Himmelklar: Welche Geschichte vom diesjährigen Einsatz bewegt Sie gerade?
Gernot Elsner (Mitbegründer der Bibelschule "Gospeltribe" und der Initiative "Reach Mallorca"): Sie müssen sich vorstellen, wir sind knapp 350 Leute. Jeder redet jeden Abend mit fünf oder sechs Personen. Wenn wir dann abends am Strand stehen und eine Feedbackrunde machen, dann sind das buchstäblich 1.000 Geschichten, die man erzählen kann. Für mich ist eine davon ganz besonders. An einem der Anfangstage hat ein Dieb in einem Laden etwas geklaut und einer unserer Leute ist ihm hinterhergelaufen. Er hat ihn dann eingeholt – und nicht, um ihn nur zu stoppen, sondern um mit ihm ins Gespräch zu kommen über Jesus und über den Glauben.
Dieser Mann hat dann sein Herz geöffnet. Er hat von seiner kriminellen Vergangenheit erzählt. Er hat davon erzählt, dass er verantwortlich dafür ist, dass Menschen Drogen verkaufen und dass Frauen in der Prostitution gelandet sind. Und er hat gesagt, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass es einen Gott gibt, der ihn liebt und der ihm verzeihen kann.
Wir haben tatsächlich ein Bild, das jemand aus der Entfernung gemacht hat, wie er mitten am Strand in der Nacht ganz alleine mit jemandem von uns da auf dem Boden kniet und mit seiner ganzen Schuld, die er auf sich geladen hat, zu Gott kommt. Das ist eine Geschichte, die ganz am Anfang passiert ist, aber sie ist immer noch sehr präsent in meinem Herzen.
Himmelklar: Die Menschen, die normalerweise von Ihren Leuten an der Promenade, am Ballermann, in den Clubs und am Strand angesprochen werden, sind Partytouristen, oder?
Elsner: Wir sind an mehreren Orten auf der Insel unterwegs. Das ist einmal in Magaluf die britische Partyzone, dann der Ballermann, die deutsche Partyzone, aber seit ein paar Jahren auch Orte, an denen sich hauptsächlich Spanier sammeln. Ich denke gerade an ein Event, das wir vor ein paar Tagen an der Cala Ratjada gemacht haben.
Ab einer gewissen Uhrzeit, so nach 24 Uhr, sind tatsächlich viele Leute angetrunken. Wenn wir an den Strand kommen, so gegen halb neun, dann sind viele im nüchternen Zustand. Ich würde auch sagen, während der Gottesdienste, die wir da machen, sind die Leute gut dabei. Es sind Partytouristen, aber gerade am Ballermann auch Familien, die da am Abend entlang schlendern, Einheimische und Leute aus aller Welt.
Himmelklar: Wie reagieren sie?
Elsner: Die bleiben stehen. Viele werden durch die Musik angelockt und sehen, dass da eine Veranstaltung ist. Das sind dann tatsächlich mehrere hundert Leute, die sich da irgendwie sammeln. Und ich nehme jetzt an, diejenigen, die dann lesen "Beach-Gottesdienst" und die gar nichts damit zu tun haben wollen, die bleiben dann auch nicht stehen und laufen weiter.
Die Präsenz von so vielen Leuten, die da dann wirklich oft über eine Stunde bleiben, das sind dann tatsächlich diejenigen, die an solchen Themen Interesse haben. Die setzen sich dann hin und reagieren auf das, was da von vorne gesprochen wird. Das sind oft Geschichten von dem, was Menschen mit Jesus erlebt haben, wo Leute sich dann auch selber drin wiederfinden.
Und dann erzählen sie einem von uns, wir sind gut erkennbar durch die weißen T-Shirts, was in ihrem eigenen Leben passiert. Manche möchten gerne, dass man mit ihnen betet. Bei anderen ist es einfach ein Austausch von Gedanken rund um das Thema Glauben. Es ist also ganz vielfältig, was dort geschieht.
Himmelklar: Erleben Sie da nicht häufig auch Ablehnung?
