Warum deutsche Asche im Berner Oberland verstreut wird

Letzte Ruhe im Bergwald

In Deutschland gilt der Friedhofszwang: Särge oder Urnen müssen beigesetzt werden. In der Schweiz sind die Regeln weniger streng. Deswegen kann die Asche von Deutschen im Berner Oberland verstreut werden.

Autor/in:
Eva Meienberg
Blick auf Berge und Wälder im Berner Oberland / © Chase Dekker (shutterstock)
Blick auf Berge und Wälder im Berner Oberland / © Chase Dekker ( shutterstock )

Erst kürzlich hat der Friedhofszwang wieder mal ein deutsches Gericht beschäftigt. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte vergangene Woche: Der Friedhofszwang ist rechtens. Geklagt hatte ein Mann, der seine Asche und die seiner Frau später auf seinem eigenen Grundstück bestatten lassen wollte. Doch das ist und bleibt verboten. Erlaubt sind in Deutschland nur Naturbestattungen. Meist wird dabei eine biologisch abbaubare Urne zwischen den Wurzeln eines Baumes beerdigt. Die Idee stammt aus der Schweiz.

Naturbestattungen in den Alpen

Die deutsche Bestattungsfirma "Oase der Ewigkeit" hat aus dem Friedhofszwang ein Geschäftsmodell gemacht. Sie betreibt einen Begräbniswald auf dem Beatenberg im Berner Oberland. Das Angebot: Naturbestattungen in den Alpen. Für 324 Euro wird die Asche auf eine Wiese, in einen Bach oder in den Wind gestreut - ohne Teilnahme der Angehörigen. Mit Teilnahme kostet es 432 Euro. Das Institut fordert die Urne beim lokalen Bestattungsdienst in Deutschland an. Die Asche wird dann per Post in die Schweiz geliefert. Gegen Aufpreis pflanzt die Firma während der Sommermonate ein Edelweiß.

Die Firma hatte in der Vergangenheit einen Naturfriedhof bei Sitten im Wallis - mit rund 300 Beisetzungen im Jahr 2008. Die Idee fand Nachahmer. Den Walliser Behörden ging das schließlich zu weit: "Seit 1. Juli 2009 ist das gewerbsmäßige Bestatten in der Natur verboten", sagt Rolf Lambrigger, Bestatter aus dem Wallis und damals Präsident des Schweizerischen Verbandes der Bestattungsdienste. Das Verbot sei eine Reaktion auf das Geschäft mit der Asche von Verstorbenen aus Deutschland gewesen. Das Gesetz hindere aber niemanden daran, die Asche privat in der Natur beizusetzen, was auch gemacht werde, so Lambrigger.

Gemeinde ist beteiligt

Im Berner Oberland sei es ruhig um das Thema, sagt Roland Noirjean, Gemeindepräsident von Beatenberg. Der Widerstand, den es hier gegeben habe, sei vorbei. Einige Bürger hätten anfänglich ethische Bedenken geäußert; Waldbesitzer fürchteten um die Waldesruhe. Der Gemeinderat habe sich aber von Anfang an für den Begräbniswald ausgesprochen - zur Standortförderung.

Denn Beatenberg ist finanziell an den Bestattungen beteiligt. Zehn Prozent vom Bruttoumsatz gehen an die Gemeinde, mindestens aber 10.000 Franken pro Jahr. Der Tourismus profitiere indirekt ebenfalls: "Die Angehörigen besuchen die Verstorbenen im Wald und kommen regelmäßig zurück nach Beatenberg, wo sie im Hotel übernachten", so Noirjean.

Letzte Ruhe im Wald

Das deutsche Bestattungsunternehmen hat nun ein weiteres Waldstück gekauft. Die Auflagen vom Amt des Kantons Bern sehen vor, dass auf 100 Quadratmetern lediglich die Asche von zwei Verstorbenen verstreut werden darf, um eine Überdüngung des Waldes zu vermeiden. Grabschmuck ist nicht erlaubt. Außer kleinen Plaketten an den Bäumen finden sich keine Hinweise auf die Verstorbenen.

"Die Menschen wollen einen Platz in der Natur, wo sie für immer bleiben können, wo man keine Verantwortung für Grabpflege hat", erläutert der Geschäftsführer des Unternehmens, Dietmar Kapelle. "Sie wollen die Letzte Ruhe in den Bergen finden, ohne eine Spur zu hinterlassen, ohne aufdringlich zu sein." In der weiten Natur komme man nach dem Tod niemandem "zu nahe".

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA