Wie die EU Atomprogramme in Nordafrika und Nahost mitfinanziert

Atomenergie für Arabien

Kernkraftwerke in Ägypten, Jordanien, Marokko - im Moment ist das keine Realität. Doch die Länder liebäugeln seit Langem mit der Atomenergie, ebenso wie viele ihrer Nachbarn im arabischen Raum. In Ägypten und Jordanien könnten in wenigen Jahren die ersten Meiler ans Netz gehen. Die Europäer sind mit Millionengeldern an diesen Initiativen beteiligt.

Autor/in:
Isabel Guzmán
 (DR)

Sie kommen aus einem Finanztopf der EU-Kommission, dem "Instrument für nukleare Sicherheits-Zusammenarbeit" (INSC). Die EU unterstützt derzeit vor allem den Aufbau nationaler Aufsichts- und Regulierungsbehörden. In Schulungen und Workshops bilden europäische Experten örtliche Fachleute aus.



Das INSC läuft in der EU-Kommission offiziell als Entwicklungshilfe. Genaue Zahlen dazu gibt es nur auf Nachfrage oder beim Blick in interne Dokumente. Der aktuelle Bericht an das EU-Parlament dagegen, versendet im März 2011, ist deutlich eingedampft. Zu den arabischen Ländern enthält er praktisch keine Informationen.



Insgesamt 524 Millionen Euro ist das INSC zwischen 2007 und 2013 schwer, wobei der größte Teil in die Verbesserung der nuklearen Sicherheit in der Ukraine, Armenien und Russland geht. Doch die Kommission will laut ihrer Papiere auch "den Bedürfnissen von jungen Industrieländern entsprechen". 2,5 Millionen Euro flossen zwischen 2008 und 2010 nach Ägypten. 2,2 Millionen Euro gingen an Jordanien, eine Million Euro an Marokko. Auch Vietnam, die Philippinen, Brasilien, Georgien und Weißrussland erhielten Gelder.



Atomkonzerne suchen neue Absatzmärkte

Das INSC ist Begleitmusik zu einem Prozess, der seit Jahren an Schwung gewinnt: Global agierende Atomkonzerne suchen neue Absatzmärkte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Zu ihnen gehören etwa der französische Weltmarktführer Areva - bis vor kurzem noch mit deutscher Siemens-Beteiligung - Westinghouse (USA), Rosatom (Russland) und andere. Sie finden willige Partner in Afrika, Asien, Südamerika: energiehungrig und nicht immer politisch stabil.



Um Werbung für die Atomkraft oder Exportförderung gehe es nicht, heißt es aus der EU-Kommission: "Es kommt uns auf Sicherheits-Standards an. Jedes Land kann selbst über seine Energiequellen entscheiden." Doch indirekt würden durchaus europäische Exporteure unterstützt, meint Greenpeace-Atomfachmann Jan Haverkamp. "Die Kommission wird von interessierten Ländern zu Fachgesprächen eingeladen. Dabei ergeben sich natürlich auch wichtige Geschäftskontakte."



Grünen-Kritik

Die Grünen im Europaparlament sind empört und sprechen von einer "exportbegleitenden Strategie". In Wirklichkeit sei die EU-Kommission bei der Atomkraft nicht neutral, schimpft die Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms. In einem Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA verweist sie auf die Fukushima-Katastrophe und die Spannungen in Nahost: "Man würde diesen Ländern einen größeren Gefallen tun, wenn man verhindert, dass sie diese Technologie einsetzen."



Spitzenpolitiker in den Empfängerländern freuen sich über Besucher aus Europa. So empfing der damalige jordanische Ministerpräsident Samir Rifai im Oktober 2010 zwei wichtige Gäste: André-Claude Lacoste, Chef der französischen Behörde für Nuklearsicherheit, und Peter Faross, Direktor für Kernenergie in der EU-Kommission. Die beiden ermahnten Rifai, sich Zeit zu nehmen und nicht an der Sicherheit zu sparen.



Fünf Monate später, kurz nach der Fukushima-Katastrophe, reiste wieder eine EU-Delegation nach Amman und traf sich mit örtlichen Atomexperten. Gerade angesichts der Ereignisse in Japan seien scharfe Gesetze und Sicherheitsnormen besonders wichtig, so die EU-Vertreter laut amtlicher jordanischer Nachrichtenagentur Petra. Europa werde Jordanien mittels Workshops und Trainings helfen. Zu diesem Zweck stehe neue Unterstützung in Höhe von 1,2 Millionen Euro bereit.