Auch nach erneutem "Energiegipfel" bleibt das Ende der Atomkraft offen

Wir wollen ja!

Der Zeitpunkt für den Atomausstieg bleibt auch nach dem Energiegipfel von Bund und Ländern offen. Laut Kanzlerin Angela Merkel wollen zwar "schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen". Auf die Forderung der SPD nach einer Atomwende bis 2021 ging die CDU-Chefin aber nicht ein. Umweltschützer und Opposition reagierten enttäuscht.

Autor/in:
Verena Schmitt-Roschmann
 (DR)

Einziges konkretes Ergebnis: Die Bundesländer stimmten einem Schnellverfahren für die Gesetzgebung bis Mitte Juni zu. Über den Zeitplan gebe es noch Differenzen, sagte Merkel nach ihrem Treffen mit Ministerpräsidenten und Vertretern aller 16 Länder im Kanzleramt am Freitag. Sie deutete aber Einigungschancen über eine "deutliche Verkürzung" der jetzt gültigen Laufzeiten an. Alle seien "vom gemeinsamen Willen getragen, hier etwas zustande zu bringen".



Die SPD-geführten Länder stimmten einem Schnellverfahren für die Gesetzgebung in Bundestag und Bundesrat bis zum 17. Juni zu. Geplant ist eine Atomgesetznovelle, die die künftigen Laufzeiten für alle 17 Reaktoren festlegt. Daneben soll ein weiteres Gesetz die Voraussetzungen für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen.



Für die SPD-Seite sagte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, wenn jemand mit der Erwartung konkreter Beschlüsse zum Energiegipfel im Kanzleramt gekommen wäre, so wäre er enttäuscht worden. Das sei nicht zu erwarten gewesen. Sellering bekräftigte die Forderung der SPD, die acht abgeschalteten Meiler auf Dauer stillzulegen und nicht später als 2021 ganz aus der Atomkraft auszusteigen.



Neue Leitungen und Speicher

Wie teuer die Energiewende für Bürger und Unternehmen wird, ist unklar. Laut "Süddeutscher Zeitung" geht die Regierung von drei Milliarden Euro aus. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach im Deutschlandfunk von einer bis zwei Milliarden Euro pro Jahr. Nach dem Energiegipfel stellte er klar, dass auch diese Zahl spekulativ sei.



Als Kostenfaktor gilt neben den Milliardeninvestitionen in erneuerbare Energien und ins Energiesparen unter anderem der Ausbau des Stromnetzes. Brüderle rechnet mit 3.600 Kilometern neuer Stromleitungen. Die Deutsche Energieagentur setzt dafür bis 2020 rund zehn Milliarden Euro an. Brüderle verwies zudem darauf, dass neue Speichertechnologien benötigt würden. Für die Forschung dazu stelle die Regierung 200 Millionen Euro zur Verfügung.



Auf die Verbraucher könnten zudem steigende Strompreise zukommen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen rechnet nur mit geringen Aufpreisen. Sein Parteikollege Joachim Pfeiffer glaubt dies aber nicht. Allein die neuen Stromleitungen würden bis zu 50 Milliarden Euro kosten, sagte Pfeiffer der "tageszeitung". Der CDU-Politiker verteidigte die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung.



Als Teil der Energiewende will die Regierung die Sanierung alter Gebäude beschleunigen. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir die Sanierungsquote im Gebäudebestand von einem Prozent auf zwei Prozent erhöhen", sagte Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU). Dafür solle das Gebäudesanierungsprogramm schrittweise auf zwei Milliarden Euro erhöht werden. Dena-Chef Stephan Kohler, forderte hingegen 4,5 bis 5 Milliarden Euro für die Gebäudesanierung. Der DGB sprach sich für eine ähnliche Größenordnung aus.



Merkel verwies darauf, dass zunächst Beratungen innerhalb der Bundesregierung anstehen, insbesondere mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).



"Eine Enttäuschung"

Die Ergebnisse des Energiegipfels stießen bei einzelnen Teilnehmern, bei Umweltschützern und in der Ökostrombranche auf Kritik. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) warf der Bundesregierung vor, sich vor einer klaren Aussage zum Atomausstieg zu drücken. Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch meinte: "Der Gipfel war eine einzige Enttäuschung."



Der Bundesverband der Erneuerbaren Energien erklärte, die Regierung habe noch zu wenig über konkrete Maßnahmen gesprochen. Der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland, Olaf Tschimpke, nannte die Regierungspolitik "bestenfalls halbherzig".