Pfarrer Alter spricht "Wort zum Sonntag" vor dem ESC

Was Kirche noch vom ESC lernen kann

Singen kann er nicht, aber predigen: Das "Wort zum Sonntag", das die ARD auch vor diesem ESC-Finale ausstrahlen wird, ist aber eher kurz und knackig, erzählt Pfarrer Gereon Alter. Vor dem Event wird er in diesem Format für Toleranz werben.

Pfarrer Gereon Alter / © Nicole Cronauge (Bistum Essen)
Pfarrer Gereon Alter / © Nicole Cronauge ( Bistum Essen )

DOMRADIO.DE: Werden Sie das "Wort zum Sonntag" denn zur Feier des Tages beim ESC auch singen?

Gereon Alter (Pfarrer in Essen, spricht das "Wort zum Sonntag" im deutschen Vorprogramm des ESC): Das wäre es noch. Nein, dieses Talent habe ich nicht. Ich habe ein anderes und damit bringe ich mich gerne ein.

DOMRADIO.DE: Beim Eurovision Song Contest geht es laut und auch ziemlich bunt zu. Es geht um Musik, es geht ums Feiern und für die Leute vom Fernseher vor allem um gute Unterhaltung. Wie passt da das Wort zum Sonntag rein?

Alter: Ja, das wirkt in der Tat auf den ersten Blick ein wenig komisch. Das Kuriose ist, dass die ARD sich das ausdrücklich wünscht. Denn das ist die zweitälteste Sendung des deutschen Fernsehens. Das "Wort zum Sonntag" ist seit 67 Jahren dabei. Es ist noch nie ausgefallen und deshalb besteht die ARD darauf, dass es an diesem Abend Teil des Fernsehprogramms ist.

Wir versuchen als Sprecher daraus eine Tugend zu machen und zu schauen, wie das, was den ESC ausmacht, mit einer christlichen Botschaft verknüpft werden kann. Da der ESC an diesem Wochenende mit Pfingsten zusammenfällt, war die Herausforderung noch mal größer und darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Darüber bringe ich mich dann mit einem kurzen Beitrag kurz vor Beginn der Übertragung ein.

DOMRADIO.DE: Vor zehn Jahren hat der ESC in Deutschland stattgefunden. Da haben sie das "Wort zum Sonntag" sogar live vor Tausenden Menschen gesprochen. Haben Sie das Gefühl gehabt, dass es bei den Zuschauern eine Wertschätzung dafür gab? Oder wurde es mehr ertragen?

Alter: In der Tat hatte ich einen riesigen Bammel davor. Man hat dann auch schon ein bisschen Alkohol getrunken und in der Arena waren 36 000 Zuschauer. Aber es war so liebevoll von Barbara Schöneberger anmoderiert. Es war eben auch kurz und knackig und hat sich eingefügt ins Programm. Ich komme nicht als steifer Hirte daher. Zu meiner großen Überraschung hat es Applaus gegeben.

Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, weil mir natürlich schon bewusst ist, dass Kirche in den Medien oftmals schräg und sperrig dasteht. Das wollten wir auf keinen Fall an dem Abend bedienen. Das ist uns Gott sei Dank gelungen, auch in den letzten Jahren.

DOMRADIO.DE: Ist das denn auch eine Chance, wenn man als Kirche bei so einem Event dabei ist?

Alter: Naja, es ist kein theologisches Seminar und es ist auch keine Sonntagspredigt, die da verlangt wird. Aber es ist die große Chance, dass Kirche auch als Teil von Gesellschaft wahrgenommen wird, der sagt, dass es gut ist, dass ihr Miteinander feiert. Es ist gut, dass wir das Thema Vielfalt und Solidarität in den Vordergrund holen.

Der ESC wird von Jahr zu Jahr mehr zu einem politischen Event. Dass Kirche da ihre Stimme auf eine sympathische Weise erheben darf, finde ich durchaus ansprechend. Das zeigen auch die Resonanzen. Wir kriegen ganz viele Zuschauerreaktionen darauf. Und die sind - von Ausnahmen abgesehen, natürlich gibt es auch Shitstorms - im Großen und Ganzen positiv. Viel positiver als bei anderen Auftritten von Kirche in den Medien.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist 2021 ein besonderes Jahr für den ESC. Im vergangenen Jahr musste der Wettbewerb ausfallen. In diesem Jahr findet er in den Niederlanden unter Corona-Bedingungen statt. Spiegelt sich das auch in Ihrem Wort zum Sonntag wider?

Alter: Selbstverständlich. Allein die Produktionsbedingungen sind leider andere. Der sogenannte Countdown für Rotterdam wird in Hamburg in einem Studio ausgestrahlt. Das hat dazu geführt, dass wir unseren Beitrag voraufzeichnen müssen. Das ist leider nicht so, wie man sich das wünscht. Aber wir haben trotzdem versucht, das Beste daraus zu machen. Ich glaube, dass die Menschen sich im Moment auch bei all den Einschränkungen und dem Nervigen der Pandemie so ein bisschen Leichtigkeit wünschen, soweit es möglich ist. Das bedient der ESC. Das versuche ich mit meiner Pfingstbotschaft auch zu tun.

DOMRADIO.DE: ESC bedeutet, dass viele Menschen und viele Sprachen aufeinandertreffen, aber am Ende versteht man sich dann über eine gemeinsame Sprache: die Musik. In der Bibel steht: "Der Heilige Geist kam an Pfingsten zu den Jüngern und jeder hörte sie in seiner Sprache reden." Ist der ESC so eine Art weltliches Pfingsten?

Alter: Ich habe es so formuliert: "Pfingsten liefert die Begründung für das, was der ESC feiert." Beim ESC geht es darum, dass man über Grenzen von Sprache, Herkunft, Lebensentwurf hinweg einfach zusammenkommen kann, dass man das nicht trennen muss. Das Pfingstfest gibt die Begründung dafür, nämlich, dass es etwas gibt, dass tiefer liegt als all diese Unterschiede.

Das spüren die meisten Menschen, ob sie Christen sind oder nicht. Die Bibel nennt das den "Geist der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit". Und ob ich das nun in ein christliches Bekenntnis fasse oder ob ich das einfach lebe und spüre, da sind sich, glaube ich, viele Menschen einig. Und da finden wir zusammen.

DOMRADIO.DE: Kann die Kirche vielleicht auch noch ein bisschen vom ESC lernen?

Alter: In der Tat. Was die zeitgemäße Verkündigung betrifft allemal. Und auch im Thema Toleranz. Da sehen wir, dass es ein großes, breites Spektrum auch in unserer Kirche gibt. Die einen, die sich das auf ihre Fahnen schreiben und sagen: Hier haben wir als Christen auch Nachholbedarf. Und andere, die noch nicht so weit sind. Ich glaube, sie hören deutlich heraus, auf welcher Seite ich stehe und wofür ich werbe.

Das Interview führte Gerald Mayer.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema