der falsche Prophet

William Neil, genannt "Doc" Gallagher, hat fast 200 US-Senioren um ihre Altersvorsorge betrogen. Weil er sich überzeugend als vertrauenswürdiger Christ inszenierte, fielen seine Kunden reihenweise auf ihn herein.

Autor/in:
Thomas Spang
Symbolbild Armut in den USA / © golfza.357 (shutterstock)
Symbolbild Armut in den USA / © golfza.357 ( shutterstock )

Der Prediger glaubt bis heute an seine Unschuld. Verurteilt hinter Gittern zeigt "Reverend" Gallagher wenig Einsicht und schon gar keine Reue. Seinen systematischen Betrug unter christlichen Senioren bestrafte ein texanisches Gericht schon Ende 2021 mit dreimal lebenslänglich.

Der Fall sorgte für Aufsehen und Empörung. Ein Reporter der Nachrichtengruppe "Bloomberg" hat den verurteilten Betrüger im Staatsgefängnis besucht, um mehr über seine Motive zu erfahren.

Dreimal lebenslänglich

Der heute über 80-Jährige beteuerte dabei seine Unschuld. Er sei kein Betrüger, sein "Pflichtgefühl" habe ihn geleitet, Geld für "gute Zwecke" unter gläubigen Senioren einzusammeln, gab er zur Antwort.

"Doc" Gallagher präsentierte sich jahrelang als christlicher Radiomoderator. Er kaufte Sendezeit, die nicht immer deutlich als Werbung gekennzeichnet war. Seine Werbespots endeten oft mit dem Slogan: "Wir sehen uns am Sonntag in der Kirche." Für sein Investmentgeschäft warb er auch in Büchern wie "Jesus Christus, Meister des Geldes". Im Laufe eines Jahrzehnts hat er mit Charisma und Charme fast 200 gutgläubige Senioren um insgesamt 24 Millionen Dollar an Ersparnissen betrogen.

Finanzwesen als Erweiterung des Glaubens

Er verstand das Finanzwesen als eine Erweiterung des Glaubens. Ein Mittel, um Wohlstand zu erreichen, den er für wohltätige Zweckeeinsetzen wollte. Dem religiös kaschierten Diebstahl kamen 2015 texanische Finanzaufsichtsbehörden auf die Schliche und enttarntenein klassisches Schneeballsystem.

Dabei erwirtschaften frühe Anleger Renditen, indem sie Geld von späteren Anlegern nehmen, denen oft erhebliche Gewinne bei geringem Risiko versprochen werden. Diese Systeme leben davon, dass immer wieder neue Anleger Geld investieren, damit es fortbestehen kann.

Portfolio lockte mit 5 Prozent Rendite

Gallagher verkaufte den Senioren sein Programm "Diversified Growth & Income" (DGI), ein breit gefächertes Portfolio bestehend aus Staatsanleihen, Lebensversicherungen von Dritten und festverzinslichen Wertpapieren. Die angeblichen fünf Prozent jährliche Rendite überzeugten selbst Skeptiker.

Stets mit einem Bibelvers auf den Lippen waren die 62 bis 91 Jahre alten Opfer eine leichte Beute für ihn. Die so hinters Licht Geführten waren gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen, Kredite von ihren Kindern aufzunehmen oder nach ihrer Verrentung wieder zu arbeiten.

Auf die sanfte Tour

So wie Linda Provence, die den charmanten Mann für einen gläubigen Christen hielt, von dem nichts zu befürchten sei. Er gewann seine Kunden auf die sanfte und geduldige Tour und schickte Blumen oder Gutscheine für Walmart. Als ihr Gallagher einen Bildband über die Evangelikalen-Ikone Billy Graham schenkte, verlor die Rentnerin, die sich selbst als misstrauisch charakterisiert, jegliche Skepsis und vertraute ihm 2016 ihr Geld an. "Ich hatte das Gefühl, dass der Herr mich zu ihm geführt hat", erklärte sie später ihre Arglosigkeit.

Sie verlor 350.000 Dollar an den nicht zugelassenen Anlageberater. Auch ihre Tochter investierte in Gallaghers DGI-Fonds. Dabei war sie es, die beim Sichten der Kontoauszüge ihrer Mutter bemerkte, dass nirgendwo verbrieft war, wo der falsche Prophet ihre Ersparnisse anlegte. Finanzbehörden und Staatsanwaltschaft überprüften die Konten anderer Gallagher-Kunden und fanden erdrückende Belege für systematischen Betrug.

Systematischer Betrug

"Gallagher ist einer der schlimmsten Straftäter, die ich je gesehen habe", so Lori Varnell von der Bezirksstaatsanwaltschaft in Tarrant County. "Er hat sich in den Kirchen herumgetrieben und Menschen ausgenutzt, die glaubten, er sei ein Christ."

So sieht sich "Doc" Gallagher auch noch im Gefängnis. Er habe stets nur Gutes gewollt. Ein kleines Schuldeingeständnis macht er dennoch. "Es war falsch, dieses Geld ohne die Erlaubnis der Kunden auszuleihen." Er hätte alles zurückgezahlt, wenn er nur etwas mehr Zeit gehabt hätte, glaubt er bis heute.

Wurzeln der evangelikalen Bewegung

Die evangelikale Bewegung hat ihre Wurzeln im Pietismus und Methodismus sowie in der deutschen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts, für die etwa Ludwig Hofacker in Württemberg und Johann Hinrich Wichern in Hamburg stehen. Vorläufer der heutigen Organisationsvielfalt im evangelikalen Bereich sind Bibel- und Missionsgesellschaften, die Christlichen Vereine Junger Männer und Frauen sowie die evangelischen Gemeinschaften, die sich 1888 in Gnadau bei Magdeburg zu einer ersten Pfingstkonferenz versammelten. Einen Schub erlebte die evangelikale Bewegung in der zweiten Hälfte des 20.

Symbolbild: Gottesdienst einer evangelikalen Glaubensgemeinschaft / © Paul shuang (shutterstock)
Symbolbild: Gottesdienst einer evangelikalen Glaubensgemeinschaft / © Paul shuang ( shutterstock )
Quelle:
KNA