Was sich an der Entwicklungshilfe unter einem FDP-Chef ändert

Zwischen Interessenpolitik und Armutsbekämpfung

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags machte FDP-Chef Guido Westerwelle schon mal deutlich, in welche Richtung es mit dem Entwicklungsministerium gehen soll - oder besser, in welcher Richtung es nicht weitergehen soll: Er wolle sicherstellen, dass es keine "parallele Außenpolitik" gibt. Nun rätseln Fachleute, was damit genau gemeint ist.

 (DR)

Immerhin soll das BMZ bestehen bleiben. Die Ernennung von Dirk Niebel zum Minister sorgte allerdings für eine kurze Schockstarre unter Fachleuten - und bei Journalisten der Bundespressekonferenz für Gelächter. Denn Niebel leitet nun jenes Ministeriums, für dessen Auflösung er zuvor eingetreten war.

Bis kurz vor Ende der Koalitionsverhandlungen ging man davon aus, dass das Ministerium in Unionshand komme. Und blickt man in den Vertrag, so steht Schwarz-Gelb auch weiterhin für jene Ziele ein, die Leitfaden bisheriger Entwicklungspolitik waren: "eine nachhaltige Bekämpfung von Armut und Strukturdefiziten im Sinne der Millenniumserklärung". Ferner bekennt sich die Koalition ausdrücklich dazu, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen.

Allerdings verzichtet der Vertrag auf genaue Zeitangaben. Ein Defizit, auf das der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) hinweist. Allerdings begrüßt der Dachverband, dass die neue Regierung "die ländliche Entwicklung, Bildung und Gesundheit sowie gute Regierungsführung und die Zivilgesellschaft stärken will". Positiv wird zudem die Einführung eines internationalen Insolvenzrechts hervorgehoben.

Deutliche Akzentverschiebung
Dennoch ist eine deutliche Akzentverschiebung zu erwarten. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag sind relativ offen. Wesentlich wird also die Ausgestaltung sein. In den vergangenen Jahren ist der Einfluss des BMZ gewachsen. Das Haus vertritt Deutschland bei wichtigen UN-Konferenzen. Dieser Kompetenzzuwachs ist der dynamisierten Globalisierung geschuldet, wie sie in den G8- oder G20-Gipfeln zum Ausdruck kommt.

Dabei folgte die Arbeitsteilung zwischen Außenamt und BMZ bisher einer Logik, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unlängst bei einem Afrika-Kongress ihrer Fraktion bekräftigte: Das Außenamt vertritt deutsche Interessen, die Entwicklungszusammenarbeit hat immer auch die Interessen der Entwicklungsländer im Blick. Damit hat es eine Anwaltsfunktion zum Wohle der Ärmsten. Im Koalitionsvertrag heißt es einleitend: "In der Verfolgung der Ziele unserer Entwicklungspolitik kommen unsere Werte und Interessen gleichermaßen zum Ausdruck." Das "gleichermaßen" dürften die FDP-Minister wohl im Sinne einer "Kohärenz" zwischen beiden Häusern verstehen.

"Akzentuierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit"
Einen weiteren Richtungswandel wird es durch die "Akzentuierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit" geben. "Entwicklungspolitische Entscheidungen müssen die Interessen der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, angemessen berücksichtigen", heißt es im Koalitionsvertrag. Dem entspricht die Ernennung von Gudrun Kopp zur Parlamentarischen Staatssekretärin. Zudem steht mit Rainer Brüderle auch dem Wirtschaftsministerium ein Liberaler vor. Die VENRO-Vorstandsvorsitzende Claudia Warning mahnt bereits, dass das BMZ "die weltweite Armutsbekämpfung und nicht die Außenwirtschaftförderung" zur Aufgabe habe.

Der Chef des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor, Josef Sayer, hofft dennoch, "dass auch der neue Minister die Zusammenarbeit mit den Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen so gestaltet, dass die Armen in den Entwicklungsländern mit dem Namen Deutschland ein Land verbinden, dass sich durch seine lange christlich-humanistische Tradition am Gemeinwohl orientiert". FDP und Union haben jedenfalls eine "intensive Einbindung und Stärkung aller in der Entwicklungszusammenarbeit Tätigen - insbesondere der Kirchen, Stiftungen, und Nichtregierungsorganisationen" versprochen - neben einer engeren Kooperation mit der deutschen Privatwirtschaft.