Wie bleibt Deutschland mit der Weltkirche im Gespräch?

"Sensibler auf andere hören"

Der Synodale Weg geht mit Reformen der Kirche voran, was zu offenen Konflikten mit dem Vatikan und der Weltkirche führt. Am Sonntag wird der Monat der Weltmission eröffnet. Wie finden wir zusammen, trotz Meinungsverschiedenheiten?

Vierte Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Vierte Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben die Vollversammlung der Bischofskonferenz diese verfolgt. Die Bischöfe sind sich nicht einig, wie es weitergehen soll und welche Rolle Mitbestimmung in der Kirche spielen soll. Pünktlich kam dann noch ein Interview mit Kurienkardinal Koch in die Debatte. Wie schätzen Sie die Chancen für den Synodalen Weg in Zukunft ein?

Thomas Arnold
 / © Dominik Wolf (KNA)
Thomas Arnold / © Dominik Wolf ( KNA )

Dr. Thomas Arnold (Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen): Ich hoffe zutiefst, dass der Synodale Weg von der Synodalität, die weltweit an anderen Orten gelebt wird, lernen und noch mehr mitnehmen kann. Deswegen ganz zuvorderst: Ich wünsche mir gerade jetzt auf den letzten Metern des Synodalen Weges und kurz vor dem Synodalen Ausschuss, dass wir noch mehr international miteinander ins Gespräch kommen, dass wir nicht nur nach Rom schauen. Wenn wir nach Lateinamerika schauen: Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist dort die Kirche in einem Umbruch, sie hat gelernt, ihre Strukturen zu verändern, damit sie wirklich Synodalität leben kann. Und ich denke, wenn wir uns an anderen ein wenig orientieren, lernend wirklich hinhören, dann können wir Synodalität noch mal anders füllen.

DOMRADIO.DE: Trotzdem findet Rom den Deutschen Ansatz nicht nur gut. Deutschland würde Synodalität total falsch verstehen, heißt es da. Es ginge nicht um einen Parlamentarismus, sondern darum, dass man gemeinsam einen Weg gehe.

Arnold: Wir müssen nicht nur auf Mehrheiten schauen, sondern die Frage der Einmütigkeit noch stärker in den Blick nehmen. Wir haben dazu in Leipzig eine Stadt-Synode abgehalten. Es braucht eine Fähigkeit zur Synodalität, die eine spirituelle Haltung ist, die aber auch in der Abwägung der Unterscheidung der Geister eine Ergebnisoffenheit von allen Seiten mitbringt. Und ich will auch ehrlich sagen, ich bin schockiert über die Worte von Kardinal Koch. Und natürlich kann ich mich nur Bischof Bätzing anschließen, da ist jetzt eine öffentliche Entschuldigung notwendig. Aber die eigentliche Frage ist doch, wie wir persönlich wieder miteinander zusammenkommen? Es darf ja nicht dabei stehen bleiben, dass wir gespalten nebeneinander stehen, sondern: Wie können wir versöhnend miteinander nicht nur sprechen, sondern auch miteinander wieder leben?

Thomas Arnold

"Wie können wir persönlich wieder miteinander zusammenkommen? Es darf ja nicht dabei stehen bleiben, dass wir gespalten nebeneinander stehen."

DOMRADIO.DE: Schauen wir einmal auf das auf der Synodalversammlung von den Bischöfen abgelehnte Papier zur neuen Sexualmoral der katholischen Kirche. Geht es da jetzt überhaupt noch gemeinsam weiter?

Arnold: Mir scheint, dass ein Papier, das geschrieben wurde und in der Welt ist, auch wenn es keine Mehrheiten bekommen hat, trotzdem eine Dynamik entwickeln wird, so wie Gedanken in der Welt immer eine Dynamik entwickeln werden. Aber ich würde sagen, wir müssen gerade in der Thematik auch dort noch mal sensibler auf andere Kontinente hören, auf Kirche in anderen Orten hören.. Und wir müssen eine Kultur der Kommunikation einüben, die uns nicht erst bei einer Abstimmung zeigt, was Positionen sind und wo vielleicht noch kein Konsens erzielt oder keine Einmütigkeit erzielt wurde, sondern wir müssen vorher miteinander darüber reden und sagen: Wo kannst du mitgehen und wo nicht? Und wo müssen wir vielleicht noch mal etwas mehr danach suchen?

