Wie die Kirche attraktive Arbeitgeberin bleiben kann

Kirchliches Arbeitsrecht an Menschen anpassen

Nicht erst seit dem Synodalen Weg steht das kirchliche Arbeitsrecht in der Kritik mit seinen Konsequenzen für Mitarbeitende, deren gelebte sexuelle Orientierung nicht toleriert wird. Führt das zu Konflikten mit den Arbeitsgerichten?

Kreuz an einer Bürotür / © Harald Oppitz (KNA)
Kreuz an einer Bürotür / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Jeder Arbeitnehmer hat ja besondere Loyalitätspflichten seinem Arbeitgeber gegenüber. Bei der Kirche kommen aber noch ein paar besondere hinzu.

Dr. Antonius Hamers (Jurist und Leiter des Katholischen Büros NRW): Genau so ist es. Zunächst ist es so, dass jeder Arbeitnehmer dazu verpflichtet ist, seinem Arbeitgeber gegenüber loyal zu sein. Ich habe zum Beispiel vor meiner Zeit als Priester beim Bundesverband der Deutschen Industrie gearbeitet. Wenn ich da zum Beispiel offiziell aufgetreten bin, hätte ich Schwierigkeiten bekommen, wenn ich für Sozialismus und Kommunismus geworben hätte. Dafür hätte ich vielleicht eine Abmahnung bekommen. Jedenfalls wäre mein früherer Arbeitgeber damit nicht einverstanden gewesen und hätte das auch entsprechend von mir einfordern können. Insofern ist jeder zunächst einmal gehalten, dem Arbeitgeber gegenüber loyal zu sein.

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

In der katholischen Kirche oder in den Kirchen insgesamt geht das jetzt etwas weiter. Das hängt einmal damit zusammen, dass die Kirchen ein sogenanntes Selbstbestimmungsrecht oder Selbstverwaltungsrecht haben, das in der Verfassung verankert ist.

Zum anderen wird insbesondere in der katholischen Kirche davon ausgegangen, dass jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin in besonderer Weise mit der ganzen Person für die Botschaft des Evangeliums einsteht. Deswegen reichen diese Loyalitätsobliegenheiten bei kirchlichen Mitarbeitenden mitunter bis in den privaten Bereich.

Das tun sie bei anderen Mitarbeitenden nicht. Aber in der katholischen Kirche ist es so, dass unter Umständen auch meine private Lebensgestaltung mit eine besondere Loyalitätsobliegenheit gegenüber der Kirche ist. Das ist das Besondere an diesem Arbeitsverhältnis in der Kirche.

DOMRADIO.DE: Genau das erleben immer mehr Gläubige als nicht mehr zeitgemäß und nicht menschenfreundlich. Jetzt signalisieren erste Diözesen in Deutschland, dass ihnen die sexuelle Orientierung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tatsächlich egal ist, dass niemand mehr um sein oder ihren Job fürchten muss, wenn er oder sie sich zum Beispiel als homosexuell outet. Wie ist das zu bewerten?

Hamers: Bislang ist es so, dass nach den Loyalitätsobliegenheiten wie sie in der sogenannten Grundordnung der katholischen Kirche festgehalten sind, grundsätzlich jemand aus seinem Dienst herausgenommen oder gekündigt werden kann, der eine zivile Ehe eingeht, die kirchenrechtlich nicht vollkommen ist wie eine homosexuelle eingetragene Partnerschaft oder eine Ehe mit einem gleichgeschlechtlichen Partner. Das wäre gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen die Loyalitätsobliegenheiten.

Im Moment sagen immer mehr Menschen, dass sie diesen Einfluss der Kirche als Arbeitgeber in das private Leben und in die private Lebensgestaltung der Mitarbeitenden nicht mehr mittragen, dass sie sagen, das geht nicht.

Da kommt es zum Konflikt mit der individuellen Lebensgestaltung des Einzelnen. Der Einzelne hat ein Recht darauf, sein Privatleben so zu gestalten, wie er das möchte. Das ist der große Knackpunkt, wo es inzwischen zu großen Auseinandersetzungen kommt.

