Leiter der Karl-Rahner-Akademie stellt Jahresprogramm vor

"Die Anerkennung der anderen Meinung"

Die Kölner Karl-Rahner-Akademie eröffnet am Samstag mit einem Sommerfest ihr Jahresprogramm. Ihr Leiter Norbert Bauer stellt einige Highlights vor und erklärt, wie Akademien mit ihrer Arbeit in die Gesellschaft hineinwirken können.

Symbolbild: Vortrag, Redner, Konferenz, Symposium, Debatte, Diskussion, Veranstaltung. / © Matej Kastelic (shutterstock)
Symbolbild: Vortrag, Redner, Konferenz, Symposium, Debatte, Diskussion, Veranstaltung. / © Matej Kastelic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Am Samstag beim Sommerfest gibt es bereits einem Vortrag. Es geht um die Frage, wie Gemeinschaft gelingen kann in einer zunehmend diverseren Gesellschaft. Redner wird der Sozialpsychologe Musa Deli. Um welche Art des Zusammenlebens geht es?

Norbert Bauer (privat)

Norbert Bauer (Leiter der Karl-Rahner-Akademie in Köln): Musa Deli wird biografisch erzählen. Musa Deli ist ein kölscher Jung. Er ist hier geboren und Sohn zugewanderter Gastarbeiter. Mit seinen Geschwistern und den Eltern ist er in einer Zweizimmerwohnung groß geworden.

Bei der Bildung hat er sich angestrengt. Hat am Abendgymnasium sein Abitur gemacht und danach studiert. Heute ist er der Leiter des Gesundheitszentrums für Migrantinnen und Migranten in Köln. Über seine Erfahrungen in Köln und in dieser Funktion hat er ein beachtetes Buch geschrieben. Wahrscheinlich wird er einen Schwerpunkt auf Haltung setzen, die Haltung der Anerkennung.

Er erzählt in dem Buch eine schöne Geschichte: Er kommt aus dem Urlaub zurück und landet am Kölner Flughafen. Bei der Passkontrolle begrüßt der Beamte ihn, den offensichtlich türkisch aussehenden Menschen mit den Worten: Willkommen zu Hause. Dieser kurze Satz hat ihn sehr gefreut, dass er als Mensch mit Migrationsgeschichte in Köln am Flughafen zu Hause willkommen geheißen wird. Das ist eine dieser Haltungsfragen, die Musa Deli betont. Es geht vor allen Dingen um Anerkennung, die Anerkennung des Gegenübers in seinem Anderssein.

Norbert Bauer

"Wer zu uns in die Akademie kommt, sei es als Zuhörer oder als Referent, muss in der Lage sein, seine Position zu hinterfragen."

DOMRADIO.DE: Inwieweit können Akademien mit ihrer Arbeit in die Gesellschaft hineinwirken?

Bauer: Da geht es auch um eine anerkennende Haltung. Die Anerkennung der anderen Meinung. Wer zu uns in die Akademie kommt, sei es als Zuhörer oder als Referent, muss in der Lage sein, seine Position zu hinterfragen. Er muss in die Akademie kommen und wissen, dass der oder die andere recht haben könnte. Das ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Debatten.

Natürlich geht es bei uns in der Akademie nicht nur um Meinung. Akademien sind auch Orte der Wissenschaft, wo Menschen der Wissenschaft kommen und Vorträge über ihre Forschungsergebnisse halten und mit Menschen öffentlich in den Dialog kommen. Es geht sowohl um Meinungsvielfalt als auch um das Nennen von Fakten. Letzteres geht oft verloren im Meinungsstreit.

DOMRADIO.DE: Die Karl-Rahner-Akademie hat einen christlich katholischen Hintergrund. Es werden auch aktuelle Themen der Kirche zur Sprache kommen. Zum Beispiel die Aufarbeitung von Missbrauch. Ende September veranstalten Sie dazu eine Podiumsdiskussion. Wer wird dort diskutieren?

Bauer: Für die Deutsche Bischofskonferenz wird Bischof Dieser teilnehmen. Er ist seit einem Jahr Beauftragter für die Frage der Aufklärung. Außerdem werden Birgit Mock vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und der Jurist Professor Stephan Rixen mitdiskutieren.

Karl-Rahner-Akademie

Die Karl Rahner Akademie ist ein unabhängiges katholisches Forum mitten in Köln. Der Name erinnert an den Jesuiten Karl Rahner (1904-1984), einen der bedeutendsten theologischen Denker des 20. Jahrhunderts.
Seit mehr als sechzig Jahren ist das Haus neben der Kunst-Station Sankt Peter ein etablierter Ort für lustvoll und ernsthaft geführte Debatten. Weitere Infos zur Akademie: www.karl-rahner-akademie.de. (DR)

Theologe Karl Rahner (l.) und Joseph Ratzinger, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Regensburg, auf der Vollversammlung der gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg am 10. Mai 1972. / © Ernst Herb (KNA)
Theologe Karl Rahner (l.) und Joseph Ratzinger, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Regensburg, auf der Vollversammlung der gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg am 10. Mai 1972. / © Ernst Herb ( KNA )

Wir haben das Thema ins Programm geholt, weil genau im September vor fünf Jahren die Bischofskonferenz die MHG-Studie vorgestellt hat. Damals war die Botschaft der Bischöfe: Wir haben verstanden. Mit der Veranstaltung in der Talk-Reihe "frank & frei" wollen wir die fünf Jahre resümieren. Wir wollen aus verschiedenen Perspektiven draufschauen.

Was ist in der Zeit passiert? Was lief gut? Woran muss noch gearbeitet werden? Was muss sich ändern? Außerdem geht es um die übergeordnete Frage, wie wirkliche Aufklärung gelingen kann.

Zum Beispiel erleben wir, dass jedes Bistum seine eigene Studie nach eigenem Profil erstellt. Es gibt juristische Studien, sozialwissenschaftliche Studien, historische ... Wir fragen, ob diese Vielfalt der Ansätze der Sache guttut oder ob es besser wäre, vergleichbare Studien zu beauftragen. Solche Fragen werden da gewiss auf dem Podium diskutiert werden.

DOMRADIO.DE: Eine weitere Reihe nennt sich Lebensromane. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, wird zu Ihnen kommen. Was zeichnet einen Lebensroman aus und welches Buch wird Mützenich mitbringen?

Bauer: Ein Lebensroman ist zum einen ein für mein Leben wichtiges Buch, was mich vielleicht geprägt hat; mein Leben verändert hat; was ich immer mal wieder aus dem Regal hole. Aber es geht auch um den "Lebensroman" des Gastes. Wie ist sein Leben verlaufen?

Die WDR-Redakteurin Helga Kirchner hat die Reihe ins Leben gerufen und moderiert sie auch. Bei ihr waren schon verschiedene Persönlichkeiten zu Gast. Zum Beispiel Annette Schavan, Franz Müntefering oder Christoph Kuckelkorn, der Bestatter und Präsident des Kölner Festkomitee. Als Nächstes kommt der SPD-Fraktionsvorsitzende. Er wird einen Krimi von Georges Simenon mitbringen: "Die Verlobung des Monsieur Hire". Ich bin gespannt, warum er gerade dieses Buch ausgewählt hat.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR