Warum es beim Fach islamische Religion in NRW nicht weitergeht

Verhandlungen in der Sackgasse

Islamischer Religionsunterricht als reguläres Schulfach: Das hat die Islamkonferenz unter Innenminister Schäuble beschlossen und strebt die nordrhein-westfälische Landesregierung seit langem an. Sie wäre bei dem Thema gern bundesweit Vorreiter. "Doch es hakt", seufzt Deutschlands einziger Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Die Gespräche zwischen muslimischen Dachverbänden und Regierungsvertretern über Lehrpläne für islamischen Bekenntnisunterricht stecken in der Sackgasse.

Autor/in:
Johannes Nitschmann
 (DR)

Der Islam hat keine Struktur wie die christlichen Kirchen. Daher muss sich die Regierung mit vielen muslimischen Gruppierungen über ein Curriculum verständigen. Immerhin leben im bevölkerungsreichsten Bundesland rund eine Million Muslime - so viele wie in keinem anderen Land. Ihre verschiedenen Gemeinschaften und Verbände aber sind vielfältig und verfolgen höchst unterschiedliche Interessen. «Es ist schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden», klagt ein Regierungsbeamter.

Mit einem Pilotprojekt wollte Laschet Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen bringen. In Köln und Duisburg - den Großstädten mit den meisten Muslimen im Land - sollte das Schulministerium mit Vertretern der örtlichen Moscheegemeinden einen Lehrplan für die Schulen im Stadtgebiet aushandeln. Doch auch diese Gespräche auf kleinster Ebene verliefen ergebnislos. Selbst die Vertreter der Gemeinden vor Ort finden keinen Konsens für Lehrpläne. Zwar bildet die Universität Münster seit 2004 als erste deutsche Hochschule in sechs Semestern muslimische Religionslehrer aus. Nach wie vor ist aber offen, wann für die 280.000 islamischen Schüler in NRW erstmals muslimischer Bekenntnisunterricht in deutscher Sprache erteilt wird.

Widerstände gibt es vor allem bei säkularisierten Türken, die in Deutschland beheimatet sind. So reiste der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, Anfang April ins Düsseldorfer Integrationsministerium. In kleinem Kreis warnte er Laschet davor, muslimischen Religionsunterricht in die Hände «der zumeist orthodox» ausgerichteten islamischen Verbände zu legen. Es sei zu befürchten, dass unter dem Deckmantel der Religion politische Inhalte vermittelt würden.

Als alarmierendes Beispiel für politische Agitation im Unterricht verwies der TGD-Vorsitzende auf aktuelle Entwicklungen in Berlin.
Dort erhielten gegenwärtig etwa 3.500 muslimische Schüler bekenntnisorientierten Islam-Unterricht. Das Fach werde aber durch die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) beeinflusst, die der Verfassungsschutz seit Jahren beobachtet. Seit an Berliner Schulen muslimischer Religionsunterricht erteilt werde, so Kolat im Integrationsministerium, häuften sich dort die Abmeldungen von Klassenfahrten und vom Schwimmunterricht - und kopftuchtragende Schülerinnen nähmen zu. Kolat machte sich bei Laschet denn auch für «einen aufgeklärten, modernen Islam-Unterricht» stark. Nach seiner Einschätzung bekennen sich etwa 80 Prozent der Deutschtürken zu einem säkularisierten Islam.

Integrationsminister Laschet sucht mit beiden islamischen Gruppierungen den Dialog. «Wir brauchen eine Form des Religionsunterrichts, in der sich die säkularen Muslime wiederfinden», sagt der CDU-Politiker. Bereits heute wird an etwa 120 Schulen in NRW Islamkunde in deutscher Sprache unterrichtet. Doch der Modellversuch ist Laschet zu wenig. Auch mit Blick auf die beiden großen christlichen Kirchen lehnt der Minister ein weltanschaulich neutrales Ethik-Fach wie in Berlin und Brandenburg ab. «Wir glauben, dass die Religionsgemeinschaften den Religionsunterricht in eigener Verantwortung vermitteln sollen», so Laschet. Ebenso wie den christlichen Kirchen stehe dieses Recht nach dem Grundgesetz auch dem Islam zu - «wenn er denn mal eine Religionsgemeinschaft ist». Doch das kann dauern.