Bräuche an Silvester

Warum wir böllern und ins neue Jahr "rutschen"

Die Wäsche bleibt liegen in der Zeit zwischen den Jahren - so war das früher Brauch. Auch rund um Silvester und Neujahr gibt es viele Bräuche. Über die weiß der Publizist, Theologe und Brauchtums-Experte Professor Manfred Becker-Huberti Bescheid.

Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Der 31.12. ist der letzte Tag des Jahres. Ein Brauch, der mir als erstes einfällt, ist das Feuerwerk. Warum böllern wir denn überhaupt zum Start in das neue Jahr?

Prof. Manfred Becker-Huberti (Theologe und Brauchtumsforscher): Geister sind sehr stumme Wesen, die vor Lärm Angst haben und die sich durch Lärm vertreiben lassen. Das ist ein uralter Glaube und der wird von uns Menschen nachgemacht. Vielleicht machen wir es mittlerweile nicht mehr, weil wir noch an die Geister glauben, sondern weil wir inzwischen Spaß daran haben, Krach zu machen und wenn sich da auch noch mit Licht in der Dunkelheit verbinden lässt, sind wir fasziniert.

domradio.de: Was für andere Silvesterbräuche waren und sind denn bei uns zulande wichtig?

Becker-Huberti: Zu Silvester muss man wissen, dass man sich früher vorstellte, dass sich ein Kreis schließt. Und wenn sich so ein Kreis schließt, berührt das Alte das Neue. An dieser Nahtstelle kommen Dinge durch, die normalerweise nichts in unserer Welt zu suchen haben. Es kommen also aus dem Jenseits, aus dem Bereich des Bösen Geister und Dämonen in unsere Welt und dagegen muss man sich schützen. Da gibt es verschiedene Methoden: Das Beste ist natürlich, zusammenbleiben und im Licht zu bleiben. Alles andere sind dann Abwehrmaßnahmen, die man treffen muss.

domradio.de: Welche gibt es da zum Beispiel?

Becker-Huberti: Dazu gehört, dass man zum Beispiel ein Kreuz aufstellt, Kerzen brennen lässt, dass man sich nicht in die Gefahr, also in die Dunkelheit, hinein begibt und dass man auch bestimmte Methoden wählt, um in diesem neuen Jahr richtig anzukommen. Früher sprang man gemeinschaftlich von den Stühlen auf die Erde. Das heißt: Vor Mitternacht kletterten alle auf die Stühle, fassten sich an den Händen und sprangen zusammen in das neue Jahr.

domradio.de: Kommt daher auch der Wunsch nach einem "guten Rutsch"?

Becker-Huberti: Dieser Begriff scheint aus dem Jüdischen zu kommen. "Rosch ha-Schana" ist das Neujahr im Jüdischen. Daraus hat man "Rutsch in das neue Jahr" gemacht. "Das passt ja irgendwie", glaubten die Menschen. Und wenn man das gemeinsam macht, kann einem auch nichts passieren.

domradio.de: Vieles davon klingt sehr nach heidnischen Ursprüngen.

Becker-Huberti: Einerseits ist das natürlich so, denn diese gefährliche Zeit ist uralt. Sie hängt damit zusammen, dass es früher zwei unterschiedliche Kalender gab; nämlich einen, der nach dem Mond und einen, der nach der Sonne berechnet wurde. Die stimmten nicht überein. Damit die wieder harmonierten, musste man am Ende des Jahres ein paar Tage haben, mit denen man die Zeit verschob, damit die Zeit wieder neu beginnen konnte. Das ist das, was schon die Ägypter und die Römer kannten und was dazu führte, das im Prinzip am 24.12. das alte Jahr aufhörte und am 06.01. das neue Jahr begann. Da konnte man dann alle Tage, die vom Mondkalender nicht sinnvoll untergebracht werden konnten, unter den Teppich kehren und hatte dann wieder einen passenden Kalender zusammen. Den hat die Kirche übernommen. Interessanterweise gibt es einen Beschluss vom Konzil von Tours 567, bei dem die so genannten "zwölf Nächte" - das sind die Nächte vom 25.12. bis zum 06.01. - als eine besonders "heilige Zeit" galten.

domradio.de: Das sind dann diese "Rauhnächte"?

Becker-Huberti: Das sind genau die. Es müsste aber eigentlich "Rauchnächte" heißen, denn es sind die Nächte, in denen geräuchert wurde. Das heißt der Hausvater zog mit dem Weihrauch durch Haus und Hof und räucherte die Räume aus, um die bösen Geister zu vertreiben. Denn Weihrauch vertreibt böse Geister.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR