Der Bildhauer Hubertus von Pilgrim wird 90

Wankende Häftlinge

Eine Prozession ausgemergelter Körper mit gesichtslosen Köpfen - mit dem "Todesmarsch von Dachau" setzte der deutsche Bildhauer Hubertus von Pilgrim den Opfern der Nazi-Diktatur ein bleibendes Denkmal.

Autor/in:
Angelika Prauß
Hubertus von Pilgrim / © Florian Göttler (KNA)
Hubertus von Pilgrim / © Florian Göttler ( KNA )

Der Adenauer-Kopf vor dem Bonner Bundeskanzleramt und die Skulptur entkräfteter Gestalten auf ihrem "Todesmarsch von Dachau" - in identischer Form an rund 20 Orten entlang der Strecke aufgestellt - zählen zu den bekanntesten Werken des Bildhauers Hubertus von Pilgrim.

Am 24. August wird von Pilgrim, der 1931 in Berlin zur Welt kam, 90 Jahre alt. Mit seiner Dachau-Plastik ist er als erster deutscher und christlicher Bildhauer in der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem vertreten.

Ein Gymnasiast gab den Anstoß zur Errichtung der ersten Todesmarsch-Mahnmale, die an den letzten Leidensweg von Dachauer und Kauferinger KZ-Häftlingen erinnern sollen: Matthias Hornstein legte in seinem Sozialkundekurs im Februar 1985 eine Facharbeit über den jüdischen Friedhof seiner Heimatgemeinde vor.

Ein Schüler erforscht den Todesmarsch

Der Schüler fand heraus, dass die meisten der dort Bestatteten zu den Opfern des Todesmarsches von Dachau zählten. Er kritisierte das fehlende Wissen und Engagement zur Aufarbeitung dieses Stücks Heimatgeschichte - und löste damit in seinem Ort einen politischen Prozess aus.

Wenige Monate später wurde der Gemeinderat aufgefordert, in Erinnerung an den vergessenen Todesmarsch einen Gedenkstein zu errichten. Im September 1988 schließlich billigte das Gremium das unter 28 Entwürfen ausgewählte Modell von Hubertus von Pilgrim.

Die ein Jahr später fertiggestellte Skulptur erinnert daran, wie die SS-Männer in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 Tausende von Häftlingen grausam in Richtung Süden trieben. Viele überlebten die Torturen nicht. Die Skulptur der ins Ungewisse wankenden Häftlinge überzeugte nicht nur in Deutschland.

Lob aus Israel

Die in Israel angesiedelte "Vereinigung der Überlebenden der Außenlager Landsberg/Kaufering des KZ Dacha" übernahm das Motiv als ihr Logo. Kunst kommt von Können - bei von Pilgrim trifft das auf alle Fälle zu. Nach einer Ausbildung zum Böttcher in Heidelberg hatte er Kunst- und Literaturgeschichte sowie Philosophie studiert.

Gleichzeitig nahm er Unterricht bei dem expressionistischen Maler und Grafiker Erich Heckel. In den Jahren 1954 bis 1960 folgte ein Studium der Bildhauerei als Meisterschüler bei Bernhard Heiliger an der Hochschule der Künste in Berlin.

Lernen beim Briten in Paris

Um seine Kupferstichtechnik zu vervollkommnen, ging er nach Paris zu dem britischen Maler, Radierer und Grafiker Stanley W. Hayter. 1963 wurde von Pilgrim als damals jüngster Akademieprofessor der Bundesrepublik an die Staatliche Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig berufen, wo er bis 1977 unterrichtete.

Es folgte ein Ruf an die Akademie der Bildenden Künste in München, an der von Pilgrim bis 1995 lehrte. Im öffentlichen Auftrag entwarf der Künstler bedeutende Werke. Dazu zählt besonders das Mahnmal für die Opfer des Evakuierungsmarsches in Dachau.

20 weitere Denkmäler, eines in Yad Vashem

Bis zum Jahr 2005 wurden über 20 weitere identische Denkmäler entlang der Strecke von Dachau bis Waakirchen im Münchner Umland aufgestellt - eine in Deutschland einmalige Initiative zur Erinnerung an die Todesmärsche. Auch in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem befindet sich seit 1992 eine derartige Skulptur.

Ebenfalls im öffentlichen Auftrag entstand das Konrad-Adenauer-Monument am Bonner Bundeskanzlerplatz, ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen. In die Bronzeskulptur arbeitete der Künstler in der Rückansicht des Kopfes verschiedene Reliefs ein.

Neben Adenauers Lebensdaten findet sich dort unter anderem ein Rosenstock - als Hinweis auf das Hobby des ersten Nachkriegskanzlers und zugleich als Symbol für das wiedererstehende Deutschland.

Kunst  auch in Reims und Köln

Die Kathedrale von Reims als Stätte der Versöhnung der ehemaligen "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich ist in der Bronze ebenso zu entdecken wie der Kölner Dom, der an Adenauers Zeit als Oberbürgermeister der rheinischen Großstadt erinnert.

Seit seiner Emeritierung im Jahr 1995 ist von Pilgrim im bayerischen Pullach freischaffend tätig. 1995 wurde er in den Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste aufgenommen, dessen Vizekanzler er von 2009 bis 2013 war. 1997 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern sowie 2005 das Bayerische Verdienstkreuz.


Quelle:
KNA