Was denkt der säkulare Osten über den Katholikentag?

"Das Wort vom Kreuz ist ein Ärgernis"

Katholische und evangelische Kirche sind in Thüringen längst nur noch eine Minderheit. Wie wird der anstehende Katholikentag in Erfurt als christliches Großereignis wahrgenommen? Ein Gespräch über Krisen, Politik und Ökumene.

Für die Anreisenden werden in Erfurt noch private Unterkünfte gesucht / © Lizardflms (shutterstock)
Für die Anreisenden werden in Erfurt noch private Unterkünfte gesucht / © Lizardflms ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Kirchen haben in Thüringen einen Minderheitsstatus. Was hat man als Christ in so einem säkularen Umfeld für einen Stand in der Öffentlichkeit? 

Chefredakteur Willi Wild (Glaube+Heimat)

Willi Wild (Chefredakteur der evangelischen Kirchenzeitung "Glaube+Heimat"): Nach wie vor sind die Mitglieder der Kirchen die größte organisierte zivilgesellschaftliche Gruppe, wenn man die nicht-konfessionellen außer Acht lässt. Das ist wichtig zu sagen, weil ich manchmal den Eindruck habe, wir neigen dazu, uns selbst zu verzwergen, in dem wir wiederholen, dass wir immer weniger werden. Dabei sind wir aber genug, um die größte Gruppe darzustellen. 

DOMRADIO.DE: Trotzdem gibt es mehr Thüringer, die nichts mit dem Glauben anfangen können als welche mit christlichem Menschenbild.

Wild: Das ist so, aber das muss uns ja nicht entmutigen. Es sollte uns den Mut geben auf das zu schauen, was wir als Christen glauben und nicht auf das, was andere nicht glauben. Veranstaltungen wie der Katholikentag oder der Kirchentag dienen dazu, unsere Glaubensgewissheit zu verstärken und auch nach außen hin zu zeigen – so wie am vergangenen Wochenende in Hamburg, als knapp 16.000 Bläserinnen und Bläsern der evangelischen Posaunenchöre die frohe Botschaft in die Welt hinausposaunt haben, sodass es niemand überhören konnte. 

DOMRADIO.DE: Sie haben einen linken Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, der offen evangelischer Christ ist. Reiner Haseloff, Ministerpräsident in Sachsen Anhalt, ist katholisch und war sogar Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Michael Kretschmer ist evangelisch und christlich konservativ eingestellt. Woher kommt es, dass Christen im öffentlichen Leben überrepräsentiert sind? 

Papst Franziskus trifft Thüringens Ministerpäsidenten Bodo Ramelow / © Osservatore Romano / Handout (dpa)
Papst Franziskus trifft Thüringens Ministerpäsidenten Bodo Ramelow / © Osservatore Romano / Handout ( dpa )

Wild: Ich glaube, das ist objektiv gesehen gar nicht der Fall. Das sind Galionsfiguren. Ramelow bezeichnet sich selbst als frommer Kieselstein im Schuh seiner Partei. Wenn man genauer hinschaut, steht er ansonsten auf einsamer Flur. Er hat, mit noch zwei anderen, beim Parteitag in Dresden einstmals dagegen gestimmt, als die Linke beschließen wollte, die Kirchensteuer zu streichen. Er steht einfach dazu. 

Und wenn man nach Sachsen-Anhalt guckt, da ist Haseloff für mich der lutherische Katholik oder der katholische Lutheraner in Wittenberg. Wenn man sich allerdings das neue Programm anschaut, das sich die CDU in Sachsen-Anhalt geben wollte, in dem man anfänglich sogar "Gott" gar nicht vorgesehen hat, finde ich das schon bedenklich. Dann sollten sie vielleicht auch das "C" aus Ihrem Namen streichen. Erst nachdem unter anderen wir als Kirchenzeitung darauf hingewiesen haben, dass es im Entwurf nicht vorgesehen ist, hat man das schnell noch mal geändert. 