DOMRADIO.DE: Pfarrer Bingener, Sie sind mit Missio weltweit aktiv. Was hören Sie denn aus den anderen Ländern zum Thema Synodalität und gerade auch zum Umgang damit in der deutschen Kirche?

Pfarrer Dirk Bingener, missio-Präsident / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pfarrer Dirk Bingener, missio-Präsident / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Pfarrer Dirk Bingener (Präsident von Missio Aachen und dem Kindermissionswerk "Die Sternsinger"): Zunächst einmal erfahren wir, dass doch sehr unterschiedliche Dinge unter dem Thema Synodalität gefasst werden. Der eine Begriff wird im Grunde mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen. Deswegen sitzt man ja bei einer Synode lange zusammen, um zunächst einmal zu klären, worüber überhaupt gesprochen wird. Wenn Menschen über Synodalität sprechen aus Asien oder Afrika, dann benennen sie erst mal ihre Fragestellungen, Probleme. Also, da, wo der Schuh drückt. Und das sind natürlich in Asien und Afrika in besonderer Weise die Fragen von Frieden und Krieg, die Frage von Hunger, die Frage von Perspektiven, von Flucht, von Klimawandel.

Das heißt also, es kommt sehr stark darauf an, wofür die Kirche da ist, wo sie den Menschen dienen kann und wie man gemeinsam einen Weg miteinander finden kann. Und die Rückmeldungen auf den Synodalen Weg aus Deutschland sind eben sehr verschieden, je nachdem, wie auch die Informationslage ist. Wenn ich darüber mit Menschen ins Gespräch kommen möchte, dann nenne ich immer die Ausgangsfragen des Synodalen Weges in Deutschland: Wie wollen wir mit dem Thema Missbrauch umgehen? Wie geht es weiter mit der Rolle der Frau? Wie gehen wir mit beispielsweise homosexuellen Menschen um? Das sind ja Fragestellungen, die vielleicht in diesen Ländern stärker tabuisiert sind, die sich aber dennoch stellen. Das heißt, man kommt gut ins Gespräch, wenn man an die Urfragestellungen zurückgeht.

DOMRADIO.DE: Und obwohl die Themen in anderen Ländern vielleicht dann anders gewichtet werden oder auch tabuisiert sind, teilweise, wie Sie gerade gesagt haben, gibt es da trotzdem was, was wir uns in Deutschland abgucken könnten für unseren Synodalen Weg?

Dirk Bingener

"Die Kirche in Asien ist eben anders als in Afrika und in Afrika anders als in Deutschland."

Bingener: Ich glaube sehr stark, dass man auf den jeweiligen Sozialraum schauen sollte, auf die Lebenswirklichkeit der Menschen. Und dort die Praktiker und Praktikerinnen anhören, um dann ein wenig weg von uns selbst zu kommen, hin zu den Problemstellungen. Das würde insgesamt allen sehr gut tun. Das würde ich von der Weltkirche lernen, auf die konkreten Notsituationen zu schauen und dann auch eine Toleranz dafür zu haben, dass eben unterschiedliche Antworten gefunden werden. In den Fragen sind wir uns ähnlich, in den Antworten wird es Unterschiede geben. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Sichtweisen. Die Kirche in Asien ist eben anders als in Afrika und in Afrika anders als in Deutschland.

Das Interview führte Michelle Olion.

Weltmissionssonntag und Monat der Weltmission

Der Weltmissionssonntag ist die größte Solidaritätsaktion der Katholikinnen und Katholiken weltweit. Mehr als 100 päpstliche Missionswerke sammeln an diesem Tag auf allen Kontinenten für die soziale und pastorale Arbeit der Kirche in den 1.100 ärmsten Bistümern der Welt. Die Spenden kommen unter anderem den dort arbeitenden Seelsorgerinnen und Seelsorgern zugute.

Monat der Weltmission 2022 / © Gregor Krumpholz (KNA)
Monat der Weltmission 2022 / © Gregor Krumpholz ( KNA )
Quelle:
DR