Welttag der Organspende findet erstmals in Deutschland statt

Leben schenken

Die Statistik ist ernüchternd: Seit Jahren dümpelt die Zahl der Organspenden in Deutschland auf niedrigem Niveau. Mit einer großen Werbe-Aktion will die Deutsche Stiftung Organtransplantation den Trend umkehren. Erstmals finden am Sonntag die zentralen Veranstaltungen zum Welttag und dem Europäische Tag der Organspende in Deutschland statt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

2008 knickte die Statistik sogar deutlich ein. Bundesweit spendeten 1.198 Menschen nach ihrem Tod Organe, 8,8 Prozent weniger als 2007. Die Anzahl der gespendeten Organe verringerte sich von 4.140 auf 3.945. Auf der anderen Seite warten mehr als 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan, pro Tag sterben drei von ihnen.

Vor dem Brandenburger Tor werben nun am Sonntag bekannte Musiker wie John Lee's Barclay James Harvest, Jeanette & Band und Karat dafür, sich mit diesem schwierigen Thema auseinanderzusetzen. Das Motto: "You have the power to donate life - be an organ donor" (Du hast die Kraft, Leben zu schenken - sei Organspender). Zugleich startet ein internationaler medizinischer Kongress.

Reform des seit 1997 geltenden Transplantationsgesetzes?
Die Statistik hat auch im politischen Raum für Bewegung gesorgt. So hat sich die FDP im Sommer für eine Reform des seit 1997 geltenden Transplantationsgesetzes stark gemacht. Sie fordert die Abkehr von der geltenden Zustimmungsregelung hin zu einer Widerspruchsregelung:  Organentnahmen sollten nicht länger von der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen zu Lebzeiten oder seiner Angehörigen abhängig sein. Sie sollen immer dann möglich sein, wenn kein Widerspruch vorliegt. Zudem forderten die Liberalen, freiwillige Lebendspenden zu erleichtern. Ihr Antrag wurde im Parlament abgelehnt. Wiedervorlage ist möglich.

Der neue Bundestag muss sich auch deshalb mit dem Thema befassen, weil dem Gesundheitsausschuss ein 778 Seiten starker "Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin in Deutschland" vorliegt. Er wurde vom Berliner Forschungsinstitut IGES im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellt und enthält die Bilanz der wichtigsten Akteure, darunter Ärztekammern, Krankenkassen, Selbsthilfeverbände, Gesundheitsministerien und 18 der 27 Transplantationszentren.

Das Wissen zum Thema Organspende ist gering
Ein ernüchterndes Fazit zieht der Bericht über die Aufklärung der Bevölkerung. Das Wissen zum Thema Organspende sei gering, heißt es. Es fehle eine bundesweite und einheitliche Kommunikationsstrategie. Dazu passt, dass lediglich 14 bis 16 Prozent der Bürger einen Organspendeausweis ausgefüllt haben. In den Familien werde über das Thema zu wenig gesprochen, heißt es in dem Bericht. In zunehmendem Maße begegne den Transplantationsmedizinern dass Problem, dass den Angehörigen ein Wille des möglichen Spenders nicht bekannt sei. "Die Entscheidung beruht immer häufiger auf den Wertvorstellungen der Angehörigen. 2007 musste knapp ein Drittel von ihnen nach eigenen Vorstellung entscheiden, im Jahr 2000 war dies nur zu 9 Prozent der Fall", heißt es.

Auch die Ärzte selber wissen zu wenig, wie eine kürzlich veröffentlichte Emnid-Umfrage ergab. Danach beklagen 71 Prozent der niedergelassenen Mediziner, dass die Ärzteschaft selbst nicht ausreichend informiert sei. Über die Hälfte glaubt zudem fälschlicherweise, dass es in der Bevölkerung eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber Organspende gibt. Nur elf Prozent sprechen ihre Patienten häufig auf das Thema Organspende an, 61 Prozent nur in Einzelfällen und 28 Prozent überhaupt nicht.

Deutschland lasse ein riesiges Potenzial ungenutzt, kritisiert der medizinische DSO-Vorstandsvorsitzende Günter Kirste. Er fordert eine engere und flächendeckende Zusammenarbeit zwischen DSO-Koordinatoren, Transplantationsbeauftragten und den Kliniken. Das deutsche System sei schlecht strukturiert, deshalb würden viele Spender gar nicht erst erkannt. Ansetzen will die DSO vor allem bei den Krankenhäusern: Sie müssten verpflichtet werden, mögliche Organspender zu melden, und sollten andernfalls finanziell bestraft werden. "Manche Universitätskliniken melden zehnmal mehr Organe als andere", sagt Kirste.