DOMRADIO.DE: Welchen Stand nehmen die Katholiken in Thüringen ein, mit Blick auf den Katholikentag, der Ende des Monats ansteht?

Wild: Erst einmal finde ich es großartig, dass man es gewagt hat, nach den Erfahrungen der letzten Katholikentage, bei denen die Teilnehmerzahl immer weiter zurückgegangen ist, in den wilden Osten zu kommen, nach Erfurt. Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen ausfallen. Es ist wichtig so ein Zeichen zu setzen und zu sagen, unsere Wurzeln liegen in unserem Glauben. Unser Verständnis und Umgang miteinander hat sehr viel mit christlicher Ethik zu tun. Daran zu erinnern, kann auch in einem zum Großteil entkirchlichten Raum keine schlechte Angelegenheit sein. 

DOMRADIO.DE: Kommt das auch in der Öffentlichkeit so an? Oder wird man eher als Randgruppe betrachtet, wie der Vogelzüchterverein bei seiner Jahresausstellung?

Wild: Das Wort vom Kreuz ist ein Ärgernis. Ich kenne einige, die sagen: Was soll das? Warum wird das auch noch staatlich unterstützt? Reicht es nicht aus, dass Kirchensteuer erhoben wird? Ich finde es wichtig, dass gezeigt wird, welche Leistungen Kirche, Diakonie, Caritas für die Gesellschaft und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erbringen. Es wäre schade, wenn man die Kirchen auf die öffentliche Wahrnehmung reduziert oder auf die Kirchenaustritte oder den Missbrauch. Gerade beim Katholikentag kann der Fokus darauf gerichtet werden, was seitens der Kirchen alles passiert, vor allem an der Basis. Da ist die Ökumene viel weiter als die Zentren der kirchlichen Macht. 

Willi Wild

"Ich kenne einige, die sagen: Was soll das? Warum wird das auch noch staatlich unterstützt?"

DOMRADIO.DE: Die ökumenischen Beziehungen auf der hierarchischen Ebene - EKD, DBK, Vatikan - waren in den letzten Jahren eher angespannt. Rückt man in einem säkularen Umfeld eher zusammen, weil es wichtiger ist, Christ zu sein als evangelisch oder katholisch?

Wild: Auf jeden Fall. Wir erleben das ganz praktisch zum Beispiel bei unserem Gemeindebrief-Portal, das wir 2019 aufgesetzt haben. Wir arbeiten sowohl mit den evangelischen Gemeindebriefen als auch mit den Briefen der katholischen Bistümer sehr gut zusammen. Und im Prinzip – was unterscheidet uns denn, außer dass wir uns vielleicht gegenseitig nicht am Tisch des Herrn besuchen dürfen? Unser eigentliches Zentrum ist das Gleiche. Wir gucken nicht auf Zahlen, sondern als Christen gucken wir auf Christus. Mit katholischen Christen zusammen Gottesdienst zu feiern ist für mich ein Stück Himmel. Ein bisschen ist es auch Tradition der DDR-Zeiten, dass man sich als Minderheit zusammengehörig gefühlt hat. Das hat zum Teil bis heute Bestand. 

Willi Wild

"Wir gucken nicht auf Zahlen, sondern als Christen gucken wir auf Christus."

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Geschichte des Bistums Erfurt

742    Der heilige Bonifatius gründet das Bistum Erfurt. Es umfasst das Thüringer Stammgebiet mit dem Thüringer Wald im Süden und dem Eichsfeld im Westen. Nach Osten begrenzen Saale und Unstrut, nach Norden Helme und Harz das Bistum. Das Gebiet südlich des Thüringer Waldes gehört zum Bistum Würzburg. Bischofskirche wird die Marienkirche auf dem heutigen Erfurter Domberg.

Um 755    Das Bistum Erfurt wird wieder aufgelöst und in das Bistum Mainz eingegliedert. Diesem gehört es 1000 Jahre an.

Erfurter Dom und Severikirche / © Roger Hagmann (KNA)
Erfurter Dom und Severikirche / © Roger Hagmann ( KNA )
Quelle:
DR