Warum es Morgenandachten auf der Dresdner Frauenkirche gibt

Elbe, Gebet, Saxophon

Gut 70 Meter über der Stadt bietet Pfarrerin Angelika Behnke Morgenandachten auf der Kuppe der Dresdner Frauenkirche an. Manche Besucher stehen mitten in der Nacht auf, um teilzunehmen und Dresden in der Morgendämmerung zu erleben.

Die Frauenkirche in Dresden / © Andrew Mayovskyy (shutterstock)
Die Frauenkirche in Dresden / © Andrew Mayovskyy ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Nehmen Sie uns doch mal mit in die baulichen Gegebenheiten der Frauenkirche. Es geht 67 Meter hoch und dann ist da eine runde Kuppel? Open Air, also?

Angelika Behnke (Pfarrerin an der Frauenkirche in Dresden): Ganz genau. Das ist Open Air. Die Gäste treffen sich um 6.00 Uhr am Eingang der Frauenkirche und wir steigen dann die Treppenstufen und die Wendelrampe gemeinsam hinauf. In Stille, im Schweigen, lauschend, fühlend, sehend.

Man kann in das Innere der Kuppel gucken. Man kann nach draußen sehen und die Höhe wahrnehmen, die man erklimmt. Das lohnende Ziel ist es dann, oben in luftiger Höhe aus der Tür herauszutreten und die Aussichtsplattform erreicht zu haben.

DOMRADIO.DE: Wie ist dann da oben die Atmosphäre? Was für einen Blick hat man?

Pfarrerin Angelika Behnke
 / © Stiftung Frauenkirche Dresden (privat)
Pfarrerin Angelika Behnke / © Stiftung Frauenkirche Dresden ( privat )

Behnke: Man guckt natürlich über die Stadt und sieht die wunderbare Silhouette der Stadt. Man sieht die Elbe zu seinen Füßen und manchmal sieht man um diese Uhrzeit sogar Heißluftballons aufsteigen und kann sich daran erfreuen. Je nach Wetterlage ist das ein besonderer Genuss oder es wird auch mal ein bisschen windig oder regnerisch. Aber die hartgesottenen und wiederkehrenden Gäste lassen sich davon nicht abschrecken.

DOMRADIO.DE: Kann man als Tourist da hingehen? Ist es dann nicht immer ziemlich voll?

Behnke: Ganz voll ist es nicht, sondern immer so, dass die zulässige Zahl nicht überschritten wird und Menschen dort in den Sommermonaten in der Regel von 10.00 bis 18.00 Uhr den Aufstieg wagen können. Auch in den Wintermonaten ist es möglich, sofern die Aussichtsplattform nicht vereist ist.

DOMRADIO.DE: Die Touristen haben dann aber nicht diese Morgenandacht, die Sie am vergangenen Samstag gehalten haben und die sie auch am 19. August nochmal machen werden. Mit was für Themen stehen Sie dann da oben?

Behnke: Die Uhrzeit gibt schon ein ganz wichtiges theologisches, spirituelles Thema vor: Die Überwindung der Nacht. Das Ende der Dunkelheit und der Morgen, der Sonnenaufgang, wird in der Theologie, in der christlichen Glaubenswelt auch immer mit dem Ostermorgen und der Auferstehung Jesu Christi assoziiert.

Dann nehme ich die Leute immer in einen geistlichen Impuls mit, der oftmals ein Symbol enthält. Zum Beispiel sind wir neulich dem roten Faden im Leben nachgegangen oder haben oben gemeinsam Erdbeeren gegessen und die Früchte der Schöpfung damit gepriesen.

Ansonsten gibt es auch Musik, Saxofonmusik. Die Klänge des Saxofons empfangen die Besucher schon beim Öffnen der Tür und es wird gesungen, es wird gebetet. Dieser geistliche Impuls für den Tag oder für die weiteren Tage gibt dann Orientierung und einen Anreiz, darüber nachzudenken.

DOMRADIO.DE: Es gibt an der Frauenkirche keine Gemeinde, mit der Sie das abstimmen müssen. Aber die Gremien der Stiftung Frauenkirche mussten zustimmen. Fanden das alle gut oder gab es auch Einwände?

Angelika Behnke

"Die Idee geht schon auf meinen Vorgänger und Frauenkirchenpfarrer Holger Treutmann zurück."

Behnke: Ich weiß von keinen Einwänden. Die Idee geht auf meinen Vorgänger und Frauenkirchenpfarrer Holger Treutmann zurück. Der hat diese Idee schon im Zuge des Evangelischen Kirchentages 2011 in Dresden entwickelt. Da wurde das mit Begeisterung aufgenommen. Eine schöne Idee, diesen Raum dort oben, diesen Freiluftraum auch zu nutzen, um damit die Kirche noch mal in anderer Weise spirituell begehbar zu machen. Das traf auf große Zustimmung.

DOMRADIO.DE: Platz für wie viele Menschen ist denn da oben, wenn Sie diese frühen Andachten halten?

Angelika Behnke

"Ich hörte von Leuten, die sind um 3:30 Uhr tatsächlich schon aufgestanden."

Behnke: Wir bewegen uns durchschnittlich mit der Teilnehmerzahl im mittleren zweistelligen Bereich. Dann haben alle gut Platz. Es wurde um die Uhrzeit auch noch niemand weggeschickt. Es ist mächtig früh, aber dieses frühe Aufstehen ist auch die einzige Bedingung oder Voraussetzung neben den physischen Möglichkeiten, die Treppen zu erklimmen.

Das kann für viele ein Angehen sein. Es lohnt sich aber auf jeden Fall. Ich erlebe auch immer wieder Gäste, die wiederholt aus Nachbarstädten teilnehmen und somit noch früher aufstehen müssen. Die bestätigen, dass das geht. Ich hörte von Leuten, die um 3.30 Uhr tatsächlich schon aufgestanden sind.

DOMRADIO.DE: Am 19. August ist noch mal die Möglichkeit, hoch oben auf der Aussichtsplattform der berühmten Kirche eine Morgenandacht zu begehen. Und Sie bitten immer um eine Kollekte, oder?

Behnke: Ja, ich sage das immer mit. Ich bitte um eine Kollekte für Aufgeweckte. Wir freuen uns, dass wir damit auch die anderen Aufgaben in der Frauenkirche finanzieren können und allen ermöglichen, tagtäglich in die Frauenkirche zu kommen, unabhängig von der Größe des Geldbeutels oder anderen Voraussetzungen, um auch die Seelsorge zu nutzen und die Möglichkeiten, die die Frauenkirche sonst noch bietet.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Die Dresdner Frauenkirche

Blick auf die Frauenkirche in Dresden / © leoks (shutterstock)
Blick auf die Frauenkirche in Dresden / © leoks ( shutterstock )

Die weltbekannte Ruine der evangelischen Frauenkirche war lange eines der prominentesten Mahnmale gegen Krieg und Zerstörung. Wiederaufbau-Gegner wollten die warnende Wirkung des markanten Trümmerhaufens erhalten, aus dessen Mitte seit den britischen und amerikanischen Luftangriffen vom Februar 1945 nur noch zwei Mauerstümpfe empor ragten. Am Ende setzten sich jedoch die Befürworter durch. Und so begann der Wiederaufbau mit einer feierlichen "Erststeinversetzung" am 27. Mai 1994.

Quelle:
DR