Weitere Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Bischof von Creteil

"Dass er so lügen konnte"

In Frankreich gibt es fünf neue Berichte über mögliche Missbrauchsfälle des emeritierten und vom Vatikan sanktionierten Bischofs Michel Santier. Weitere Personen hätten sich wegen "undenkbarer Taten" gemeldet, heißt es.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Pileolus eines Bischofs / © Antonio Gravante (shutterstock)
Pileolus eines Bischofs / © Antonio Gravante ( shutterstock )

Diese soll Santier begangen habe, als sie junge Erwachsene waren, wie der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, laut französischen Medienberichten vom Freitag mitteilte. Die Staatsanwaltschaft sei informiert.

Mehrere weitere Bischöfe äußerten sich empört und entsetzt. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims, kündigte für die Vollversammlung im November weitere Beratungen über Transparenz und Klarheit der Verfahren an.

Leiter der "Schule des Glaubens"

Die Vorwürfe beziehen sich auf die 90er Jahre, als Santier als Priester des Bistums Coutances in der Region Manche in der Normandie die sogenannte "Schule des Glaubens" für junge Erwachsene leitete.

Diese wurde 1989 von zwölf westfranzösischen Bischöfen gegründet und nahm in den ersten zwei Jahrzehnten ihres Bestehens etwa 300 junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren auf.

Als Schulleiter hatte Santier seine geistlichen Autorität missbraucht und das Beichtsakrament für "Voyeurismus" instrumentalisiert. So hatte er zwei junge Männer dazu gebracht, sich vor ihm auszuziehen, wie das Bistum Coutances und Avranches vor einer Woche mitteilte.

Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz (KNA)
Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz ( KNA )

Nach diesen Enthüllungen hätten sich nun weitere Opfer gemeldet, hieß es.

Santier selbst hatte die ersten Vorwürfe bereits Ende 2019 eingeräumt. Doch er schwieg öffentlich, auch über seine gesundheitsbedingte Auszeit im Sommer 2020 und seinen Amtsverzicht im Januar 2021 hinaus, wohl um weitere mögliche Opfer nicht zu weiteren Anzeigen zu ermuntern. Santier wurde im Januar 2021 vorzeitig als Bischof von Creteil emeritiert und nach einer kircheninternen Untersuchung vom Vatikan mit Strafmaßnahmen belegt. Er lebt seither zurückgezogen als Seelsorger für eine Schwesterngemeinschaft und für pensionierte Priester.

An der Wahrheitsfindung mitarbeiten

Der Erzbischof von Rouen sagte der Zeitung "La Croix" (online), er habe am Donnerstag als Leiter der betroffenen Kirchenprovinz mit Santier gesprochen und ihn über die neuen Entwicklungen informiert. Er habe den 75-Jährigen aufgefordert, nun "so weit wie möglich" an der Wahrheitsfindung mitzuarbeiten.

 Dominique Lebrun, Erzbischof von Rouen / © Michael Bunel (KNA)
Dominique Lebrun, Erzbischof von Rouen / © Michael Bunel ( KNA )

Den Opfern drückte Lebrun sein Mitgefühl und seine Wut angesichts "unvorstellbarer Tatsachen" aus. Ihre Wünsche nach Diskretion sollten respektiert werden. Zu Vorwürfen mangelnder Transparenz des Verfahrens gegen Santier sagte der Erzbischof: "Kommunikation ist eines der Hauptfächer, die die Bischofskonferenz seit mehreren Jahren studiert." Die Arbeit daran sei eine langfristige. Lebrun erklärte, er selbst sei persönlich "entschlossen zu kommunizieren"; dabei werde er die Wünsche der Opfer berücksichtigen.

Mehrere französische Bischöfe äußerten sich in einer anonymen Befragung von "La Croix" (online Freitag) empört und entsetzt über die Vorwürfe. Einer sagte, er fühle sich belogen und betrogen. Solche Fälle schadeten nicht nur massiv der Glaubwürdigkeit der Kirche, sondern auch der Botschaft des Evangeliums.

Bischöfe zeigen sich ratlos

Ratlos zeigten sich befragte Bischöfe über das Schweigen Santiers.

Französische Bischöfe / © Valentine Chapuis (dpa)
Französische Bischöfe / © Valentine Chapuis ( dpa )

Man habe von seiner angeschlagenen Gesundheit gewusst, die als Begründung für seine vorzeitige Demission gegeben wurde. Doch auch im persönlichen Gespräch habe Santier nichts von den weiteren Hintergründen durchblicken lassen. "Dass er so lügen konnte, ist nicht das Gesicht, das ich von ihm kannte", wird einer zitiert.

Ein weiterer ließ laut der Zeitung durchblicken, dass im Zuge der Veröffentlichung des großen Missbrauchsberichts der Ciase-Kommission im Herbst 2021 die Namen dreier emeritierter Bischöfe zirkuliert seien, die sich "Sorgen" machen müssten; einer davon sei Santier gewesen. Ein anderer Befragter sprach von nur einem Namen; und zwar nicht der Santiers.

Französische Bischofskonferenz

Die Französische Bischofskonferenz entstand aus der ehemaligen Versammlung der Kardinäle und Erzbischöfe von Frankreich (1945–1966) und ist seit 1966 die ständige Bischofskonferenz aller Bischöfe der römisch-katholischen Kirche in Frankreich. Sie ist Mitglied im Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und ist in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) vertreten.

Französische Bischöfe / © Valentine Chapuis (dpa)
Französische Bischöfe / © Valentine Chapuis ( dpa )
Quelle:
KNA