Wie der Rapper Kanye West Antisemitismus befeuert

Prominenz und Judenfeindlichkeit in den USA

Antisemitismus breitet sich in den USA in Besorgnis erregendem Tempo aus. Jüdische Organisationen machen dafür Politiker verantwortlich, aber auch Prominente wie den Rapper Kanye West.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Der US-Rapper Kanye West steht wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik / © Lauren Petracca Ipetracca (dpa)
Der US-Rapper Kanye West steht wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik / © Lauren Petracca Ipetracca ( dpa )

Vergangene Woche alarmierte die Bundespolizei FBI die jüdischen Gemeinden von New Jersey. Im Netz hatte die zentrale Sicherheitsbehörde der USA Drohungen gegen die Synagogen des Bundesstaates entdeckt. Seitdem patrouillieren Polizisten vor den Gotteshäusern. Simon Taylor, Rabbiner einer orthodoxen Gemeinde, sieht darin die logische Folge eines alltäglichen Antisemitismus, den er kurz zuvor am eigenen Leib erlebt habe. An einer Tankstelle habe ihn ein Mann mit antisemitischen Tiraden überzogen, nachdem er seine Kippa bemerkte.

So etwas habe er noch nie erlebt, berichtete der Vater von fünf Kindern der "New York Times". Das habe "definitiv etwas mit Kanye West" zu tun, ist sich Taylor sicher. Der schwarze Hip-Hop-Künstler, der sich nach einer angeblichen religiösen Bekehrung zuletzt "Ye" nennt, gilt als eine Ikone des Rap. Der Milliardär versteht zu provozieren; zuletzt durch rassistische und antisemitische Einlassungen.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )

Firmen beenden Zusammenarbeit

Weil ihn Instagram und Twitter vorübergehend sperrten, griff er Juden auf "Parler" an, einem Tummelplatz der Rechten im Netz. Er werde jüdische Geschäftsleute schon dazu bringen, "Verträge fair zu gestalten". Dass er mit dieser Bemerkung ein antisemitisches Stereotyp bediente, will Ye nicht aufgefallen sein. Aus Sicht seiner Sponsoren entschuldigte er sich zu spät und nur halbherzig. Der Sportartikelhersteller adidas will seinen Namen nicht mehr mit West bewerben; auch die Modemarke Balenciaga wies ihm die Tür.

In seiner langen Karriere als Provokateur macht West nun zum ersten Mal Erfahrung mit Konsequenzen und Abstrafung. Frauenfeindlichkeit, schwarzer Selbsthass, die Leugnung der Sklaverei und seine Loblieder auf Donald Trump haben seiner Popularität geschadet. West ist nicht der einzige, wohl aber der einflussreichste Antisemit unter den US-Promis. Basketball-Star Kyrie Irving von den Brooklyn Nets verteidigte einen antisemitischen Film und erhielt dafür Lob von Ye - und die Suspendierung seines Clubs.

"In Krisen suchen alle nach einem Schuldigen"

Wachsender Antisemitismus alarmiert jüdische US-Organisationen schon lange. In Krisen suchten immer alle nach einem Schuldigen, so der Geschäftsführer der jüdischen Anti-Defamation-League (ADL), Jonathan Greenblatt. Diese Rolle habe man Juden schon in der Vergangenheit zugewiesen. Und als wollten Antisemiten den Beweis dafür antreten, hängten sie in Los Angeles über einer Autobahn und in Jacksonville in einem Football-Stadion ein Banner mit der Aufschrift auf: "Kanye sagt die Wahrheit über die Juden".

Antisemitische Töne kommen auch von Ex-Präsident Trump, der Anstalten macht, 2024 noch einmal für das Weiße Haus anzutreten. Er rühmt sich, mehr als jeder andere US-Präsident zuvor etwas für Israel getan zu haben. Juden sollten ihm dankbar dafür sein und ihm ihre Stimme geben, fordert er. Das Stereotyp vom undankbaren Juden taucht wiederholt in seinen öffentlichen Äußerungen auf.

Vorurteile gegen Juden

Juden werden als mächtiger, reicher und schlauer angesehen, so die US-Antisemitismus-Beauftragte Deborah Lipstadt - "aber auf eine bösartige Weise". Selbst unter Mainstream-Republikanern habe die "Rhetorik über Macht von Juden eine alarmierende neue Form" angenommen. In Texas verzichtete erst vor wenigen Tagen ein republikanischer Kandidat auf seinen Wahlkampf-Slogan "Wählt den einzigen Christen". Vorausgegangen war eine Beschwerde seines demokratischen Gegenkandidaten - einem Juden.

Sehr viel bedenklicher sei die Breitenwirkung, die jemand wie Rapper Ye mit seinem Antisemitismus erziele, sorgt sich ADL-Kommunikationsdirektorin Carly Pildis. "Der Mann hat 30 Millionen Fans." Pildis nennt den Anstieg von Antisemitismus in den USA "historisch" und brandgefährlich.

Das sieht auch der demokratische Abgeordnete aus New Jersey so, Josh Gottheimer. Für ihn führt eine gerade Linie von antisemitischen Äußerungen Prominenter wie Kanye West und Kyrie Irving zu der Warnung des FBI an die Synagogen-Gemeinden. "Ich bitte alle darum, wachsam zu bleiben", appelliert er an die Bürger, "und euch umeinander zu kümmern."

Quelle:
KNA