Weltsynode geht mit Aufruf zur Kontroverse in zweite Woche

Gesucht: Kirche, die offen streitet und niemanden ausschließt

"Wir fürchten uns nicht vor Spannungen - sie sind Teil des Prozesses." Mit diesen Worten eröffnete Kardinal Hollerich am Montag die zweite Woche der Weltsynode. Und noch eine Stimme lud zu offenen Kontroversen ein.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Teilnehmer bei der Weltsynode, darunter Luis Marin de San Martin (v.l.n.r.); Jean-Claude Hollerich und Kardinal Mario Grech. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Teilnehmer bei der Weltsynode, darunter Luis Marin de San Martin (v.l.n.r.); Jean-Claude Hollerich und Kardinal Mario Grech. / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Mit inhaltlichen Impulsen und der Einladung zu offenen Auseinandersetzungen ist die Weltsynode in ihre zweite Beratungswoche gestartet. Der Inhalte-Koordinator der Versammlung, der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, griff zur Einführung den Wunsch von Papst Franziskus auf, dass die katholische Kirche niemanden ausschließen dürfe.

Alle Menschen sind eingeladen

Der sogenannte Generalrelator der Synode sagte: "Alle sind eingeladen, Teil der Kirche zu sein." Jesus habe die Gemeinschaft mit seinem Vater auf alle Menschen ausgedehnt. "Sind wir bereit, das Gleiche zu tun? Sind wir bereit, dies mit Gruppen zu tun, die uns irritieren könnten, weil ihre Art zu sein unsere Identität zu bedrohen scheint?", fragte Hollerich und ergänzte: "Wenn wir wie Jesus handeln, werden wir Gottes Liebe zur Welt bezeugen. Wenn wir das nicht tun, sehen wir aus wie ein identitärer Verein." Das müsse auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit anderen christlichen Glaubensgemeinschaften haben.

Hollerich führte aus: "Wie können wir unseren Glauben tief in unserer eigenen Kultur leben, ohne Menschen aus anderen Kulturen auszuschließen? Wie können wir uns gemeinsam mit Frauen und Männern anderer Glaubenstraditionen für Gerechtigkeit, Frieden und integrale Ökologie einsetzen?"

"Eine Gemeinschaft, die ausstrahlt"

Die zweite Arbeitseinheit der Weltsynode steht unter dem Thema: "Eine Gemeinschaft, die ausstrahlt." Die Auftaktsitzung des Moduls wurde, anders als die Debatten in den Kleingruppen, von den Vatikan-Medien live übertragen. Überschattet wurde der Beginn der zweiten Beratungswoche von den Nachrichten über den Krieg im Heiligen Land sowie von Mitteilungen über mehrere Corona-Infektionen unter den Synodenteilnehmern.

Als zweiter Redner gab der Dominikaner Timothy Radcliffe inhaltliche Impulse. Er appellierte an die Synodenmitglieder, sich ein Vorbild an der «sehr persönlichen und harten Meinungsverschiedenheit zwischen Paulus und Petrus» zu nehmen. Die beiden Gründungsfiguren der Kirche hatten vor etwa 2.000 Jahren über die Frage gestritten, ob die Botschaft von Jesus Christus nur für das Volk Israel oder für alle Völker bestimmt war. Letzterer Standpunkt, der des Paulus, setzte sich beim sogenannten Apostelkonzil im ersten Jahrhundert durch.

Von Intrigen getragene Konfliktkultur

"Der Heilige Stuhl ist auf dieser leidenschaftlichen, zornigen, aber realen Begegnung gegründet", erklärte Radcliffe und kritisierte die heutige, von Intrigen getragene vatikanische Konfliktkultur: "Die Leute, die Paulus nicht leiden konnte, waren die heimlichen Spione, die tratschten und heimlich arbeiteten, die in den Korridoren flüsterten und mit einem hinterlistigen Lächeln verbargen, wer sie waren."

Radcliffe sprach sich für einen offenen Meinungsaustausch aus und plädierte für eine Kirche, die niemanden ausschließt. Er erklärte: "So viele Menschen fühlen sich in unserer Kirche ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt, weil wir ihnen abstrakte Etiketten aufgedrückt haben." Als Beispiel nannte er Geschiedene und Wiederverheiratete sowie Homosexuelle. Der Dominikaner warb dafür, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten in der Kirche vielleicht mit Wut, aber ohne Hass begegnen sollten. Er rief die Synodalen auf, "Verkleidungen und Masken" abzunehmen, "damit wir ins Licht treten können".

Auch Nichtgeweihte nehmen Teil

Die Versammlung der Weltsynode hat am 4. Oktober begonnen und endet mit einem feierlichen Gottesdienst am 29. Oktober. Es ist die erste Bischofssynode in der Geschichte der katholischen Kirche, an der auch nicht geweihte Männer und Frauen teilnehmen. Eine zweite und finale Beratungsrunde ist für Oktober 2024 geplant.

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA