Warum einem Katholiken in Mauretanien die Todesstrafe droht

"Möglichst große Hilfe zukommen lassen"

Wegen einer Konversion zum katholischen Glauben in Deutschland steht ein 26-Jähriger in seinem Heimatland Mauretanien vor Gericht. Hilfsbemühungen kommen aus Kirche und Politik, weiß Pastoralreferent Werner Kleine.

Symbolbild Stacheldraht über Gefängnismauern / © Vadzim Mashkou (shutterstock)
Symbolbild Stacheldraht über Gefängnismauern / © Vadzim Mashkou ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie ist S. oder wie er heute für uns heißt, Paulus zu uns gekommen?

Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent bei der katholischen Citykirche Wuppertal, Leiter der KGI-Fides-Stelle Wuppertal): Paulus ist 2018 mit einem Visum zur Studienvorbereitung nach Deutschland gekommen. Er wollte an der Uni Wuppertal Ingenieurwissenschaften studieren. Dafür musste er einen Deutschkurs machen, denn für das Studium muss man ein Sprachzertifikat der Stufe C1 vorweisen.

Die allerletzte Prüfung hat er nicht bestanden. Dadurch konnte er den Nachweis nicht erbringen und sein Visum erlosch. Ohne Visum muss er das Land verlassen. Schlussendlich ist er im März in Abschiebehaft genommen worden und im Juli nach Mauretanien abgeschoben worden.

DOMRADIO.DE: Als Leiter der Glaubensinformation FIDES in Wuppertal haben Sie Paulus bei der Taufvorbereitung kennengelernt. Wie kam das?

Kleine: Er hatte in Deutschland den römisch-katholischen Glauben kennengelernt und kam im Juni letzten Jahres mit dem Wunsch, sich taufen zu lassen, auf mich zu. Als KGI-FIDES-Stelle des Erzbistums Köln in Wuppertal bereiten wir Erwachsene auf die Taufe vor.

Die Vorbereitung ist nach meinem Dafürhalten extrem erfolgreich verlaufen. Ich habe einen sehr interessierten jungen Mann kennengelernt, der mit vielen Fragen auf mich zu kam; der eifrig in der Bibel gelesen hat; der Fragen gestellt hat, die zeigten, dass er offenkundig regelmäßig den Gottesdienst besuchte.

Am 25. Februar ist er von Kardinal Woelki zur Taufe zugelassen worden. Geplant war, ihn traditionell in der Feier der Osternacht in Sankt Marien in Wuppertal zu taufen. Kurz vorher ist er zu einem Termin mit mir nicht erschienen. Das war ungewöhnlich. Ich habe hinter ihm her telefoniert, ihn aber nicht erreicht. Er meldete sich später bei mir via SMS aus der Abschiebehaft in Büren.

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent bei der katholischen Citykirche Wuppertal, Leiter der KGI-Fides-Stelle Wuppertal)

Ich bin eilenden Fußes nach Büren gefahren und wir haben dort seine Taufe gefeiert. Am Morgen wusste ich noch nicht, ob wir überhaupt einen Priester haben werden.

Abschiebehaft ist nicht so streng wie Strafhaft. Heißt, man darf mobile Geräte eingeschränkt nutzen. Wir haben versucht, diesen Kontakt so gut es geht aufrecht zu halten. Wir haben einiges versucht, um ihn da rauszubekommen. Leider erfolglos. Zum Glück liefen zwei Abschiebeversuche ebenso erfolglos.

Am 3. Juni bin ich dann eilenden Fußes bzw. eilenden Reifens nach Büren gefahren und wir haben dort seine Taufe gefeiert. Der ansässige Gefängnisseelsorger war mir extrem hilfreich gewesen, hat alles organisiert. Am Morgen des Tages wusste ich noch nicht, ob wir überhaupt einen Priester haben werden.

Im Zweifelsfall hätte ich die Taufe im Rahmen einer Nottaufe selbst gespendet. Es kam aber der alte Pfarrer von Büren dazu, sodass wir die Initiation und die Sakramente der Taufe, der Firmung und der ersten Eucharistie ordentlich feiern konnten.

DOMRADIO.DE: Sie sind Taufpate von Paulus und haben ihm auch seinen Taufnamen gegeben. Wie ist es dazu gekommen?

Kleine: Er wusste aus unseren Gesprächen, dass man sich bei der Taufe einen christlichen Taufnamen geben kann. Er hatte für sich in der speziellen Situation keinen Namen und bat mich als seinen Taufpaten, ihm einen Namen zu schenken. Nach sehr spontanem Überlegen bin ich ebenso spontan auf seinen Taufnamen Paulus gekommen. Aus drei Gründen.

Erstens, ich habe über Paulus meine Doktorarbeit geschrieben. Zweitens heißt Paulus übersetzt der Kleine, also wie mein Nachname. Drittens hieß mein Großvater, den ich sehr verehre, Paul, sodass ich ihm den Namen Paulus geschenkt habe. Wir haben damit noch mal eine besonders intensive Beziehung.

DOMRADIO.DE: Wie sieht die aktuelle Situation von Paulus aus? Haben Sie Kontakt zu ihm?

Kleine: Nach der Abschiebung haben wir erst wochenlang keinen Kontakt gehabt. Dann kam eines Tages eine kurze SMS-Nachricht, zweieinhalb Zeilen von Paulus. Da stand, dass er im Gefängnis in Mauretanien sitze, auf sein Verfahren wegen Apostasie (Abfall vom Glauben, Anm. d. Red.) warte und ihm die Todesstrafe drohe. So wussten wir schon mal, dass er auf jeden Fall noch lebt und er eben irgendwo in Mauretanien im Gefängnis sitzt.