Elsner: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Es gibt bestimmt Leute, die sagen, sie möchten sich darüber nicht unterhalten. Es gibt andere, die finden es einfach kurios, aber natürlich auch sehr viele, die darauf reagieren.
Ich war in einem Gespräch mit jemandem, der eine Stunde lang da mitten in dem Treiben in der Schinkenstraße mit mir stand und ganz viele Argumente vorgebracht hat, warum er nicht an Gott glaubt. Er hat aber Spaß an diesem Gespräch gehabt, und wir haben auch Spaß an dem Gespräch gehabt. Zum Schluss habe ich ihn dann gefragt, ob ich ihm eine ehrliche Frage stellen darf. Und er hat gesagt: Ja.
Ich habe dann gesagt, ich würde die These aufstellen, dass es auch viele Menschen gibt, die sagen: Ich kann nicht an Gott glauben. Und was sie damit aber eigentlich meinen, ist: Ich will nicht an Gott glauben, weil, wenn ich an Gott glauben würde, dann hätte das ja vielleicht irgendwelche Implikationen für mein eigenes Leben.
Wenn es Gott gibt und er der Schöpfer und Herr über alles ist, dann hätte das vielleicht Auswirkungen auf mein Leben, und das möchte ich an der Stelle nicht. Dann hat der gelacht und gesagt: Ja, das stimmt bestimmt.
Also ich glaube, nicht zu glauben ist manchmal, nicht immer, aber manchmal gar nicht ein intellektuelles Problem, sondern eher eine Frage, ob ich denn möchte, dass es einen Gott gibt, oder nicht.
Himmelklar: Ist uns dieses Selbstverständnis, dass das Christentum eine missionierende Religion ist, abhandengekommen?
Elsner: Ich glaube, Mission oder über den Glauben reden, das ist nicht das Einzige. Wenn wir aber sagen, wir wollen Jesus ganzheitlich nachfolgen, dann gehört das einfach mit dazu. Das mal außen vor. Dazu muss man nicht an den Ballermann reisen und Partygängern von Jesus erzählen. Das ist damit nicht gemeint. Ich glaube aber, das ist ein Grundauftrag für uns Christen.
Ich denke, dass sich viele Christen vielleicht gar nicht per se schämen, über ihren Glauben zu reden, aber gerade in der westlichen Welt ist Glaube zumindest in den letzten Jahrzehnten nicht so das Nummer-eins-Gesprächsthema.
Dann ist immer die Frage, wie man überhaupt zu dem Thema Glauben kommt und dazu, dass man das, was man glaubt und prinzipiell auch gerne weitergeben würde, überhaupt aussprechen kann. Die Themen drehen sich normalerweise um andere Dinge.
Das ist zum Beispiel in der muslimischen Welt ganz anders. Da ist es komplett normal, dass man in einem Alltagsgespräch auf Gott kommt. Und dann liegt es natürlich viel näher.
Ich glaube, das ist manchmal eine Unsicherheit. Und wenn christlicher Glaube eine rein intellektuelle Sache bleibt und man diese Beziehung zu Jesus nicht pflegt, dann hat man vielleicht auch gar nicht so viel, was man mit Gott erlebt oder was einem wirklich im Herzen wichtig ist und was man an andere weitergeben könnte. Das ist vielleicht auch manchmal der Grund.
Ich würde aber auch sagen, dass es bei den meisten Leuten, die bei uns mitgehen, nicht so ist, dass sie jetzt hier in Mallorca mitgehen, weil sie tagtäglich in ihrem Alltag an nichts anderes denken, als von ihrem Glauben zu erzählen. Ich glaube, viele kommen auch mit einer großen Unsicherheit hierher und fragen sich: Wie macht man das überhaupt?
Da ist der Ballermann schon besonders, auch wenn man sich das gar nicht vorstellen kann. Ich würde behaupten, es gibt keinen Ort, wo es einfacher ist als hier, weil es so eine kommunikative Kultur ist und die Leute von alleine auf einen zukommen.
Wie man das macht und ob man es überhaupt macht, ist aber, glaube ich, für die Teilnehmer von unserem Einsatz genau das Gleiche wie für jeden anderen Christen, der in Deutschland lebt.
Das Interview führte Verena Tröster.