Der Advent ist die Zeit, in der wir auf Weihnachten warten. Aber auch in unserem Alltag gibt es viele Momente, in denen wir warten: an der Bus- oder Bahnhaltestelle, im Wartezimmer beim Arzt, in der Warteschleife der Versicherung oder auf das Kind, das beim Schuhe anziehen trödelt.
Hannah Greis ist eine junge Künstlerin aus Köln, die sich in den letzten Monaten intensiv mit diesen Wartemomenten und -orten beschäftigt hat. Sie selbst hat viel Zeit an solchen Orten verbracht und die Menschen um sich herum beobachtet. "Sie sitzen auf so engem Raum zusammen und bringen all ihre Sorgen, ihre Wünsche, ihre Emotionen mit. Dieser ganze Raum wird immer weiter aufgeladen." Diese Dichte an rohen Emotionen beschreibt sie als einen intimen Moment des Innehaltens im sonst so hektischen Alltag.
"Warten ist ein Moment, in dem man nicht performen muss. Man ist einfach da und existiert. Die Menschen ringen mit sich selbst und damit, mal sie selbst sein zu dürfen."
Handy raubt uns das Warten
Sie selbst sieht die Welt inzwischen wie durch eine Art Wartebrille. Immer mehr Warteorte fallen der jungen Künstlerin ins Auge. Aber auch, wie sehr sich die Menschen gegen das Warten sträuben. Kaum gibt es einige Sekunden Stillstand, schon holen sie das Handy raus. Es werden E-Mails gecheckt oder Instagram geöffnet.
"Das Handy ist die Perfektion, um Warten zu umgehen. Die Menschen können es nicht mehr aushalten, nichts zu tun zu haben", sagt Hannah Greis. Dabei bietet das Warten aus ihrer Sicht eine wunderbare Gelegenheit, den Alltag für einen Moment zu unterbrechen.
Beim Warten gehe es um Spannung
Jeder Stuhl im Wartezimmer erzählt seine eigene Geschichte. Gerade in Krankenhausfluren ist die Spannung des Wartens mit Händen greifbar.
"Ich will mit meinen Werken ein bisschen Trost und Halt bieten: Es ist menschlich, dass man sich verloren und verlassen fühlt im Warten. Aber es gibt so viele andere Menschen, die bei einem sind, auch wenn der Raum so kahl und schlicht ist."
Warten ist Ruhepool der Künstlerin
Für ihre Ausstellung hat sie sich deshalb genau so einen Warteort ausgesucht. Ab dem ersten Advent sind in der Kapelle des Johannesstift des Bethel Krankenhauses in Bielefeld ihre Gemälde zu sehen. In den ersten Tagen wird die Künstlerin vor Ort für Gespräche bereitstehen. Sie hofft darauf, mit ihren Bildern und in Gesprächen die Neugierde fürs Warten aufzuwecken: "Ich finde es spannend, den Leuten eben diese zweite Dimension zu eröffnen und wünsche mir, dass sie sich darauf einlassen können. Dass sie sehen, dass doch mehr dahintersteckt, hinter diesem Stuhl."
Zum Abschluss kommt sie noch mal auf die Weihnachtszeit zu sprechen. Sie möchte im Advent die Gelegenheit nutzen und sich Orte schaffen, in denen es Raum zum Innehalten und Warten gibt. Sich selbst auch mal kritisch zu fragen, worauf man eigentlich wartet. Dazu sagt Hannah Greis: "Ich habe manchmal viel zu viel Stress, um zu warten. Ich warte darauf, dass ich mal wieder Zeit habe, auf etwas zu warten. Denn Warten ist für mich inzwischen ein Ruhepol. Ein Moment, in dem ich merke, ich muss gerade nichts leisten, sondern darf einfach nur sein."