Weihbischof Grave besucht Nokia - Brief der Essener Bischöfe an der Konzern

"Dies ist die Stunde der Solidarität"

Der Weihbischof des Bistums Essen, Franz Grave, hat am Dienstag das Streikcamp am Nokia-Werk in Bochum besucht und den Beschäftigten seine Solidarität bekundet. Begleitet wurde er dabei von der IG-Metall-Bevollmächtigten in Bochum und dem Generalsekretär des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes. Im domradio Interview zeigte sich Weihbischof Grave betroffen. "Das Gespräch mit den Menschen, den unmittelbar Betroffenen, das nimmt einen schon mit", so Grave.

 (DR)

Den Menschen gehe es um das Gespräch. Es sei nicht die Stunde der Resignation sondern der Solidarität, hätten die Menschen gegenüber dem Weihbischof betont.

In einer Rede vor der Belegschaft versprach der Grave, die Kirche wolle in Gesprächen mit allen Parteien ausloten, "was wir aus der Situation herausholen können". Nach seiner Ansprache sprach er einen Brief der Essener Bischöfe und des Unternehmerkreises an das Nokia-Management an, in dem sie noch einmal an die Dialogbereitschaft der Unternehmensleitung appellieren wollten.

Darin weisen die Bischöfe auf die Besonnenheit der Betriebsräte hin, die ohne "Hass- und Kampfparolen" und ohne "revolutionäre Aufgebrachtheit" auf die angekündigte Schließung des Nokia-Standorts Bochum reagiert hätten. Diese Haltung spreche für die "Qualität der Belegschaft". Deren Wunsch nach konstruktiven Gesprächen müsse nun von der Leitung erwidert werden.

In dem Schreiben weist die Kirche laut Grave auch darauf hin, dass Nokia einen enormen Image-Schaden erlitten habe. Weiter betonte der Weihbischof, dass die "Knall auf Fall" erfolgte Kündigung der Mitarbeiter nicht auf zwingenden wirtschaftlichen Gründen beruhe. Es gebe keine Ertragsrückgänge oder standortbedingten Probleme, sondern lediglich eine Zuspitzung auf rein ökonomische Werte. Grave wandte sich dagegen, dass der Mensch dem Gewinn und Kapital untergeordnet werde.

Unternehmen sind kein Wanderzirkus
Bundestagspräsident Norbert Lammert forderte vor den rund 200 Nokia Beschäftigten: "Unternehmen dürfen sich nicht wie ein Wanderzirkus benehmen" Die Entscheidung zur Aufgabe des Standortes sei nicht nur unbegreiflich, sie müsse auch korrigiert werden.

Im Kampf gegen die Schließung des Nokia-Werks in Bochum wollen nun offenbar auch andere europäische Standorte des finnischen Handyherstellers gegen die geplante Stilllegung mobil machen. Am Mittwoch wollen sich in Brüssel die Betriebsräte der europäischen Nokia-Werke treffen, um das weitere Vorgehen zu beraten, sagte der Generalsekretär des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB), Peter Scherrer, am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Dabei soll auch über Streiks an den verschiedenen Standorten gesprochen werden. Unterdessen halten die Spekulationen über mögliche Zukunftsszenarien für Nokia in Bochum an.

Konzern hält an der Schließung fest
Der Konzern hält indes an der umstrittenen Schließung seines Bochumer Werks mit rund 2300 Mitarbeitern fest. Der Vorstand sehe auch nach dem Krisentreffen mit Vertretern der nordrhein-westfälischen Landesregierung am Montag keinen Grund, seine Entscheidung zu revidieren, berichtet die "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe). Sie zitiert Konzern-Sprecherin Arja Suominen mit den Worten: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir zu neuen Erkenntnissen kommen, die uns von unserer Entscheidung abbringen." Suominen betonte allerdings, dass Nokia mit Bund und Land an innovativen Lösungen zur Unterstützung des Region Bochum arbeitet.

Eine solche Lösung könnte offenbar die Herstellung von Prototypen-Handys sein. Nach Informationen der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe) wird darüber diskutiert, ob in Bochum eine Testlinie aufrecht erhalten werden kann, an der bis zu 100 Nokia-Beschäftigte die Montage neuer Nokia-Modelle prüfen sollen. Diese Testlinie solle Gesprächsgegenstand des Arbeitskreises sein, in dem Mitglieder der Landesregierung und das Management des Handyherstellers nach Lösungen für die Mitarbeiter des Bochumer Werkes suchen wollen.

Kaufinteressenten für einzelne Sparten
"Die Welt" berichtet unterdessen, dass es Interessenten für einzelne Geschäftssparten von Nokia in Bochum gäbe. Es hätten sich bereits erste Interessenten gemeldet. "Wir sollen zerlegt werden", zitiert das Blatt einen Nokia-Betriebsrat. Demnach werde nicht nur über den Verkauf der Sparte mit der Produktion von Autozubehör verhandelt, sondern noch über weitere Bereiche. Der finnisch-indische Konzern Saskan soll bereits Interesse am Software-Bereich "Core Software" mit rund 150 Beschäftigten bekundet haben. Die Autozuliefersparte soll an den bisherigen Chef des Bereichs, Razvan Olosu, und den Düsseldorfer Finanzinvestor Equitiy Partners gehen.

Vor zwei Wochen hatte Nokia mitgeteilt, seine Handyproduktion in Deutschland einzustellen und den Standort Bochum bis Mitte 2008 zu schließen. Dies sorgte für massive Proteste in der Öffentlichkeit. Rund 2300 Nokia-Beschäftigte sind betroffen, zudem sind bis zu 2000 Stellen bei Zulieferern und Leiharbeitern in Gefahr.