Weihbischof Jaschke zum 200. Geburtstag des britischen Naturforschers Charles Darwin

"Einen kreativen Dialog führen"

Rund um den 200. Geburtstag des britischen Naturforschers Charles Darwin am Donnerstag befürchten manche Kirchenleute atheistische Polemik. Dabei sei es längst kirchlich anerkannt, dass christlicher Glaube und Evolutionstheorie nicht im Widerspruch stünden, sagt der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Mit Kritikern sollte man einen "kreativen Dialog" führen.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke (KNA)
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke / ( KNA )

KNA: Herr Weihbischof, muss sich die Kirche angesichts des 200.
Geburtstags von Charles Darwin auf Gegenwind gefasst machen?
Jaschke: Wir müssen uns als Theologen und Kirche wohl rüsten, aber im guten Sinne. Wir sollten nicht Darwin bekämpfen. Vielmehr sollten wir das, was er richtig erkannt hat, aufnehmen und verbinden mit unserer biblischen Gottesgewissheit. Es führt zu nichts, nach Lücken in Darwins System zu suchen, in denen wir doch wieder den lieben Gott sehen wollen. Das wird ein "Lückenbüßer-Gott", der verschwinden muss, wenn man ihn nicht mehr braucht im Rahmen der Naturwissenschaften.

KNA: Also liegt die Kirche heute ganz auf Darwin-Linie?
Jaschke: Wir müssen in einen kreativen Dialog mit dem Darwinismus eintreten, aber auch sehr klar sagen: Darwinismus ist dann zurückzuweisen, wenn mit seinen Erkenntnissen versucht wird, ein Gesamtsystem zu entwickeln, bei dem Gott keine Rolle mehr spielen kann. Das wäre ein falscher Darwinismus, eine Ideologie.

KNA: Worin bestehen denn Darwins große Verdienste?
Jaschke: Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Entwicklung der Arten, die Bedeutung von Selektion und Mutation, den großen Zusammenhang des Lebens, das sind geniale Ideen, die einleuchten und mit der biblischen Schöpfungserfahrung zusammen gehen. Leider ist es zu Darwins Lebzeiten zur Konfrontation mit Kirchenleuten gekommen, die seine Lehren verurteilten. Umgekehrt meinten die Darwinisten, sie könnten ein geschlossenes System entwickeln und damit Glauben überflüssig machen. Hier handelt es sich um unberechtigte Widersprüche.

KNA: Biblische Schöpfungsgeschichte und Darwins Theorie werden ja gerne in Widerstreit gestellt. Darf ein Christ an die Evolutionslehre glauben?
Jaschke: Der gläubige Christ kann doch nicht an der Evolution vorbeigehen. Schon die Menschen im Alten Testament wussten, dass die Welt auf ganz eigene Weise von Gott erschaffen wurde, aber natürlich nicht im wörtlichen Sinne so, wie in den ersten beiden Kapiteln der Bibel beschrieben. Wenn es heißt, die Welt sei in sieben Tagen entstanden, dann wird damit auf den Rhythmus der Siebentagewoche angespielt. Wir müssen die Bilder richtig verstehen, damit sie ihren schönen Sinn und ihre Aussagekraft entfalten können.

KNA: Gerade hier greift der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins die Kirche in seinem Buch "Der Gotteswahn" heftig an...
Jaschke: Dawkins erfordert eine faire, aber auch eine offensive Diskussion. Er sagt zu Recht, dass die Evolution eine Tatsache ist, die zu bestreiten völlig unberechtigt wäre. Aber das haben wir nun wirklich seit geraumer Zeit gelernt. Und auch schon die Alten in der Antike und im Mittelalter waren nicht dumm.

Zu Recht wendet er sich gegen Fundamentalisten, die hinter die Einsichten von Wissenschaft zurückgehen wollen. Aber Dawkins hat nicht Recht, wenn er damit die Religion als Ganze bestreiten will.
Natürlich ist der Mensch aus Entwicklungsprozessen entstanden: Unser Genom ist zu über 90 Prozent identisch mit dem der Taufliege.
Trotzdem: Diese paar Prozent, die uns ausmachen, regen uns an, über den eigenen Ursprung nachzudenken, nach dem "warum" zu fragen, und das ist der Ort der Religion.

KNA: Schließen die Frage nach dem Wie und dem Warum einander aus?
Jaschke: Ein Mensch wäre doch armselig, wenn er nur in einem biologistischen, evolutionären Denken aufgehen und keine weiteren Fragen mehr stellen würde. Dawkins kann uns erklären, wie die Welt entstanden ist. Aber die Frage, warum das Ganze seinen Lauf nimmt, warum gerade ich liebe, lebe, leide, bleibt für ihn unerlaubt, ohne jede Aussicht auf Antwort. Wenn er in einem Rundumschlag die Sünden der Kirche aufzählt und sagt, sie habe die Menschen krank gemacht, hat das nichts mehr mit Naturwissenschaft zu tun. Man kann sicher über manches Kapitel der Kirchengeschichte streiten; sie aber pauschal als "schwarze Geschichte" zu sehen, ist falsch und unredlich. Die Kirche hat immer auch eine lichtvolle Geschichte in den zwei Jahrtausenden des Abendlandes, die von vielen Männern und Frauen, von Kleinen und Großen geprägt ist.