Rauhnächte laden zur Besinnung auf das Wesentliche ein

"Eine ganz besondere Zeit"

In früheren Zeiten wurde an den Tagen zwischen Weihnachten und dem 6. Januar ein eigenes Brauchtum gepflegt. Auch heute lädt die Zeit "zwischen den Jahren" zum Innehalten ein. Die Sehnsucht nach einem besinnlichen Jahresausklang steigt.

Autor/in:
Angelika Prauß
Sonnenaufgang im Winter / © Harald Oppitz (KNA)
Sonnenaufgang im Winter / © Harald Oppitz ( KNA )

Kaum sind die Geschenke ausgepackt und Gans, Plätzchen und Stollen vertilgt, kehrt nach Weihnachten der Alltag ein - oft schneller, als einem lieb ist. In früheren Zeiten ging man in der Zeit der sogenannten Rauhnächte zwischen Weihnachten und dem 6. Januar nicht so bald wieder zur Tagesordnung über. Einst wurden die zwölf Tage zwischen Weihnachten - den geweihten Nächten nach der Wintersonnenwende - und Dreikönige als besonders intensiv erlebt und mit bestimmten Ritualen begangen.

Der Jahreswechsel wurde - auch aufgrund der spärlichen Beleuchtungsmöglichkeiten, Kälte und Winterstürmen - als bedrohlich und gefährlich empfunden. Hinzu kam das Gefühl, sich "außerhalb der Zeit" zu befinden. Die Germanen berechneten ein Jahr aus zwölf Mondmonaten mit 354 Tagen; verglichen mit dem Sonnenjahr fehlten am Jahresende elf Tage oder zwölf Nächte. Man glaubte, dass nun die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt seien, Dämonen und Geister von Verstorbenen über den Himmel zögen und die Grenzen zu anderen Welten fielen.

"Formel gegen Geister"

Gegen die unheilvollen Kräfte des Übergangs galt es sich zu schützen, etwa "indem man sich verbirgt hinter undurchdringlichem Weihrauch", so der Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti. Deshalb seien die zwölf Abende eigentlich "Rauchnächte", erläutert der Theologe den Begriff. Sie wurden genutzt, um in diesen Tagen Haus und Hof zum Schutz vor Dämonen auszuräuchern. Noch heute verbreitet ist die Segnung der Häuser, wenn die Sternsinger Anfang des Jahres ihr "C+M+B" - Christus mansionem benedicat, Christus schütze dieses Haus - auf Haustüren schreiben, eine "Formel gegen Geister", so Becker-Huberti. Und noch immer ist es in manchen Gegenden verpönt, zwischen Weihnachten und Silvester Wäsche zu waschen. Ob schlichter Aberglaube oder sinnvolle Tradition - das Verbot erreicht sein Ziel:

Die Festtagsruhe bleibt noch ein paar Tage gewahrt. Denn die Sehnsucht nach einem besinnlichen Jahresausklang und -anfang gibt es auch heute. Da passt es gut, dass viele "zwischen den Jahren" ein paar Tage Resturlaub nehmen, um vor dem neuen Jahr auf die vergangenen Monate zurückzublicken und ein wenig Ruhe zu tanken. Sozialethiker Friedhelm Hengsbach bezeichnet diese Zeit als "Schildkröteln": Musik hören, Briefe schreiben, "nichts tun, was mir von außen auferlegt ist".

Die Münchner Heilpraktikerin Vera Griebert-Schröder rät dazu, die Zeit um den Jahreswechsel bewusst zu erleben und den Alltag hinter sich zu lassen. Die Steuererklärung müsse nicht gerade in dieser Zeit vorbereitet werden, auch dürften die "Spinnräder im Kopf" ruhen. Denn die Buchautorin ist überzeugt, dass die Rauhnächte "eine ganz besondere Zeit" sind.

"Wiedergeburt des Lichtes"

Nach den dunkelsten Tagen im Jahr finde die "Wiedergeburt des Lichtes" statt. Zudem werde in dieser Zeit der Jahreswechsel gefeiert. Diese Zeit des Übergangs lädt aus ihrer Sicht auch dazu ein, Belastendes zurückzulassen. So sollte man Schulden begleichen, Streit beenden und im Haushalt Ordnung schaffen - "etwas Altes geht zu Ende". So könne man sich besser "ausrichten, um unbelastet in das neue Jahr reinzugehen". Die Zeit der Rauhnächte sei deshalb eine Chance, den Jahreswechsel "langsam, mit viel Aufmerksamkeit und innerer Andacht zu begehen". So könnten die Tage zwischen den Jahren helfen, "in die Ruhe und in die Kraft zu kommen, das neue Jahr vorzubereiten".

Griebert-Schröder nimmt dafür auch Tarotkarten zu Hilfe. An den zwölf sogenannten Los-Tagen - jeder Tag steht für einen Monat - zieht sie jeweils ein Bild, "um eine Idee für jeden der kommenden Monate zu bekommen". Anderen helfe schon ein "Ritual für Eilige": ein kurzes bewusstes Zur-Ruhe-Kommen bei Kerzenschein, verbunden mit einem Gebet und dem Gefühl, sich mit etwas "sehr viel Größerem" zu verbinden.

Auch wenn man nicht an wundersame Mächte glaubt, die an den Rauhnächten aktiv sind - einen Gang runterzuschalten, innezuhalten, einen langen Spaziergang in der Natur zu unternehmen, eine Jahresbilanz zu ziehen und sich neu zu orientieren kann jedenfalls nicht verkehrt sein, um wieder voller Energie ins neue Jahr zu starten.


Quelle:
KNA