Irischer Bischof gegen Politisierung geplanter Synode

"Wenn wir ein Parlament werden, hat es keinen Sinn"

Es ist ein historischer Schritt: Irland plant erstmals eine nationale Synode, um die Krise der katholischen Kirche auf der Insel anzugehen. Dies sei vor allem ein geistiger Prozess und dürfe nicht politisiert werden, findet der Bischof von Derry.

Bischöfe in der Synodenaula / © Paul Haring (KNA)
Bischöfe in der Synodenaula / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Irland plant eine sogenannte "Nationalsynode". Was sind die Gründe dafür?

Bischof Donal McKeown (Bischof von Derry, Nordirland): Ich glaube, wir alle in Irland erkennen - wie in vielen westlichen Ländern -, dass wir einen Erneuerungsprozess in der Kirche brauchen. Krisen und Skandale hat es zwar gegeben. Aber Skandale machen nicht die eigentliche Krise der irischen Kirche aus - oder der ganzen westlichen Kirche, könnte man sagen. Die Frage ist eher, wie man in einer säkularisierten Welt mit einer stark erdgebundenen Weltanschauung missionsorientierte Glaubensgemeinschaften gründen und aufbauen kann. Das ist die Frage, die wir durch eine Synode beantworten müssen. Fragen nach Frauenpriestertum oder verheirateten Priestern haben kaum etwas damit zu tun, wenn wir nicht missionsorientierte Gemeinschaften aufbauen können. Den Klerus zu wechseln hätte keinen Sinn, ohne die Kirche zu ändern.

Ich freue mich auf den Prozess. Es wird schwierig sein. Es wird spannungsvoll sein und nicht einfach. Ich war Gast bei der Synode über die Jugend im Vatikan. Der Ausdruck, der mir in Erinnerung geblieben ist: die missionarische Synodalität der Kirche. Synodalität dient der Mission. Sie ist kein Ziel an und für sich. Wir wollen eine missionsorientierte Kirche in Irland werden. Die Synode gehört zu dem Prozess.

DOMRADIO.DE: Die Kernpunkte dieser Synode werden also  Mission und Neuevangelisierung sein?

McKeown: Sonst gäbe es keinen Zweck für die Kirche. Das ist der einzige Zweck der Kirche. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber bei uns in Irland gibt es viel Selbstmord. Es gibt viele Drogensüchtige, psychische Probleme. Der Konsum ist so erstickend. Das vergiftet so viele junge Leute. Sie brauchen unbedingt gute Nachrichten. Sie brauchen Hoffnung in ihrem Leben. Die Frohe Botschaft Jesu, die Barmherzigkeit Christi - das wollen wir ihnen bieten. Das ist die Mission der Kirche in Irland. Wie können wir eine missionarische Synodalität der Kirche aufbauen? Synodalität ohne Fokus auf Mission hat keinen Sinn. 

DOMRADIO.DE: Wie kann das gelingen?

McKeown: Der Hauptdarsteller in einer Synode ist der Heilige Geist. Ohne Bekehrung aller Teilnehmer gibt es keine Synode, hat der Papst geschrieben, in seinem Buch „Wagen zu träumen“. Wir müssen Platz schaffen für den Heiligen Geist. Wir müssen beten, beten und anbeten, damit wir die Stimme des Geistes spüren können. Gerade in diesen Tagen lernen wir aus der Ostergeschichte, dass die junge Kirche vom Heiligen Geist getrieben wurde: aus einem Gebäude in Jerusalem hinaus in die Stadt. Aus Jerusalem hinaus nach Antiochien, von dort in die Türkei, nach Griechenland, dann nach Rom. Die jungen Christen wurden ständig vom Heiligen Geist in neue Situationen geworfen, ohne dass sie das selbst machen wollten. Das ist das Wichtigste: Der Heilige Geist ist der Hauptdarsteller in diesem Schauspiel. Wir müssen offen sein, damit wir alle die Stimme des Heiligen Geistes hören können. Ich freue mich, obgleich ich alt bin. Ich freue mich auf diesen Weg. Die Kirche ist immer jung und immer neu. Die Kirche wird durch junge Leute, durch starke, feste, im Heiligen Geist gesalbte junge Leute erneuert werden. Darauf freue ich mich.

DOMRADIO.DE: In der deutschen - wie vielleicht auch in der irischen - Gesellschaft wird viel über kirchliche Sexualmoral, über Missbrauch und andere Kirchenkrisen debattiert. Haben Sie das Gefühl, dass die Leute noch bereit sind, der Kirche zuzuhören?

McKeown: Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Wir machen das Beste, was wir machen können: Wir laden Leute ein. Niemand kann gezwungen werden, mit uns zu gehen oder daran teilzunehmen. Viele Leute haben Vertrauen in die Kirche verloren. Das verstehe ich. Aber auf der anderen Seite versuchen wir, konsequent zu agieren. In der Kirchengeschichte haben wir gelernt: Die Kirche ist am stärksten, wenn wir schwach sind. Dann, wenn wir Platz machen für den Heiligen Geist und nicht für unseren Ruhm, unsere Macht, unsere Zukunft. Wir sind stark, wenn wir schwach sind. Das hat der heilige Paulus herausgefunden und das müssen wir auch in Irland lernen. Wir müssen diese Schwäche in der Kirche empfinden, auch bei den Bischöfen, um Platz für den Heiligen Geist zu machen, damit er die Kirche neu aufbauen kann.

DOMRADIO.DE: Was wäre für Sie persönlich ein Wunsch, was aus so einer Synode hervorgehen könnte?

McKeown: Dass wir das Gottesvolk viel besser lehren könnten. Es braucht mehr Selbstvertrauen, wenn es an theologische und moralische Gespräche geht. Wir haben ein wunderbares Gottesvolk hier, das in vielen Fällen der Kirche sehr treu ist. Viele Leute haben Doktorarbeiten geschrieben - Gott weiß worüber – aber sie verstehen ihren Glauben kaum. Dass sie den Glauben besser verstehen könnten, dass sie bessere Einsichten bekommen und auf diese Einsichten vertrauen: Das wäre für mich ein Traum. Wir sind ein Gottesvolk auf dem Weg. Christus ist der Mittelpunkt und wir folgen ihm. Ich freue mich, dass er uns führen wird, wenn wir offen sind.

DOMRADIO.DE: Also es geht viel um Mission, um Neuevangelisierung. Soll die Kirchenpolitik eine Rolle spielen?

McKeown: Wenn wir zu einem Parlament - einem kirchlichen Bundestag - werden, dann hat es keinen Sinn. Dann ist es nicht mehr kirchlich. "Lumen gentium", als Dokument aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil, spricht von Kirche als Geheimnis. Kirche ist keine irdische Organisation, in der es verschiedene Parteien gibt. In der katholischen Theologie müssen wir erkennen, dass es einen Unterschied erkennen zwischen dem ganzen Gottesvolk und der Hierarchie gibt. Beide Rollen ergänzen sich. Wir brauchen kein Parlament, sondern eine Versammlung des Gottesvolkes, die dem Heiligen Geist gegenüber offenbleibt.

Das Interview führte Gerald Mayer.


Quelle:
DR
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