Immer wieder bestätigten ihm Soldaten, wie wichtig der Beistand und die Gespräche mit Militärgeistlichen seien, betont der SPD-Politiker in seinem Jahresbericht 2009, den er am Dienstag (16.03.2010) in Berlin vorstellt.
Robbe verweist ausdrücklich darauf, wie wichtig die Unabhängigkeit der Geistlichen von der militärischen Befehlskette sei. Die Seelsorger hätten eine besondere Vertrauenswürdigkeit "in der Truppe"; sie betrachteten das "Innenleben" der Streitkräfte aus der seelsorgerlichen Perspektive. Er profitiere als Wehrbeauftragter entscheidend von Kontakten mit den Seelsorgern. Betont dankt Robbe den Militärbischöfen. Mit beiden verbinde ihn eine von großer Offenheit und Vertrauen geprägte Zusammenarbeit.
"Klares Versagen"
Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit äußert Robbe ungewöhnlich deutliche Kritik an vielen Zuständen in der Bundeswehr. Zugleich kündigt er an, nach der Nominierung eines Kandidaten durch die FDP nicht selbst erneut antreten zu wollen. Er wolle das Amt nicht durch Streitereien beschädigen. "Die Realität in den deutschen Streitkräften ist gekennzeichnet durch unübersichtliche Führungsverantwortung, zu viel überflüssige Bürokratie, Reibungsverluste hervorgerufen durch die Trennung von Truppe und Truppenverwaltung sowie veraltete Personal- und Materialplanung."
Robbe benennt nicht nur die Mängel, die sich in den 5779 Eingaben des vergangenen Jahres herauskristallisiert haben - allen voran diesmal die Sanitätsversorgung. Er macht dafür erstmals auch personell den Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Kurt-Bernhard Nakath, verantwortlich. Diesem habe er "ein klares Versagen in seinem Verantwortungsbereich vorzuwerfen". Und Robbe fügt unter Verweis auf seine zahlreichen Truppenbesuche und Gespräche mit Verantwortlichen hinzu: "Es gibt nicht wenige Experten der Bundeswehr, die ganz offen davon sprechen, dass dieser Inspekteur die Sanität regelrecht vor die Wand gefahren habe."
Die Lage des Zentralen Sanitätsdienstes hat sich laut Robbe in den vergangenen Jahren "dramatisch verschlechtert". Zunehmender Personalmangel und Arbeitsüberlastung kennzeichneten die Lage im Inland. Eine gute medizinische Versorgung der Soldaten könne hier nur noch mit Hilfe ziviler Ressourcen sichergestellt werden. Bei Auslandseinsätzen fehlten ausreichend Rettungsmediziner, Chirurgen und Anästhesisten. Personalengpässe gebe es auch bei der Augenheilkunde und den Zahnärzten. Und so weiter.
Es fehlen Ärzte
Robbes Angaben zufolge fehlen der Bundeswehr derzeit 600 Ärzte - bei rund 3000 Dienstposten insgesamt. "In der Truppe", so lautet das vernichtende Urteil im Jahresbericht, "hört man oft die resignierende Feststellung: 'Die Zahl der Einsätze steigt, die der Bundeswehrärzte sinkt'." Und mit sinkender Sanitätsversorgung sinkt auch die Moral der Truppe, sagt Robbe. Dafür will er endlich jemanden zur Verantwortung gezogen sehen.
Ein erschreckendes Beispiel dieser Mischung aus Gedankenlosigkeit und mangelnder Verantwortung ist für den Wehrbeauftragten der Fall eines 25-jährigen Stabsgefreiten, der 2009 im nordafghanischen Kundus verwundet wurde. Neben Splitterverletzungen wies er großflächige Brandwunden an den Beinen auf. Während vor Ort die Rettungskette hervorragend funktionierte - von der Erstversorgung im Feldlazarett bis zum Rücktransport nach Deutschland - konnte der Mann nicht wie üblich im Zentralkrankenhaus in Koblenz weiter behandelt werden, "weil man dort die Abteilung für Schwerstbrandverletzungen wegen Ärztemangels geschlossen hatte".
"Unsensible Ministerialbürokratie
In diesem Fall kommt laut Robbe noch eine nicht mehr nachvollziehbare, "unsensible Ministerialbürokratie" hinzu. Da der Soldat wegen seiner Verwundung nicht den ganzen Monat im Auslandseinsatz war, forderte die Wehrverwaltung den zu viel ausbezahlten Auslandsverwendungszuschlag zurück, der zum Ausgleich für eine erhöhte Gefährdung gezahlt wird. Der Mann wurde dann mit Ablauf der verlängerten Dienstzeit aus der Bundeswehr entlassen.
Robbes Fazit: "Der Fall macht deutlich, dass die Soldaten besonders im vergangenen Jahr und speziell in Kundus jeden Tag vor Augen haben, wie sich Einsatz und kriegsähnliche Szenarien auswirken können. Die Bundeswehrführung ist nach meiner Bewertung jedoch mit Blick auf die Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und Soldaten noch nicht in der Einsatzrealität angekommen." Für den Wehrbeauftragten sollte sich dies wenigstens auf dem Posten des Inspekteurs Sanität schnellstens ändern.
Wehrbeauftragter legt letzten Jahresbericht vor und lobt Bedeutung der Seelsorge
Klare Worte zum Abschied
Jahresberichte eines Wehrbeauftragten sind naturgemäß Mängelberichte. Doch was der SPD-Politiker Reinhold Robbe zum Abschluss seiner fünfjährigen Amtszeit an verbalen Geschützen auffuhr, sprengte den üblichen Rahmen. Lobende Worte fand er dagegen für die Arbeit der Militärseelsorge.
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