Die Bundeswehrreform verändert auch die Militärseelsorge

Weniger Soldaten, viel Arbeit

Vor wenigen Tagen hat Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) den Abgeordneten des Bundestags die Eckdaten der Bundeswehrreform erläutert. Weniger Personal und mehr Einsätze im Ausland lautet die Formel. Darauf wird sich auch die Militärseelsorge der beiden großen Kirchen einstellen müssen. Wobei weniger Soldaten nicht weniger Arbeit heißt, wie die Verantwortlichen betonen.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)

Im Gegenteil: Der katholische Militärpfarrer Artur Wagner aus dem baden-württembergischen Walldürn geht davon aus, dass ein Anstieg von Auslandseinsätzen ihn und seine 90 Kollegen vor neue Herausforderungen stellt. Die Ansage des Verteidigungsministers ist klar: Die Zahl der für solche Einsätze zur Verfügung stehenden Soldaten soll in den kommenden Jahren von 7.000 auf 10.000 Soldaten erhöht werden. Schon jetzt müssten die Betroffenen enorme psychische Belastungen aushalten und lernen, die oft monatelange Trennung von der Familie sowie den Umgang mit Tod und Schuld zu verarbeiten.



Für Wagners Dienstherrn, den katholischen Militärbischof Franz-Josef Overbeck, ist der Umbau bei der Bundeswehr auch in weniger existenziellen Fragen spürbar. Er nennt die Schließung von Standorten, die Verlegung von Truppenteilen und die Konsequenzen für das Familienleben der Soldaten als Beispiele. Zugleich mache sich eine geringer werdende Identifikation mit dem christlichen Glauben bemerkbar. Hier werde die Militärseelsorge fast schon zu einer missionarischen Aufgabe, so Overbeck.



Militärpfarrer Wagner kann das bestätigen. Die Konfrontation mit extremen Gefahrensituationen, etwa bei Erkundungsfahrten in den von Taliban kontrollierten Gebieten Afghanistans, führe mitunter jedoch wieder zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben. "Ich kann dabei aber auch meinen Glauben ganz verlieren", sagt Wagner, der betont, dass "nicht jeder Soldat mit einem Trauma aus Afghanistan zurückkommt". Für viele sei es auch nur ein sehr intensiver Dienst. "Und da müssen wir als Seelsorger darauf achten, dass die Soldaten nicht emotional abstumpfen."



Grundsätzlich, so Wagner, der im kommenden Jahr in den Hindukusch geht, könne die Kirche nicht mehr - aber auch nicht weniger - tun, als für ihre Sache zu werben. Dabei komme den Militärseelsorgern zugute, dass ihre Position außerhalb der Hierarchie einen einfacheren Zugang zu den Soldaten ermögliche. "Bei uns gibt es nach einem Gespräch keinen Aktenvermerk", betont Wagner. Deshalb kämen viele Soldaten mit persönlichen Anliegen zum Pfarrer, bevor sie den offiziellen Weg gehen.



Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Auseinandersetzung mit Lebensfragen und ethischen Themen bietet der sogenannte Lebenskundliche Unterricht. Dieser bleibe "über die Grenzen des Christentums hinaus" ein wichtiger Inhalt der Seelsorge, betont Militärbischof Overbeck. Gerade angesichts von internationalen Einsätzen sei das "unentwegte Arbeiten" an derartigen Themen grundlegend. Hier habe auch die Diskussion über die "Gerechtigkeit" eines Einsatzes ihren Platz - eben weil die Bundeswehr eine Parlaments-Armee sei und ihre Einsätze als "Friedensdienst" verstehe.



Bleibt die Frage nach der Organisation der Bundeswehr. Der Wegfall der Wehrpflicht macht nach Ansicht von Militärpfarrer Wagner jedenfalls kaum einen Unterschied. Die jungen Wehrpflichtigen hätten ohnehin nur wenig Bedarf an individueller Seelsorge im Standort gehabt. Und wie steht man künftig einer Rekrutierung neuer Soldaten gegenüber? Reklame für die Bundeswehr zu machen sei sicherlich keine Aufgabe von Kirche, sagt Wagner und lacht.



Trotzdem sieht auch der Militärpfarrer das Problem. Seiner Ansicht nach muss die Zeit beim Militär den jungen Rekruten vor allem einen Nutzen bringen. Zudem müsse die Bundeswehr auch bei der Rückkehr in das zivile Leben helfen. Wichtig für das Image sei schließlich der Rückhalt in der Bevölkerung. Daran hapert es bisweilen, findet Wagner. Schließlich leiste die Bundeswehr einen Dienst an der Gesellschaft.