Schwierige Zeiten für Journalismus in Lateinamerika

Wie Corona die Pressefreiheit bedroht

Freier und unabhängiger Journalismus in der Corona-Pandemie wird zu einer echten Herausforderung - gerade in Staaten mit problematischen Regierungen. Das verdeutlicht eine "Reise" durch Lateinamerika.

Autor/in:
Tobias Käufer
Pressefreiheit in Lateinamerika bedroht / © Markus Scholz (dpa)
Pressefreiheit in Lateinamerika bedroht / © Markus Scholz ( dpa )

Als die Corona-Pandemie in Südamerika noch am Anfang stand, hatte Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro nur Hohn und Spott für die Medien übrig. Das Ganze sei doch eher Hysterie und Fantasie von Journalisten, verharmloste er das Problem.

Als ein Foto mit vielen neu ausgehobenen Gräbern den Friedhof der Vila Formosa in Sao Paulo zeigte, fragte Bolsonaro in einem Interview des Radiosenders Jovem Pan nach, ob das möglicherweise ein Fake sei. Die "Washington Post" hatte es am Vortag auf dem Titel veröffentlicht.

Vor wenigen Tagen postete Bolsonaro eine Zeitungsmeldung, die besagte, dass 91 Millionen Brasilianer im April mindestens eine Rechnung nicht bezahlen könnten. "Und die gleiche Presse sagt, bleibt zuhause", kritisierte der Präsident die Medien. Der Vorfall zeigt: Freier und unabhängiger Journalismus in der Corona-Pandemie wird zu einer echten Herausforderung.

Manipulationen an der Tagesordnung

In ganz Lateinamerika gibt es Beispiele, wie rechte oder linke Regierungen Meldungen über die Auswirkungen der Krise oder eben auch alltägliche Probleme unterdrücken oder zu ihren Gunsten manipulieren wollen. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet verurteilte Unterdrückung der Pressefreiheit und Einschüchterung von Journalisten im Zuge von Corona.

Einige Staatsführer hätten Pressevertretern gedroht, um sie an der Arbeit zu hindern, beklagte Bachelet am Freitag. Statt Informationen zu unterdrücken, müssten Staaten in dieser Lage zur Diskussion um bestmögliche Gesundheitsversorgung ermutigen. Es sei "nicht die Zeit, den Boten zu beschuldigen".

Die Kirche in Venezuela kritisierte in der Corona-Krise zuletzt eine systematische Zensur der Medien. Die Mission der Journalisten müsse inmitten von Schwierigkeiten sein, Vermittler der Wahrheit und der Hoffnung sein, schrieben die Bischöfe. Zugleich zeigte sich die Bischofskonferenz solidarisch mit dem Journalisten Darvinson Rojas, der von der Spezialeinheit FAES vorübergehend festgenommen worden war.

Der Polizei habe für die Verhaftung offenbar ein anonymer Hinweis über einen Corona-Fall gereicht, kritisierte sie gemeinsam mit Amnesty International und internationalen Journalistenverbänden. Rojas hatte über nicht offiziell bekannte Corona-Fälle berichtet.

Oppositionsführer Juan Guaido warf der sozialistischen Regierung von Präsident Nicolas Maduro vor, das wahre Ausmaß der Krise zu verheimlichen.

"Absurde Strafen"

Vor gut einer Woche luden Mitarbeiter der kubanischen Staatssicherheit die Journalistin Monica Baro zu einem mehrstündigen Verhör. Die mit dem Preis der "Fundacion Gabo" ausgezeichnete Journalistin hatte in Sozialen Netzwerken über die allgemeine Lage im Land berichtet und musste nun Rechenschaft ablegen.

Wenig später veröffentlichte sie das Strafprotokoll über umgerechnet 110 Euro. Die Stiftung des verstorbenen Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez verurteilte die "absurde Strafe" und forderte Garantien, dass die Journalistin ihre Arbeit fortsetzen könne.

In Bolivien bedrohen derweil die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie das Überleben der Zeitungen. 80 Intellektuelle und Künstler wandten sich mit einem Schreiben an die rechtsgerichtete Übergangspräsidentin Jeanine Anez und forderten ein Sofortprogramm zur Rettung der Presse.

Durch die Corona-Krise seien viele Zeitungshäuser in Schieflage geraten, weil der Straßen- und Anzeigenverkauf eingebrochen sei, heißt es in dem Brief. Die Existenz und das Funktionieren einer freien Presse sei existenziell für die Demokratie. Zuvor hatte bereits die Nationale Pressevereinigung die Regierung um Hilfe gebeten - ohne aber bislang eine Antwort aus La Paz erhalten zu haben.


Quelle:
KNA