Wie ein Strandfoto die erste deutsche Republik in Verruf brachte

Der Reichspräsident in der Badehose

Nur wenige Monate war die erste deutsche Republik alt, da wurde sie von einem harmlosen Badebild erschüttert. Vor 90 Jahren, am 24. August 1909, zeigte die "Berliner Illustrirte Zeitung" auf ihrem Titel den neuen Reichspräsidenten Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske in Badehose. Vor allem die rechte antidemokratische Presse nutzte das Foto für ihre Angriffe gegen die junge Demokratie.

Autor/in:
Thomas Morell
 (DR)

Aufgenommen war das Foto drei Monate zuvor im Ostseebad Haffkrug in der Lübecker Bucht.

Im November 1918 war der Erste Weltkrieg beendet worden, nachdem Kieler Matrosen gemeutert und Kaiser Wilhelm II. abgedankt hatten.
Armut, Kriegsschäden und bürgerkriegsähnliche Kämpfe begleiteten die Geburt der neuen Republik. Am 19. Januar 1919 wurde die erste Nationalversammlung gewählt, drei Wochen später wählte sie den Sozialdemokraten Friedrich Ebert in Weimar zum ersten deutschen Reichspräsidenten.

Der zwar schon gewählte, aber noch nicht vereidigte Reichspräsident war am 15. Mai 1919 nach einem Besuch in Hamburg nach Haffkrug gereist, um dort ein Waisenhaus zu besichtigen. Dieses Haus steht noch und dient heute der Erholung von Senioren. Wichtig war der Besuch, weil Ebert ein Vorstandsmitglied der Trägerstiftung, Henry Everling, als Minister gewinnen wollte - allerdings vergeblich. Trotz des kalten Wetters - es waren die "Eisheiligen" - wurde nach dem offiziellen Teil ein Bad in der Ostsee vorgeschlagen.

Ein folgenschwerer Leichtsinn
Der Fotograf Wilhelm Steffen bat darum, von den sechs Männern im Wasser ein Foto machen zu dürfen. Die Männer willigten ein, doch Ebert nahm ihm das Versprechen ab, dieses Foto nur privat zu verwenden und nicht zu veröffentlichen - ein folgenschwerer Leichtsinn. Steffen willigte ein, hielt sich aber nicht an sein Versprechen.

Das Foto wurde der Berliner Presse zugespielt und erschien zuerst am 9. August in der rechtskonservativen "Deutschen Tageszeitung" - mit allen sechs Männern und einem Text. Ebert und Noske, so hieß es dort wahrheitswidrig, hätten das Foto veranlasst, um "ihre ganze Mannesschönheit zur Schau" zu stellen.

Für ihre Ausgabe am 24. August setzte die "Berliner Illustrirte Zeitung", eine der auflagenstärksten Zeitschriften der Weimarer Republik, dann das Foto auf den Titel. Es zeigte ganzseitig nur noch Ebert und Noske, sowie im Wasser liegend Stiftungsvorstand Josef Rieger mit einer Forke als Neptun-Dreizack. Bereits drei Tage vorher, am 21. August, waren zahlreiche Exemplare im Handel. An diesem Tag wurde Ebert als erster deutscher Reichspräsident vereidigt.

Erste gezielte Kampagen
Fotos in den Zeitungen waren Anfang des vorigen Jahrhunderts noch ungewohnt. Erst 1883 war das erste Zeitungsfoto in der "Leipziger Illustrierten Zeitung" erschienen. Die "Berliner Illustrirte Zeitung" war die erste, die gezielt Fotos einsetzte. Mit ihrem neuen Konzept setzte sie statt der festen Abonnements auf den Straßenverkauf. Interessante Titelfotos sollten zum Kauf der Wochenzeitschrift motivieren.

Die öffentliche Empörung über das Foto war vor allem deshalb so groß, weil Ebert und Noske nur mit einer Badehose bekleidet waren. "Standesgemäß" gingen Männer damals mit einem Badekostüm ins Wasser, das den Oberkörper bedeckte.

Bemerkenswert ist für den Medien-Historiker Niels Albrecht, dass es nicht die nationalistische Presse war, die Ebert mit diesem Foto angriff, sondern der liberale Ullstein-Verlag. Ziel sei nicht die bewusste Verunglimpfung des Reichspräsidenten, sondern Steigerung der Auflagenzahl gewesen. Der Verlag habe mit seinem Angriff den Startschuss für eine "Hetzkampagne unvorstellbaren Ausmaßes" gegeben.

Bis heute die Ausnahme geblieben
Die "Deutsche Tageszeitung" ging anschließend noch einen Schritt weiter und veröffentlichte in hoher Auflage eine Postkarte mit dem Titel "Einst und jetzt!". Darauf sind Kaiser Wilhelm II. und Reichsmarschall Paul von Hindenburg in schmucker Uniform den beiden Demokraten Ebert und Noske in Badehose gegenübergestellt.

Gegen die Verwendung des Fotos strengte Ebert seine erste Beleidigungsklage vor dem Berliner Landgericht an. Zwar erließ das Landgericht ein Verbot der Postkarte, doch war die Verbreitung nicht mehr zu verhindern. Mit insgesamt 173 Strafanträgen stritt Ebert bis zu seinem Tod 1925 gerichtlich für die Würde seiner Person und seines Amtes. Badehosen-Bilder von deutschen Politikern sind bis heute die Ausnahme geblieben.