Wir haben das erlebt, dass jetzt zum ersten Mal Menschen ganz klar gesagt haben, wie es um ihre persönliche Situation bestellt ist. Bei der Aktion #OutInChurch haben Leute gesagt, dass sie das so nicht mehr mitmachen wollen. Zugleich haben Verantwortliche innerhalb der Kirche gesagt, dass sie da einen Änderungsbedarf sehen, dass Menschen, die eben in dieser Weise ihr privates Leben gestalten, sprich in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bzw. in einer Ehe mit einem Partner des gleichen Geschlechts leben, zukünftig kirchenarbeitsrechtliche Konsequenzen nicht mehr erfahren sollen. Das heißt, dass das ist kein Verstoß mehr gegen die Loyalitätsobliegenheiten sein soll. Im Moment steht es aber noch so in der Grundordnung drin.

DOMRADIO.DE: Was könnte das denn heißen, wenn im Bistum Essen oder Würzburg Mitarbeiter nicht gekündigt werden, aber man im Erzbistum Köln oder anderswo noch an der Grundordnung in der derzeitigen Form festhält?

Hamers: Diese Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitsverhältnisse unterliegen genauso wie alle anderen Arbeitsverhältnisse auch der gerichtlichen Kontrolle. Das heißt, wenn jemand im Bistum A gekündigt wird, weil er mit seinem gleichgeschlechtlichen Partner eine zivile Ehe eingegangen ist, dann kann er eine Kündigungsschutzklage anstrengen. Das geht vor das staatliche Arbeitsgericht, das sich sehr genau angucken wird, warum im Bistum A jemand gekündigt wird, während er im Bistum B in der gleichen Situation nicht gekündigt wird.

Eine Frau in liturgischem Gewand zündet Weihrauch an in einer Sakristei  / © Harald Opitz (KNA)
Eine Frau in liturgischem Gewand zündet Weihrauch an in einer Sakristei / © Harald Opitz ( KNA )

Wenn ein solcher Flickenteppich in Deutschland entstehen sollte, werden die Arbeitsgerichte das nach meinem Dafürhalten so nicht akzeptieren und sagen: Was im Bistum B erlaubt ist, muss auch ein Bistum A erlaubt sein. Insofern gehe ich davon aus, wenn wir zu so einer uneinheitlichen Rechtsanwendung innerhalb der katholischen Kirche kommen, dass die Arbeitsgerichte die Loyalitätsobliegenheiten jedenfalls an dieser Stelle kassieren werden.

DOMRADIO.DE: Betreffen die notwendigen Änderungen vor allen Dingen die sexuelle Orientierung oder betrifft das auch andere Bereiche? Wo müsste die Kirche gegebenenfalls noch nachsteuern?

Hamers: Das betrifft drei große Bereiche: Erstens spielt die Frage der sexuellen Orientierung nur dann eine Rolle, wenn eine entsprechende Partnerschaft bzw. eine Ehe eingegangen wird. Zweitens sind die sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen betroffen, zumindest dann, wenn sie in einem verkündigungsnahen Beruf stehen, also zum Beispiel Pastoralreferenten und -referentinnen. Drittens geht es um den großen Bereich der Kirchenaustritte.

Das sind im Grunde die drei großen Knackpunkte. Die Kirche bekommt zunehmend ein Problem, qualifizierte Leute als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewinnen. Wir müssen schauen, dass wir unser Arbeitsrecht vor allem den Menschen gerecht anpassen. Aber darüber hinaus müssen wir auch schauen, wenn wir unsere Einrichtungen so fortsetzen wollen, wie sie jetzt sind, dass wir weiterhin für die Menschen ein verlässlicher und auch attraktiver Arbeitgeber sind.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Kirchliches Arbeitsrecht

Die arbeitsrechtlichen Bedingungen für die weit über eine Million Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchen und ihrer
Wohlfahrtsverbände unterscheiden sich erheblich von den für andere Arbeitnehmer geltenden Bestimmungen. Grundlage dafür ist das Grundgesetz, das den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht einräumt.

Kirchliches Arbeitsrecht / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Kirchliches Arbeitsrecht / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
DR