Ich hatte schon vorher Kontakt zum katholischen Bischof von Mauretanien aufgenommen. Das ist, wie der Zufall will, ein Deutscher, sodass ich keine sprachlichen Schwierigkeiten hatte.

Er hatte versprochen, sich zu kümmern und uns mitgeteilt, dass die Todesstrafe in solchen Fällen mit Sicherheit verhängt wird, aber – Gott sei Dank möchte man sagen – in Mauretanien nicht mehr vollstreckt wird. Das ist die gute Nachricht, die schlechte Nachricht ist, dass die Strafe wohl in eine sehr langjährige Haftstrafe umgewandelt wird.

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent bei der katholischen Citykirche Wuppertal, Leiter der KGI-Fides-Stelle Wuppertal)

Paulus wird es hoffentlich überleben, aber auch eine langjährige Haftstrafe dafür, dass man sich taufen lässt, damit wollen wir uns nicht zufriedengeben.

Die Caritas hat in Mauretanien wohl Zugang zu den Gefängnissen. Wir versuchen derzeit Kontakt zu Paulus zu bekommen. Wir wissen aber nicht, in welchem Gefängnis er sitzt. Ein Rechtsanwalt ist in Mauretanien unterwegs. Er hat ihn im Zentralgefängnis in Nouakchott nicht vorgefunden.

Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir Kontakt zu Paulus aufbauen können, um ihm möglichst große Hilfe zukommen zu lassen. Paulus wird es hoffentlich überleben, aber auch eine langjährige Haftstrafe dafür, dass man sich taufen lässt, damit wollen wir uns nicht zufriedengeben. Wir wollen versuchen, seine Situation so gut es geht zu verbessern.

DOMRADIO.DE: Warum gibt es einen katholischen Bischof in einem Land, wo es keine Katholiken geben darf?

Kleine: Ich kenne die Situation in Mauretanien nicht so gut. Ich weiß, dass Mauretanien etwa 5 Millionen Einwohner hat und davon 99,5 Prozent Muslime sind. Die restlichen 0,5 Prozent verteilen sich auf die vielen anderen Religionen.

Ein großer Vorteil des Katholischseins ist es, dass das griechische κατά (katá) und ὅλος (hólos) eben allumfassend heißt. Die katholische Kirche ist doch überall. Wir können überall Kontakte aufbauen. So haben wir eben auch einen katholischen Bischof in Mauretanien und das ist für uns ein großer Segen.

DOMRADIO.DE: Sie bekommen auch Unterstützung aus der Politik. Von wem?

Kleine: Zum einen von Helge Lindh. Er ist Bundestagsabgeordneter und hat seinen Wahlkreis in Wuppertal. Wir haben Glück mit ihm, weil er sich sehr für Menschen mit Flucht- und/oder Migrationshintergrund engagiert. Ich habe ihn sehr schnell kontaktieren können, weil wir uns kennen, und er hat seine Unterstützung zugesagt.

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent bei der katholischen Citykirche Wuppertal, Leiter der KGI-Fides-Stelle Wuppertal)

Gestern habe ich mit Kardinal Woelki telefoniert. Über ihn konnten wir das katholische Büro in Berlin auf den Stand bringen.

Nachdem wir wussten, wo Paulus sich aufhält, hat Helge Lindh seine Kontakte aktiviert und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze angesprochen, die – wie der Zufall will – vor gut einer Woche Mauretanien besucht hat. Wir konnten ihrer Delegation ein Bittschreiben mitgeben, das an die Behörden in Mauretanien weitergeleitet worden ist.

Gestern haben Helge Lindh und ich zusammen einen Brief an die deutsche Botschafterin in Mauretanien geschickt, um auch von dieser Seite Unterstützung zu bekommen, um den deutschen Staat die Hilfe gewähren zu lassen, die er hier in Deutschland – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewähren konnte.

DOMRADIO.DE: Unterstützung gibt es nicht nur aus der Politik. Auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat sich eingeschaltet.

Kleine: Genau. Gestern habe ich mit Kardinal Woelki telefoniert. Er rief mich in dieser Angelegenheit an. Über Kardinal Woelki konnten wir das katholische Büro in Berlin auf den Stand bringen. Die versuchen jetzt ihre Kanäle zu nutzen, damit wir Paulus wirklich helfen können und seine Situation verbessern.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Hilfswerk sieht neue Eskalation der Verfolgung von Christen

Das internationale katholische Hilfswerk "Kirche in Not" hat eine "neue Eskalation der Verfolgung" von Christen und anderen religiösen Gruppen beklagt. Der Geschäftsführer der Organisation in Deutschland, Florian Ripka, erklärte am Montag in München, täglich gingen neue Schreckensmeldungen ein: Im Osten Pakistans brennten Extremisten Häuser von Christen nieder, weil einer Familie die Schändung des Korans vorgeworfen werde. Im indischen Bundesstaat Manipur seien ethnische Konflikte in eine offene Christenverfolgung ausgeartet, die seit drei Monaten anhalte.

Symbolbild: Christenverfolgung  / © nn (AFP)
Symbolbild: Christenverfolgung / © nn ( AFP )
Quelle:
DR
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