Missbrauchsbetroffene kritisieren Erzbistum Freiburg

Vorwurf der mangelnden Opferfürsorge

Die Betroffenen-Initiative kirchlicher Missbrauch Süddeutschland hat das Erzbistum Freiburg im Fall Ellen Adler kritisiert. Statt Vergewaltigungs- und Vertuschungsvorwürfe transparent aufzuarbeiten, weiche die Diözese aus.

Freiburger Münster / © pakpoomkh (shutterstock)

Formaljuristische Argumente würden vorgeschoben und damit sexualisierte Gewalt verharmlost, sagte eine Sprecherin der Initiative am Mittwoch in Freiburg. Sie forderte ein Seelsorge-Verbot für die beiden beschuldigten Ordensmänner.

Unter ihrem Pseudonym hatte Ellen Adler in einem Buch berichtet, dass sie 1990 im Alter von 22 Jahren von einem Pallottiner-Novizen vergewaltigt worden sei, als sie nach ihrer Ausreise aus der DDR vorübergehend in einem Haus des Ordens untergebracht war. Ein zweiter Ordensmann habe von der Vergewaltigung gewusst und diese vertuscht.

Adler wandte sich 2020 an den Orden sowie an die Bistümer Dresden-Meißen und Freiburg.

Zwist mit Bistum Dresden-Meißen

Die Pallottiner-Gemeinschaft wies den Vorwurf der Vergewaltigung zurück und sprach von einer "einmaligen, einvernehmlichen sexuellen Begegnung". Dagegen hält das Bistum Dresden-Meißen Adlers Darstellung für plausibel und sieht Anhaltspunkte für sexuelle Übergriffe gegenüber einer schutzbedürftigen Erwachsenen sowie für Vertuschung.

Daher stellte das Bistum im April 2020 Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft ließ die Beschuldigten vernehmen, stellte das Verfahren dann aber wegen Verjährung ein.

Bischof Heinrich Timmerevers verbot den beiden Pallottinern, auf dem Gebiet des Bistums Dresden-Meißen tätig zu sein. Gegen dieses kirchenrechtliche Verbot klagte der Orden; die Angelegenheit wird nun im Vatikan geprüft. Das Erzbistum Freiburg sieht keine rechtliche Grundlage für ein Seelsorge-Verbot. Damit können die beiden Pallottiner auf dem Gebiet des Erzbistums weiter arbeiten und beispielsweise Exerzitien anbieten.

Zugleich betonte das Erzbistum Freiburg, den Anschuldigungen umfassend und gemäß den geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz nachgegangen zu sein. Dabei hätten sich die Vorwürfe nicht erhärten lassen. Das Bistum sicherte zugleich zu, den Fall erneut zu prüfen, wenn es neue Informationen geben sollte. Auch teilte das Erzbistum Freiburg mit, der Betroffenen Hilfe angeboten zu haben, etwa mit einer telefonischen psychologischen Unterstützung.

Die Betroffenen-Initiative warf dem Erzbistum Freiburg dagegen Untätigkeit und mangelnde Opferfürsorge vor: "Es kann nicht sein, dass in einigen Bistümern Schutz vor Gefährdern besteht, der dann in anderen Bistümern bewusst unterlaufen wird", kritisierte die Sprecherin. Wenn ein Bistum Vorwürfe als plausibel erachte, müsse dies auch bundesweit für die anderen Bistümer gelten.

Vorwurf der Versäumnisse beim Umgang mit sexualisierter Gewalt

Auch über den konkreten Fall hinaus sieht die Initiative Versäumnisse beim Umgang mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch. So sei die von Erzbischof Stephan Burger einberufene Missbrauchskommission "intransparent, überfordert und keineswegs unabhängig". Der Fall Adler zeige, dass "Freiburg grundlegende Prinzipien der Missbrauchsordnung der Deutschen Bischofskonferenz nicht verstanden hat oder nicht verstehen will".

Derzeit arbeitet das Erzbistum an neuen Strukturen für Missbrauchsaufarbeitung und Prävention. Beispielsweise wird ein Betroffenenbeirat gegründet. Auch ein detaillierter Bericht zur bisherigen Aufarbeitung ist angekündigt. Ziel der katholischen Kirche ist es, bundesweit vergleichbare Strukturen zu schaffen.

Die Betroffeneninitiative kirchlicher Missbrauch Süddeutschland hat sich Ende 2020 gegründet. Nach eigenen Angaben unterstützt und berät die Gruppe Missbrauchsbetroffene beispielsweise in den Bistümern Freiburg, Rottenburg, Würzburg und München. Ziel sei es auch, Betroffene zu vernetzen.


Quelle:
KNA