KNA: Herr Weihbischof, in der Union bilden sich derzeit neue katholische Arbeitskreise. Wie bewerten Sie die Gründung solcher konfessioneller Gruppierungen?
Jaschke: Die CDU wollte immer eine breite Volkspartei sein, offen auch für Menschen ohne eine enge kirchliche und christliche Bindung, aber natürlich immer mit positiver Sicht für die Werte und die Kultur unserer Geschichte. Der Vorteil einer Volkspartei ist, dass sie viele Elemente integriert, aber das funktioniert nur mit einem klaren Profil. Dazu können Arbeitskreise beitragen.
KNA: Wie definieren Sie das klassische Profil der Union?
Jaschke: Es hat die drei bekannten Wurzeln: das christliche Menschenbild und die großen Werte unserer Tradition, die Verpflichtung zu sozialer Verantwortung und die freiheitliche Wurzel, also die Prinzipien der christlichen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik. So ist die CDU nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst als eine Partei entstanden, die katholische und evangelische Christen zusammenführt. Zunächst waren die Katholiken eher dominierend, aber die Protestanten haben sich durch ihren Evangelischen Arbeitskreis von vorne herein profiliert und ein evangelisches Selbstbewusstsein in der CDU wach gehalten.
KNA: Den Initiatoren der neuen Arbeitskreise fehlt es in der Union an «katholischer Klarheit», was sie auch an der protestantischen Parteivorsitzenden festmachen. Eine berechtigte Kritik?
Jaschke: Vielleicht ist die CDU mit Angela Merkel an der Spitze stärker konfessionell evangelisch definiert, aber doch nie konfessionalistisch und erst recht nicht antikatholisch. Eine Parteivorsitzende muss die gesamte Partei im Blick haben und als Ganzes zusammenbringen. Und in der Programmdiskussion der Union will die Kanzlerin die drei Wurzeln offensiv und für die heutige Zeit diskutiert sehen.
KNA: Was erwarten Sie konkret von einem katholischen Arbeitskreis, der ja in dieser Form keinerlei parlamentarisches oder parteiinternes Mandat hat?
Jaschke: Die Mitglieder sollen christliche Grundanliegen zur Geltung bringen, aus denen dann eine Partei wie die CDU in der Politik die Münze des Alltags macht. Zu diesen Fragen zählen die Menschenwürde, der Schutz des Lebens am Anfang und am Ende, die Themen von Ehe und Familie, eine verantwortliche Sozialpolitik, die Sorge für Entwicklung und Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Hier können die Arbeitskreise zu einer christlichen und kirchlichen Profilierung beitragen.
KNA: Meistens besteht doch in diesen Fragen zwischen Katholiken und Protestanten Einigkeit...
Jaschke: Aber etwa in der Frage der Stammzellnutzung haben wir gesehen, dass es auch ein mühsames Ringen zwischen Katholiken und Protestanten gibt. Die Kirchen waren sich anfangs einig, was den Stichtag für die Nutzung von Stammzellenlinien betraf. Dann hat es aber einen Dissens gegeben, als der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Wolfgang Huber, mit der Forderung nach einer Verschiebung des Stichtags aus der Einigkeit herausgetreten ist.
KNA: Am Samstag soll in München ein eigener Arbeitskreis «ChristSoziale Katholiken in der CSU» gegründet werden. Wie bewerten Sie diese Abspaltung?
Jaschke: Die CSU ist in Bayern etwas ganz Eigenes. Es gab lange eine sehr starke Identität von Partei und politischem Bewusstsein im Land. Das schmilzt, und ich verstehe, dass die CSU neue Kraft gewinnen will. Dazu muss auch die kirchliche Verortung gehören. Ein Bayern, das sein Christentum nicht offensiv und zugleich mit bayerischer Liberalität wahrnimmt, das die christlichen Grundanliegen nicht zum Thema macht, würde sich untreu werden.
KNA: Wie verschaffen sich Protestanten und Katholiken in anderen Parteien Gehör?
Jaschke: Ich bin froh, dass Christen in der SPD ihr Wort machen und Politik gestalten. Seit dem Godesberger Programm von 1957 sind besonders auch die Katholiken in der SPD zu Haus. Auch die FDP öffnet sich uns Christen. Und die Grünen haben in den letzten Jahrzehnten vielfach christliche Anliegen zum Thema gemacht. Das ist gut so.
IntervieW: Sabine Kleyboldt
Weihbischof Jaschke über katholische Arbeitskreise in der Union
"Zur christlichen Profilierung beitragen"
Seit November gibt es den "Arbeitskreis Engagierter Katholiken" (AEK) in der Union. Am Samstag soll sein bayrisches Pendant gegründet werden, die "ChristSozialen Katholiken in der CSU" (CSK). Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke äußert sich im Interview über den Sinn solcher Arbeitskreise, eine Protestantin als Parteivorsitzende und die Profilsuche der Volksparteien.
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