Weltberühmte Knabenchöre waren bei der Feier zum 800-jährigen Bestehen der Thomaner

Auch die Domspatzen sangen mit

Optisch unterschiedlich, aber im Gesang vereint: In Eaton-Suit, Anzug und Kieler Bluse traten die berühmtesten Knabenchöre der Welt am Samstag zum Abschluss der Feierlichkeiten anlässlich 800 Jahren Thomanerchor in Leipzig auf.

Autor/in:
Stephanie Höppner
 (DR)

Eine Jungsclique von 18- und 19-Jährigen lehnt lässig am Geländer. Die warme Frühlingssonne scheint auf die müden Gesichter, verstohlen führt einer eine Zigarette zum Mund. Die Hemden stehen offen, die Sackoärmel sind hochgekrempelt, die Haare verstrubbelt. Noch deutet nichts daraufhin, dass sie in wenigen Stunden im sogenannten Eton Suit, einem traditionellen Anzug aus schwarzer Jacke und weißem Hemd, als Choir of King"s College Cambridge geschlossen in die Thomaskirche in Leipzig einmarschieren und vor mehreren hundert Besuchern "Illuminare Jerusalem" singen werden.



Zum Abschluss der Festwoche zum 800-jähigen Bestehen des Leipziger Thomanerchors gaben sich am Samstag die großen Knabenchöre dieser Welt ein Stelldichein: Neben dem britischen Chor traten auch der Dresdner Kreuzchor, die Regensburger Domspatzen und natürlich der Thomanerchor auf. Krönender Abschluss der Motette war ein gemeinsam gesungenes Werk, die italienische Laude "Alta trinità beata". Rund 250 Knaben- und Männerstimmen waren dabei zu hören. Es war das erste Mal, dass die Chöre in dieser Formation zusammen sangen.



"Wir freuen uns wirklich sehr, hier zu sein", sagte stellvertretend einer der englischen Jungs. Am Freitagabend waren sie in Leipzig eingetroffen. Nach einer Nacht im Hostel ging es für sie direkt zur Probe in die Thomaskirche. "Den großen Unterschied zwischen uns und den Thomanern sieht man gleich", meint ein anderer und ergänzt: "Sie sind deutlich jünger." Während die Leipziger Chorknaben bereits in der 4. Klasse anfangen und spätestens mit bestandenem Abitur wieder austreten, ist der englische Chor auch mit Männerstimmen von 18- bis 22-Jährigen besetzt, die ihrem zeitaufwändigen Hobby neben ihrem Alltag als Student nachgehen.



"Ich glaube, es ist gut, die Tradition der anderen Chöre mal richtig mitzubekommen", sagt Leiter Stephen Cleobury. Wie die Thomaner kann auch der Choir of King"s College Cambridge auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken. 1441 von König Heinrich VI., dem Gründer des King"s College, ins Leben gerufen, ist er heute vor allem für seine Auftritte an Heiligabend bekannt, die von dem britischen Sender BBC übertragen werden.



Als vor dem eigentlichen Auftritt die Probe in der Kirche beginnt, steht der Choir of King"s College Cambridge vor dem Altar, die anderen Chöre haben sich auf der Empore formiert. Neben Thomaskantor Georg Christoph Biller hat sich ein Thomaner postiert. Mit einem Mikro in der Hand übersetzt der zweisprachig aufgewachsene Junge Wort für Wort die Anweisungen des Chorleiters ins Englische. Immer wieder wird neu angesetzt. "Das ist schön", ruft der Leiter der Dresdner Kreuzchores, Roderich Kreile, von unten Richtung Biller, der ein skeptisches Gesicht aufgesetzt hat. "Ich glaube nicht, dass man das besser hinkriegt", meint Kreile.



Während sich die Domspatzen und der Choir of King"s College Cambridge nur alle paar Jahre mit den Thomanern treffen, verbindet die Dresdner und Leipziger eine lockere Freundschaft, die über das Singen hinaus geht. Einmal im Jahr treffen sich die Chorknaben sogar zum gemeinsamen Fußballturnier. "Das ist ein freundschaftliches Konkurrenzverhältnis", kommentiert Kreile die Beziehung der Chöre untereinander.



Auch für die Regensburger Domspatzen ist Leipzig trotz der weiten Entfernung bereits ganz nah. "Wir haben alle den Film gesehen", erzählt einer der Jungs nach der Probe. "Es war super interessant zu sehen, wie die so leben". Der knapp zweistündige Dokumentar-Film der Regisseure Paul Smaczny und Günter Atteln ist zum 800-jährigen Bestehen des Chors in diesem Jahr entstanden und kam vor knapp einem Monat bundesweit in die Kinos. Zwar wurde über die Regensburger Domspatzen, die mit ihrer Gründung 975 die längste Historie vorzuweisen haben und UNICEF-Botschafter sind, auch eine Reportage gedreht. "Aber die war nicht so spannend", meint einer der Knaben.