Vor 150 Jahren wurde Wilhelm II. geboren

Der letzte Kaiser

Vor genau 150 Jahren kam Wilhelm II. zur Welt. Bekannt ist er den meisten heute nur als polternder Militarist und großspuriger Redner. Die Verteidiger des letzten Kaisers leben ausgerechnet in Bayern. Mit einem Internet-Auftritt wollen sie das Bild des letzten deutschen Kaisers gerade rücken.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Unter www.wilhelm-der-zweite.de haben der Software-Entwickler Roland Siegert und der in der Modebranche tätige Wolfgang Müller aus dem nordbayerischen Altenstadt dem Preußenkönig und Kaiser im Internet seit kurzem ein kleines Denkmal gesetzt.

Seit ihrer Schulzeit haben die beiden 35 Jahre alten Hobby-Historiker Berge von Informationen über den Monarchen zusammengetragen, der am 27. Januar 1859, vor 150 Jahren, geboren wurde. Das Ziel ihres Internet-Auftritts ist klar: Nicht nur, dass der Kaiser im Stil einer Pop-Ikone a la Andy Warhol vorgestellt wird. Siegert und Müller wollen auch die "zahllosen Fehl- und Vorurteile" über den Monarchen korrigieren.

Wilhelm sei den heutigen jungen Deutschen nur als polternder Militarist und großspuriger Redner bekannt, beklagen sie. In Wirklichkeit aber habe er in seiner 30-jährigen Regierungszeit zwischen 1888 und 1918 erheblich an der Herausbildung eines modernen Deutschland und seiner Entwicklung zu einer führenden Industrie- und Forschungsnation beigetragen. Außerdem habe Wilhelm, der zugleich Oberhaupt der evangelischen Kirche in Preußen war, versucht, die Arbeiterschaft und die Katholiken zu integrieren. Sein Papstbesuch, der Wiederaufbau der Abtei Maria Laach oder der Dormitio-Abtei in Jerusalem seien positive Signale gewesen.

Alter Streit
Der Streit um den Kaiser mit den gezwirbelten Bartspitzen ist so alt wie seine Regentschaft. Im Vorfeld des 150. Geburtstags und rund um den 90. Jahrestag seiner Abdankung am 11. November vergangenen Jahres haben die Historiker mit neuen Biografien die Kontroverse aufleben lassen. Für den deutsch-britischen Historiker John C. G. Röhl etwa hat Wilhelm II. wesentlich dazu beigetragen, das Reich in den Krieg und damit in den Abgrund zu treiben. Röhl sieht ihn gar als Vorboten Hitlers. Die entgegengesetzte Position verficht der Biograf Eberhard Straub: Für ihn gehört die wilhelminische Epoche bis 1914 zu den großartigsten Zeiten der neueren deutschen Geschichte, in der Wissenschaft, Künste, Technik und Wirtschaft blühten - mit Wilhelms Hilfe.

Mit 101 Salutschüssen war am 27. Januar 1859 die Geburt von Friedrich Wilhelm Albert Viktor von Hohenzollern verkündet worden. Eine jubelnde Menge versammelte sich Unter den Linden. Doch die Geburt des ersten Kindes des späteren Kaisers Friedrich III. und seiner englischen Gemahlin Victoria war ausgesprochen schwierig: Der linke Arm des Kindes blieb zeitlebens verkrüppelt und gelähmt. Wilhelm erlebte seine Kindheit als Tortur, weil nichts unversucht blieb, um die Behinderung zu beheben - nach Meinung mancher Kritiker eine Ursache für die schillernde Persönlichkeit des Hohenzollers.

Ziel der Politik Wilhelms war es, das Reich unter den Weltmächten zu etablieren. Doch die militärische Aufrüstung, insbesondere der Aufbau der Flotte, irritierte die europäischen Nachbarn und führte zur Isolierung Deutschlands. Wilhelms skandalöse Reden und unbedachte Interviews trugen erheblich zum Misstrauen bei.

Überbetonung des Militärs bis ins zivile Leben
Innenpolitisch führte Wilhelms "persönliches Regiment" zu einer Überbetonung des Militärs bis ins zivile Leben. Gegen den europäischen Trend lehnte der Kaiser eine Demokratisierung ab und kämpfte gegen den Einfluss der Parteien, insbesondere der Sozialdemokraten und des katholischen Zentrums.

Während des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) spielte Wilhelm eine zunehmend geringere Rolle in der Politik. Ab 1916 gab der wankelmütige Monarch die Führung des Reiches mehr und mehr in die Hände der Generäle von Hindenburg und Ludendorff, die faktisch eine Militärdiktatur ausübten. Nach der Revolution floh der Hohenzoller im November 1918 ins niederländische Exil.

Seine Hoffnung, von rechtsgerichteten Kreisen während der Weimarer Republik oder von den Nationalsozialisten zurückgerufen zu werden, erfüllten sich nicht. Am 4. Juni 1941 - die vorläufigen Siege der Wehrmacht gegen den Erzfeind Frankreich hatte er mit Genugtuung kommentiert - starb Wilhelm in Doorn.