Missbrauchsbetroffene wollen "unbürokratisches Stufenmodell"

Weniger als ein Drittel der Anträge bearbeitet

Missbrauchsbetroffene üben Kritik an dem von der katholischen Kirche in Deutschland praktizierten Verfahren zur Anerkennung erlittenen Leids. Öffentlich bitten sie darum, das aktuelle Verfahren zu stoppen, darunter Patrick Bauer.

Symbolbild leerer Konferenztisch / © peterschreiber.media (shutterstock)
Symbolbild leerer Konferenztisch / © peterschreiber.media ( shutterstock )

In einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Bischöfe und Generalvikare der 27 Bistümer, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, bitten sie darum, das aktuelle Verfahren zu stoppen.

Unterzeichnet ist das Schreiben vom früheren Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats, Patrick Bauer, und von Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim und Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz.

"Das wäre ein großer Schritt aus der aktuellen Krise"

Eine Veränderung könne "ein großer Schritt aus der aktuellen Krise der katholischen Kirche in Deutschland sein", appellieren Bauer und Windel. Konkret regen sie ein "unbürokratisches Stufenmodell" anstelle eines "zeitaufwändigen Verfahrens der Einzelbewertung" an.

Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) mehr Kapazitäten erhält. Damit solle die hohe Zahl von Anträgen beschleunigt bearbeitet werden, hieß es. Bis zum 22. Juni waren demnach insgesamt 1.136 Anträge eingegangen und 142 davon beschieden worden.

Kritische Rückmeldungen

Die Kommission arbeitet seit Jahresbeginn; sie nimmt von kirchlichen Institutionen übersandte Anträge auf entsprechende Leistungen entgegen und entscheidet über deren Höhe. "Seit Monaten" gingen kritische Rückmeldungen von Betroffenen bei ihnen ein, so Bauer und Windel.

Diese seien "gekennzeichnet von Enttäuschung über die Höhe der Anerkennung, von Ärger über die Bearbeitungsdauer und von Frustration über die Art der Kommunikation. Den Betroffenen fehlt es an Empathie seitens der Kirche und an Transparenz und Gerechtigkeit im Anerkennungsverfahren".

Keine einheitlichen Verfahren

Die Kriterien, nach denen die UKA entscheide, würden als zu wenig transparent empfunden, hieß es weiter. Die Verfahren seien nicht bei allen Bistümern und Orden einheitlich. In Einzelfällen werde auch die Beratung als mangelhaft erlebt.

All dies belaste Betroffene enorm. Zudem werde die Zusage, sich an den oberen Grenzen der staatlichen Rechtsprechung für Schmerzensgeld zu orientieren, nach Beobachtung der Betroffenen nicht eingehalten. Die Betroffenen befürchten überdies, dass die geplante Aufstockung der UKA "maximal" zu einer Verdopplung des Bearbeitungstempos führen werde.

Demnach wären bis Jahresende "nicht einmal ein Drittel der vorliegenden Anträge" bearbeitet; über einen heute gestellten Antrag würde in drei Jahren entschieden.


Archivbild von 2019: der Sprecher des Betroffenenbeirats Patrick Bauer (l.) und der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki / © Hirschbeck (Erzbistum Köln)
Archivbild von 2019: der Sprecher des Betroffenenbeirats Patrick Bauer (l.) und der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki / © Hirschbeck ( Erzbistum Köln )
Quelle:
KNA