Vor zehn Jahren begann der Krieg gegen die Taliban in Afghanistan

Zerbrochene Hoffnung auf Frieden

Am 7. Oktober 2001 – keinen Monat nach Nine Eleven - begannen amerikanische und britische Kampfflugzeuge mit der Bombardierung Afghanistans. Zehn Jahre sind seitdem vergangen, Frieden und Stabilität bleiben in weiter Ferne.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

"Ich hörte ein fauchendes Geräusch über mir, und als ich meine Augen wieder öffnete, war ich im Krankenhaus", erinnerte sich Assadullah, ein Eiscremeverkäufer aus Dschalalabad an den Beginn des Krieges in Afghanistan. Ein Marschflugkörper war auf einer Flugzeug-Landebahn in der Nähe seines Hauses eingeschlagen.



"Die Taliban werden den Preis zahlen müssen", drohte der damalige US-Präsident Georg W. Bush dem islamistischen Regime in Kabul, das dem Terrornetzwerk Al Kaida Zuflucht gewährt hatte. Der damals 16-jährige Assadullah, der zur medizinischen Behandlung über die Grenze nach Pakistan geschafft wurde, war eines der ersten Opfer der Kampfes der NATO gegen den Terrorismus. Er habe ein Bein und einen Finger verloren, erzählte der Jugendliche damals Journalisten in Peshawar.



Keine rosigen Aussichten

Seither sind zehn Jahre vergangen. Die Operation "Enduring Freedom" der NATO sollte dem islamischen Land Frieden und Stabilität bringen. Doch diese Aussicht bleibt bis heute nicht besonders rosig. "Die Taliban sind Feinde des Friedens in Afghanistan", erklärte Masun Stanekzai in der vergangenen Woche von seinem Bett in einem Krankenhaus in Kabul. Die Sekretär des Hohen Friedensrates war einer der Top-Verhandlungsführer der afghanischen Regierung und hatte monatelang daran gearbeitet, einer politischen Lösung mit den Aufständischen näherzukommen.



Er glaubte auch fest daran, dass der Gesandte aus Kandahar eine wichtige Nachricht der Taliban an den Friedensrat überbringen würde. Stanekzai stand erwartungsvoll neben Burhanuddin Rabbani, dem Chef des Friedensrates, in dessen Haus in Kabul, als der vermeintliche Friedensbote einen in seinem Turban versteckten Sprengsatz zündete. Rabbani war auf der Stelle tot, Stanekzai wurde bei dem Anschlag schwer verletzt. Auch wenn seine Brandwunden an Kopf und Armen langsam abheilen, Stanekzais Hoffnung in den Friedensprozess ist zerstört. Er ist nicht allein in seinem Pessimismus.



Der Westen will seine Truppen bis 2014 vom Hindukusch abziehen. Die Afghanen sollen dann nach den Worten von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen "wieder Herren in ihrem eigenen Hause werden". Doch auch wenn die Militärallianz Erfolge präsentiert, die Lage in Afghanistan wird nicht besser, sondern verschlechtert sich, wenn man die menschlichen Verluste als Maßstab nimmt. Praktisch in jedem Jahr seit 2004 hat sich die Zahl der getöteten Soldaten der alliierten Truppen erhöht, wie die Internetseite "icasualties.org" zeigt. In den vergangenen drei Jahren war die Entwicklung besonders dramatisch. 2008 starben 295 Soldaten, 2009 waren es 521 und im vergangenen Jahr 711. In diesem Jahr dürfte sich die Zahl nochmals erhöhen.



Selbst Optimisten glauben nicht mehr an Frieden

Auch die afghanische Zivilbevölkerung leidet. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Sicherheitslage für die Bevölkerung in diesem Jahr weiter verschlechtert. Die Zahl der getöteten Zivilisten stieg zwischen Juni und August 2011 noch einmal um fünf Prozent verglichen mit dem gleichen Zeitraum 2010. Nach UN-Angaben starben im vergangenen Jahr 2.777 Afghanen, die nicht an den Kriegshandlungen beteiligt waren. Drei Viertel der Opfer wurden von den Aufständischen getötet, die meisten von ihnen durch Bodenminen.



Besonders die Hauptstadt Kabul, die lange als ruhig galt, ist in diesem Jahr ins Kreuzfeuer des Krieges geraten. Aufständische griffen den Flughafen an, attackierten das Militärkrankenhaus, Polizeistationen, das Luxus-Hotel Intercontinental, das Verteidigungsministerium, die US-Botschaft, das NATO-Hauptquartier und das Büro des US-Geheimdienstes CIA.



Auch eine Mordserie an wichtigen afghanischen Politikern hat Regierung und die Bevölkerung weiter verunsichert. Afghanistans Präsident Hamid Karsai wird dadurch noch weiter isoliert. Viele in Kabul erwarten einen neuen Bürgerkrieg, wenn 2014 der Westen abgezogen ist. Selbst Optimisten glauben nicht mehr an einen raschen Frieden am Hindukusch.